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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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schalten gewühlt wird. Andere angesehene Familien des Hauran sind die
Hezime. die El Atmsch. die Aamer und die Fachr; sie gelten für edler als die
Beni Hanidan, aber trotzdem gehört die Scheichwürde stets diesen zu.

Der Adel des Hauran gilt für geringer als der des Libanon, und die
Drusen jenes Berglandes sind (wol dnrch den Verkehr mit den benachbarten
Beduinen) rauher und weniger eifrig in Beachtung der Vorschriften ihrer Re¬
ligion geworden. Sie kehren sich nicht viel an den Unterschied zwischen erlaubten
und unerlaubten Speisen, sind ungerecht und habgierig gegen die Schwachen
und halten überhaupt nicht viel von Austand. Rechtschaffenheit und guter
Sitte.

Den niedrigsten Standpunkt endlich nehmen die Drusen ein. die in der
galilüischen Judenstadt Safed wohnen. Sie gelten den übrigen als Feiglinge,
und ihre Geschlechter bekleide" keinerlei Würden.

Dies ist die Gegenwart der Drüsen. Ihre Zukunft gehört wieder in das
Gebiet der mystischen Poesie und hat große Aehnlichkeit mit den Vorstellungen,
welche sich die chiliastischen Secten des Christenthums, der Verfasser der Apo¬
kalypse, die Mormonen und andere Schwärmer dieser Gattung vom jüngste"
Tage und vom letzten Gericht machen.

Wie die Juden auf den Meschiach. die bibelgläubigen Christen aus die
Pnrusie Christi hoffen, so glauben auch die Drusen, daß dereinst ihr Gott
Hakim Beamrihi in ^Begleitung der "fünf edlen Endpunkte" wiederkehren
werde. Sie behaupten, daß diese letztem seit ihrem Verschwinden in den Re¬
gionen des innern China hinter dem "Berg der Scheidewand" leben. Dieser
Berg ist wol die verdunkelte Vorstellung von der großen Mauer, und die Ver¬
weisung der "Endpunkte" nach Immer-China (der Mongolei) vielleicht ein
Nachhall der Mongolenzüge nnter Timur. die bekanntlich sich bis nach Syrien
^streckten. Sie glauben, daß sämmtliche Bewohner des Reichs der Mitte
Drusen lind daß sie zugleich Nachkommen der Verlornen zehn Stämme Israel
sind. (Die Mormonen haben diese Vermißten bekanntlich in den Rothhäuten
Amerikas wiedergefunden.) Sie sind das Volk des "edlen Gog und Magog"
und ihre Zahl beträgt den fünften Theil des gesammten Menschengeschlechts.

Versucht man ihre oben angeführte Ansicht, daß hie Zahl der Menschen
sich stets gleich bleibe, nie zu- und nie abnehme, mit der Erfahrung zu widcv-
legen. nach welcher die Zahl ihrer eignen Glaubensgenossen in Syrien nickt
"mener dieselbe war. und im Kriege oft an einem Tage mehr Menschen
umkommen, als an demselben geboren werden, im Frieden dagegen die Zahl
der Geburten die der Todesfälle übersteigt, so erwidern sie darauf, daß die
Überzahl der Todten in China wieder geboren werde, die Ueberzahl der
Geburten aber von dort herkomme. Wie sie sich diesen Vorgang denken, er-
^de man aus dem Gebrauch, nach welchem, wenn bei den Drüsen ein Kind


schalten gewühlt wird. Andere angesehene Familien des Hauran sind die
Hezime. die El Atmsch. die Aamer und die Fachr; sie gelten für edler als die
Beni Hanidan, aber trotzdem gehört die Scheichwürde stets diesen zu.

Der Adel des Hauran gilt für geringer als der des Libanon, und die
Drusen jenes Berglandes sind (wol dnrch den Verkehr mit den benachbarten
Beduinen) rauher und weniger eifrig in Beachtung der Vorschriften ihrer Re¬
ligion geworden. Sie kehren sich nicht viel an den Unterschied zwischen erlaubten
und unerlaubten Speisen, sind ungerecht und habgierig gegen die Schwachen
und halten überhaupt nicht viel von Austand. Rechtschaffenheit und guter
Sitte.

Den niedrigsten Standpunkt endlich nehmen die Drusen ein. die in der
galilüischen Judenstadt Safed wohnen. Sie gelten den übrigen als Feiglinge,
und ihre Geschlechter bekleide» keinerlei Würden.

Dies ist die Gegenwart der Drüsen. Ihre Zukunft gehört wieder in das
Gebiet der mystischen Poesie und hat große Aehnlichkeit mit den Vorstellungen,
welche sich die chiliastischen Secten des Christenthums, der Verfasser der Apo¬
kalypse, die Mormonen und andere Schwärmer dieser Gattung vom jüngste»
Tage und vom letzten Gericht machen.

Wie die Juden auf den Meschiach. die bibelgläubigen Christen aus die
Pnrusie Christi hoffen, so glauben auch die Drusen, daß dereinst ihr Gott
Hakim Beamrihi in ^Begleitung der „fünf edlen Endpunkte" wiederkehren
werde. Sie behaupten, daß diese letztem seit ihrem Verschwinden in den Re¬
gionen des innern China hinter dem „Berg der Scheidewand" leben. Dieser
Berg ist wol die verdunkelte Vorstellung von der großen Mauer, und die Ver¬
weisung der „Endpunkte" nach Immer-China (der Mongolei) vielleicht ein
Nachhall der Mongolenzüge nnter Timur. die bekanntlich sich bis nach Syrien
^streckten. Sie glauben, daß sämmtliche Bewohner des Reichs der Mitte
Drusen lind daß sie zugleich Nachkommen der Verlornen zehn Stämme Israel
sind. (Die Mormonen haben diese Vermißten bekanntlich in den Rothhäuten
Amerikas wiedergefunden.) Sie sind das Volk des „edlen Gog und Magog"
und ihre Zahl beträgt den fünften Theil des gesammten Menschengeschlechts.

Versucht man ihre oben angeführte Ansicht, daß hie Zahl der Menschen
sich stets gleich bleibe, nie zu- und nie abnehme, mit der Erfahrung zu widcv-
legen. nach welcher die Zahl ihrer eignen Glaubensgenossen in Syrien nickt
"mener dieselbe war. und im Kriege oft an einem Tage mehr Menschen
umkommen, als an demselben geboren werden, im Frieden dagegen die Zahl
der Geburten die der Todesfälle übersteigt, so erwidern sie darauf, daß die
Überzahl der Todten in China wieder geboren werde, die Ueberzahl der
Geburten aber von dort herkomme. Wie sie sich diesen Vorgang denken, er-
^de man aus dem Gebrauch, nach welchem, wenn bei den Drüsen ein Kind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/191>, abgerufen am 26.08.2024.