Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dies als guter Mohammedaner gethan, weil jene zum Christenthum überge¬
treten seien. Dies geschah im Jahre 1819. Emir Hasar befolgte- diesen
Rath, erreichte aber damit nicht, daß er, wie der Verführer ihm vorgespiegelt,
von der Pforte an Emir Beschirs Statt zum Oberhaupt des Gebirges ernannt
wurde. Vielmehr schickte ihn Suleiman Pascha, der damalige Gouverneur
von selda, in Ketten nach Konstantinopel. Scheich Beschir Dschunbalat ließ
sich jedoch dadurch nicht abschrecken, neue Pläne zur Erlangung der Oberherr¬
schaft im Gebirge zu schmieden. Im Jahre 1824 verband sich mit ihm eine
große Anzahl von Drusen sowie ein Theil der Maroniten. die man durch Ge¬
schenke oder Drohungen gewonnen, und so zogen sie unverhofft gegen den Emir
Beschir, der nur 15t) Mann seiner Leibwache bei sich hatte. Zu diesem stie¬
ßen noch die Scheichs von Neked. dje den Scheich Beschir Dschunbalat ha߬
ten, weil er ihre Väter ermordet, und etwa 300 Christen von Dejr El Ka-
mar. Der Emir vertheidigte sich mit dieser geringen Mannschaft erfolgreich
gegen das 13000 Mann starke Heer des Scheichs, erhielt noch einen kleinen
Succurs vom Gouverneur von selda. lieferte dem Feinde drei Treffen und
besiegte ihn trotz seiner Uebermacht. Auf der Flucht aus dem Libanon wurde
Scheich Beschir mit seinem Verbündeten Scheich Ali El Amat von Mustapha
Pascha Bailanli. Gouverneur von Damaskus, gefangen genommen, der den
Scheich Ali sofort niederhauen ließ, den Scheich Beschir aber zu dem Pascha
von selda schickte. Dieser gebot, ihn'als Aufrührer zu erdrosseln, und als
er in Erfahrung gebracht, daß derselbe, um die Mohammedaner zu täuschen, die
Moschee in El Muchtare erbaut, ließ er den Leichnam noch auf Grund eines
eingeholtem Fetwa (Rechtsschluß) in Stücke hauen.

Dies mag hinreichen, zu zeigen, wie die Führer der Drusen Politik
machen. Die Vorgänge der letzten beiden Jahrzehnte sind bekannt, und
wir gehen jetzt zu den Mittheilungen über, welche unser Berichterstatter über
die Zahl der Drusen im Jahre 1853 und über die Hauptfamilien derselben
giebt. Gewöhnlich nimmt man an. daß die Secte 100 bis 160,000 Köpfe
zähle. Dies ist jedoch sehr übertrieben. Die Zahl der Drusen im Libanon
und anderswo übersteigt nicht 50.000 Seelen. Davon wohnen im Libanon
etwa 27,000, in Chasbcya, Rascheya und Merdschajun 7000, im Bezirk von
Bellan, in Damaskus und der Ghuta gegen 4000, auf dem Haurnngebirge
8000. im District von Safed 1500. auf dem Dschevei El Ala 2000 und im
Ras Beirut 500 , welche letzteren zu der Secte Zekutt gehören, mit der die
Drusen wegen ihrer Niedrigkeit nicht umgehen,, die aber zu ihnen zu zählen ist.

Der Adel der Drusen zerfällt in drei Classen oder Grade: Fürsten oder
Emire, Vorsteher und Scheichs.

Zu den Emiren gehörte das jetzt ausgestorbene Geschlecht Tenuch und
die alte Familie Ruslan im Westen des Libanon, die ebenfalls ausgestorben,


dies als guter Mohammedaner gethan, weil jene zum Christenthum überge¬
treten seien. Dies geschah im Jahre 1819. Emir Hasar befolgte- diesen
Rath, erreichte aber damit nicht, daß er, wie der Verführer ihm vorgespiegelt,
von der Pforte an Emir Beschirs Statt zum Oberhaupt des Gebirges ernannt
wurde. Vielmehr schickte ihn Suleiman Pascha, der damalige Gouverneur
von selda, in Ketten nach Konstantinopel. Scheich Beschir Dschunbalat ließ
sich jedoch dadurch nicht abschrecken, neue Pläne zur Erlangung der Oberherr¬
schaft im Gebirge zu schmieden. Im Jahre 1824 verband sich mit ihm eine
große Anzahl von Drusen sowie ein Theil der Maroniten. die man durch Ge¬
schenke oder Drohungen gewonnen, und so zogen sie unverhofft gegen den Emir
Beschir, der nur 15t) Mann seiner Leibwache bei sich hatte. Zu diesem stie¬
ßen noch die Scheichs von Neked. dje den Scheich Beschir Dschunbalat ha߬
ten, weil er ihre Väter ermordet, und etwa 300 Christen von Dejr El Ka-
mar. Der Emir vertheidigte sich mit dieser geringen Mannschaft erfolgreich
gegen das 13000 Mann starke Heer des Scheichs, erhielt noch einen kleinen
Succurs vom Gouverneur von selda. lieferte dem Feinde drei Treffen und
besiegte ihn trotz seiner Uebermacht. Auf der Flucht aus dem Libanon wurde
Scheich Beschir mit seinem Verbündeten Scheich Ali El Amat von Mustapha
Pascha Bailanli. Gouverneur von Damaskus, gefangen genommen, der den
Scheich Ali sofort niederhauen ließ, den Scheich Beschir aber zu dem Pascha
von selda schickte. Dieser gebot, ihn'als Aufrührer zu erdrosseln, und als
er in Erfahrung gebracht, daß derselbe, um die Mohammedaner zu täuschen, die
Moschee in El Muchtare erbaut, ließ er den Leichnam noch auf Grund eines
eingeholtem Fetwa (Rechtsschluß) in Stücke hauen.

Dies mag hinreichen, zu zeigen, wie die Führer der Drusen Politik
machen. Die Vorgänge der letzten beiden Jahrzehnte sind bekannt, und
wir gehen jetzt zu den Mittheilungen über, welche unser Berichterstatter über
die Zahl der Drusen im Jahre 1853 und über die Hauptfamilien derselben
giebt. Gewöhnlich nimmt man an. daß die Secte 100 bis 160,000 Köpfe
zähle. Dies ist jedoch sehr übertrieben. Die Zahl der Drusen im Libanon
und anderswo übersteigt nicht 50.000 Seelen. Davon wohnen im Libanon
etwa 27,000, in Chasbcya, Rascheya und Merdschajun 7000, im Bezirk von
Bellan, in Damaskus und der Ghuta gegen 4000, auf dem Haurnngebirge
8000. im District von Safed 1500. auf dem Dschevei El Ala 2000 und im
Ras Beirut 500 , welche letzteren zu der Secte Zekutt gehören, mit der die
Drusen wegen ihrer Niedrigkeit nicht umgehen,, die aber zu ihnen zu zählen ist.

Der Adel der Drusen zerfällt in drei Classen oder Grade: Fürsten oder
Emire, Vorsteher und Scheichs.

Zu den Emiren gehörte das jetzt ausgestorbene Geschlecht Tenuch und
die alte Familie Ruslan im Westen des Libanon, die ebenfalls ausgestorben,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111082"/>
            <p xml:id="ID_576" prev="#ID_575"> dies als guter Mohammedaner gethan, weil jene zum Christenthum überge¬<lb/>
treten seien. Dies geschah im Jahre 1819. Emir Hasar befolgte- diesen<lb/>
Rath, erreichte aber damit nicht, daß er, wie der Verführer ihm vorgespiegelt,<lb/>
von der Pforte an Emir Beschirs Statt zum Oberhaupt des Gebirges ernannt<lb/>
wurde. Vielmehr schickte ihn Suleiman Pascha, der damalige Gouverneur<lb/>
von selda, in Ketten nach Konstantinopel. Scheich Beschir Dschunbalat ließ<lb/>
sich jedoch dadurch nicht abschrecken, neue Pläne zur Erlangung der Oberherr¬<lb/>
schaft im Gebirge zu schmieden. Im Jahre 1824 verband sich mit ihm eine<lb/>
große Anzahl von Drusen sowie ein Theil der Maroniten. die man durch Ge¬<lb/>
schenke oder Drohungen gewonnen, und so zogen sie unverhofft gegen den Emir<lb/>
Beschir, der nur 15t) Mann seiner Leibwache bei sich hatte. Zu diesem stie¬<lb/>
ßen noch die Scheichs von Neked. dje den Scheich Beschir Dschunbalat ha߬<lb/>
ten, weil er ihre Väter ermordet, und etwa 300 Christen von Dejr El Ka-<lb/>
mar. Der Emir vertheidigte sich mit dieser geringen Mannschaft erfolgreich<lb/>
gegen das 13000 Mann starke Heer des Scheichs, erhielt noch einen kleinen<lb/>
Succurs vom Gouverneur von selda. lieferte dem Feinde drei Treffen und<lb/>
besiegte ihn trotz seiner Uebermacht. Auf der Flucht aus dem Libanon wurde<lb/>
Scheich Beschir mit seinem Verbündeten Scheich Ali El Amat von Mustapha<lb/>
Pascha Bailanli. Gouverneur von Damaskus, gefangen genommen, der den<lb/>
Scheich Ali sofort niederhauen ließ, den Scheich Beschir aber zu dem Pascha<lb/>
von selda schickte. Dieser gebot, ihn'als Aufrührer zu erdrosseln, und als<lb/>
er in Erfahrung gebracht, daß derselbe, um die Mohammedaner zu täuschen, die<lb/>
Moschee in El Muchtare erbaut, ließ er den Leichnam noch auf Grund eines<lb/>
eingeholtem Fetwa (Rechtsschluß) in Stücke hauen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_577"> Dies mag hinreichen, zu zeigen, wie die Führer der Drusen Politik<lb/>
machen. Die Vorgänge der letzten beiden Jahrzehnte sind bekannt, und<lb/>
wir gehen jetzt zu den Mittheilungen über, welche unser Berichterstatter über<lb/>
die Zahl der Drusen im Jahre 1853 und über die Hauptfamilien derselben<lb/>
giebt. Gewöhnlich nimmt man an. daß die Secte 100 bis 160,000 Köpfe<lb/>
zähle. Dies ist jedoch sehr übertrieben. Die Zahl der Drusen im Libanon<lb/>
und anderswo übersteigt nicht 50.000 Seelen. Davon wohnen im Libanon<lb/>
etwa 27,000, in Chasbcya, Rascheya und Merdschajun 7000, im Bezirk von<lb/>
Bellan, in Damaskus und der Ghuta gegen 4000, auf dem Haurnngebirge<lb/>
8000. im District von Safed 1500. auf dem Dschevei El Ala 2000 und im<lb/>
Ras Beirut 500 , welche letzteren zu der Secte Zekutt gehören, mit der die<lb/>
Drusen wegen ihrer Niedrigkeit nicht umgehen,, die aber zu ihnen zu zählen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_578"> Der Adel der Drusen zerfällt in drei Classen oder Grade: Fürsten oder<lb/>
Emire, Vorsteher und Scheichs.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_579" next="#ID_580"> Zu den Emiren gehörte das jetzt ausgestorbene Geschlecht Tenuch und<lb/>
die alte Familie Ruslan im Westen des Libanon, die ebenfalls ausgestorben,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] dies als guter Mohammedaner gethan, weil jene zum Christenthum überge¬ treten seien. Dies geschah im Jahre 1819. Emir Hasar befolgte- diesen Rath, erreichte aber damit nicht, daß er, wie der Verführer ihm vorgespiegelt, von der Pforte an Emir Beschirs Statt zum Oberhaupt des Gebirges ernannt wurde. Vielmehr schickte ihn Suleiman Pascha, der damalige Gouverneur von selda, in Ketten nach Konstantinopel. Scheich Beschir Dschunbalat ließ sich jedoch dadurch nicht abschrecken, neue Pläne zur Erlangung der Oberherr¬ schaft im Gebirge zu schmieden. Im Jahre 1824 verband sich mit ihm eine große Anzahl von Drusen sowie ein Theil der Maroniten. die man durch Ge¬ schenke oder Drohungen gewonnen, und so zogen sie unverhofft gegen den Emir Beschir, der nur 15t) Mann seiner Leibwache bei sich hatte. Zu diesem stie¬ ßen noch die Scheichs von Neked. dje den Scheich Beschir Dschunbalat ha߬ ten, weil er ihre Väter ermordet, und etwa 300 Christen von Dejr El Ka- mar. Der Emir vertheidigte sich mit dieser geringen Mannschaft erfolgreich gegen das 13000 Mann starke Heer des Scheichs, erhielt noch einen kleinen Succurs vom Gouverneur von selda. lieferte dem Feinde drei Treffen und besiegte ihn trotz seiner Uebermacht. Auf der Flucht aus dem Libanon wurde Scheich Beschir mit seinem Verbündeten Scheich Ali El Amat von Mustapha Pascha Bailanli. Gouverneur von Damaskus, gefangen genommen, der den Scheich Ali sofort niederhauen ließ, den Scheich Beschir aber zu dem Pascha von selda schickte. Dieser gebot, ihn'als Aufrührer zu erdrosseln, und als er in Erfahrung gebracht, daß derselbe, um die Mohammedaner zu täuschen, die Moschee in El Muchtare erbaut, ließ er den Leichnam noch auf Grund eines eingeholtem Fetwa (Rechtsschluß) in Stücke hauen. Dies mag hinreichen, zu zeigen, wie die Führer der Drusen Politik machen. Die Vorgänge der letzten beiden Jahrzehnte sind bekannt, und wir gehen jetzt zu den Mittheilungen über, welche unser Berichterstatter über die Zahl der Drusen im Jahre 1853 und über die Hauptfamilien derselben giebt. Gewöhnlich nimmt man an. daß die Secte 100 bis 160,000 Köpfe zähle. Dies ist jedoch sehr übertrieben. Die Zahl der Drusen im Libanon und anderswo übersteigt nicht 50.000 Seelen. Davon wohnen im Libanon etwa 27,000, in Chasbcya, Rascheya und Merdschajun 7000, im Bezirk von Bellan, in Damaskus und der Ghuta gegen 4000, auf dem Haurnngebirge 8000. im District von Safed 1500. auf dem Dschevei El Ala 2000 und im Ras Beirut 500 , welche letzteren zu der Secte Zekutt gehören, mit der die Drusen wegen ihrer Niedrigkeit nicht umgehen,, die aber zu ihnen zu zählen ist. Der Adel der Drusen zerfällt in drei Classen oder Grade: Fürsten oder Emire, Vorsteher und Scheichs. Zu den Emiren gehörte das jetzt ausgestorbene Geschlecht Tenuch und die alte Familie Ruslan im Westen des Libanon, die ebenfalls ausgestorben,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/188>, abgerufen am 26.08.2024.