Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es bleiben nur die "Ausgezeichneten" des Orts mit denen, die aus andern
Versammlungen gekommen sind, zurück. Nun erwägen die Vorsteher die wich¬
tigsten Angelegenheiten, die zu ihrer Kenntniß gelangt sind, sowie alle Ne-
gierungssragen, deren Einsicht dem Volke niedern Grades vorenthalten bleibt.
Dann werden die etwa erforderlich scheinenden Maßregeln, z. B. die Rache
an dem einen oder dem andern Feind, die Absetzung eines Richters oder Gou¬
verneurs, die Plünderung einer Ortschaft berathen. Nachdem man sich darüber
verständigt, geht man auseinander und die fremden Vertrauten kehren in ihre
Heimath zurück, um am folgenden Donnerstag über das, was sie gehört,
Bericht zu erstatten. Auf diese Weise werden die Angelegenheiten der Ein¬
zelnen zu gemeinschaftlichen, wenigstens allgemein bekannten, wie wenn sie nur
eine große Familie wären, und sie wenden allen Fleiß und Eiser darauf, diese
Ordnung der Dinge aufs Beste zu erhalten: "Nach dem. was von ihrer Ge-
schicklichkeit und ihren Einrichtungen bekannt geworden ist," sagt unser ara¬
bischer Darsteller, "haben sie die meiste Aehnlichkeit mit dem, was von der
Brüderschaft der Bauleute (d. d. der Freima u rer) in Europa erzählt wird."

Nachdem die Drusen sich in dem Wadi Et Teju niedergelassen hatten,
breiteten sie sich nach dem Dschebel Esch schuf, sowie nach Arkub, nach dem
Dschurd und nach Meer aus. hierauf über den Dschebel El Ala bei Aleppo.
über die Gegend von Safed in Galiläa wie über das Gebirge Karmel (wo
jetzt aber keine mehr wohnen) und endlich über den Dschebel El Mati. Als
später die Jemeniden im Libanon von den zahlreicheren Kaisiden überfallen
wurden, wanderten viele der ersteren nach dem Hauran, östlich vom Libanon
aus, und hier befestigte sich ihre Herrschaft ganz besonders, weil die Moham¬
medaner und Christen hier wenig zahlreich waren und sich in ihrer Nähe das
für die Truppen der türkischen Negierung schwer zugängliche Bergland der
Ledscha befand. Hier hat die Psorte ihren Willen niemals ganz geltend
machen können, sondern sich damit begnügt, daß die Drusen ihre Obmncht
mit Worten anerkannten. Bei ernstlichem Wollen freilich würde es ihr auch
hier nicht unmöglich sein, die Drusen sich wirklich Unterthan zu machen; vor
der Occupation des Landes durch die Aegypter hatten die Paschas von Da¬
maskus nicht mehr als fünfhundert Mann regulärer Reiterei zur Verfügung, und
doch drangen ihre Befehle meistentheils durch und in allen Theilen des
Paschaliks fürchtete man ihre Macht. Die Negierung will die Drusen aber
nicht zu sehr geschwächt, sie will sie bis zu einem gewissen Grade mächtig
sehen, damit ihre Nachbarn, die Christen durch sie niedergehalten und in der
Entwickelung zur Widerstandsfähigkeit gegen die Türkenherrschaft gehemmt
werden, und sie hat dies wiederholt und erst im verflossenen Jahre wieder da¬
durch bewiesen, daß die Paschas den Drusen unverhohlen zur Bekämpfung
der Christen Hülfe leisteten oder wenigstens bei den Angriffen der Drusen auf


es bleiben nur die „Ausgezeichneten" des Orts mit denen, die aus andern
Versammlungen gekommen sind, zurück. Nun erwägen die Vorsteher die wich¬
tigsten Angelegenheiten, die zu ihrer Kenntniß gelangt sind, sowie alle Ne-
gierungssragen, deren Einsicht dem Volke niedern Grades vorenthalten bleibt.
Dann werden die etwa erforderlich scheinenden Maßregeln, z. B. die Rache
an dem einen oder dem andern Feind, die Absetzung eines Richters oder Gou¬
verneurs, die Plünderung einer Ortschaft berathen. Nachdem man sich darüber
verständigt, geht man auseinander und die fremden Vertrauten kehren in ihre
Heimath zurück, um am folgenden Donnerstag über das, was sie gehört,
Bericht zu erstatten. Auf diese Weise werden die Angelegenheiten der Ein¬
zelnen zu gemeinschaftlichen, wenigstens allgemein bekannten, wie wenn sie nur
eine große Familie wären, und sie wenden allen Fleiß und Eiser darauf, diese
Ordnung der Dinge aufs Beste zu erhalten: „Nach dem. was von ihrer Ge-
schicklichkeit und ihren Einrichtungen bekannt geworden ist," sagt unser ara¬
bischer Darsteller, „haben sie die meiste Aehnlichkeit mit dem, was von der
Brüderschaft der Bauleute (d. d. der Freima u rer) in Europa erzählt wird."

Nachdem die Drusen sich in dem Wadi Et Teju niedergelassen hatten,
breiteten sie sich nach dem Dschebel Esch schuf, sowie nach Arkub, nach dem
Dschurd und nach Meer aus. hierauf über den Dschebel El Ala bei Aleppo.
über die Gegend von Safed in Galiläa wie über das Gebirge Karmel (wo
jetzt aber keine mehr wohnen) und endlich über den Dschebel El Mati. Als
später die Jemeniden im Libanon von den zahlreicheren Kaisiden überfallen
wurden, wanderten viele der ersteren nach dem Hauran, östlich vom Libanon
aus, und hier befestigte sich ihre Herrschaft ganz besonders, weil die Moham¬
medaner und Christen hier wenig zahlreich waren und sich in ihrer Nähe das
für die Truppen der türkischen Negierung schwer zugängliche Bergland der
Ledscha befand. Hier hat die Psorte ihren Willen niemals ganz geltend
machen können, sondern sich damit begnügt, daß die Drusen ihre Obmncht
mit Worten anerkannten. Bei ernstlichem Wollen freilich würde es ihr auch
hier nicht unmöglich sein, die Drusen sich wirklich Unterthan zu machen; vor
der Occupation des Landes durch die Aegypter hatten die Paschas von Da¬
maskus nicht mehr als fünfhundert Mann regulärer Reiterei zur Verfügung, und
doch drangen ihre Befehle meistentheils durch und in allen Theilen des
Paschaliks fürchtete man ihre Macht. Die Negierung will die Drusen aber
nicht zu sehr geschwächt, sie will sie bis zu einem gewissen Grade mächtig
sehen, damit ihre Nachbarn, die Christen durch sie niedergehalten und in der
Entwickelung zur Widerstandsfähigkeit gegen die Türkenherrschaft gehemmt
werden, und sie hat dies wiederholt und erst im verflossenen Jahre wieder da¬
durch bewiesen, daß die Paschas den Drusen unverhohlen zur Bekämpfung
der Christen Hülfe leisteten oder wenigstens bei den Angriffen der Drusen auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111080"/>
            <p xml:id="ID_571" prev="#ID_570"> es bleiben nur die &#x201E;Ausgezeichneten" des Orts mit denen, die aus andern<lb/>
Versammlungen gekommen sind, zurück. Nun erwägen die Vorsteher die wich¬<lb/>
tigsten Angelegenheiten, die zu ihrer Kenntniß gelangt sind, sowie alle Ne-<lb/>
gierungssragen, deren Einsicht dem Volke niedern Grades vorenthalten bleibt.<lb/>
Dann werden die etwa erforderlich scheinenden Maßregeln, z. B. die Rache<lb/>
an dem einen oder dem andern Feind, die Absetzung eines Richters oder Gou¬<lb/>
verneurs, die Plünderung einer Ortschaft berathen. Nachdem man sich darüber<lb/>
verständigt, geht man auseinander und die fremden Vertrauten kehren in ihre<lb/>
Heimath zurück, um am folgenden Donnerstag über das, was sie gehört,<lb/>
Bericht zu erstatten. Auf diese Weise werden die Angelegenheiten der Ein¬<lb/>
zelnen zu gemeinschaftlichen, wenigstens allgemein bekannten, wie wenn sie nur<lb/>
eine große Familie wären, und sie wenden allen Fleiß und Eiser darauf, diese<lb/>
Ordnung der Dinge aufs Beste zu erhalten: &#x201E;Nach dem. was von ihrer Ge-<lb/>
schicklichkeit und ihren Einrichtungen bekannt geworden ist," sagt unser ara¬<lb/>
bischer Darsteller, &#x201E;haben sie die meiste Aehnlichkeit mit dem, was von der<lb/>
Brüderschaft der Bauleute (d. d. der Freima u rer) in Europa erzählt wird."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_572" next="#ID_573"> Nachdem die Drusen sich in dem Wadi Et Teju niedergelassen hatten,<lb/>
breiteten sie sich nach dem Dschebel Esch schuf, sowie nach Arkub, nach dem<lb/>
Dschurd und nach Meer aus. hierauf über den Dschebel El Ala bei Aleppo.<lb/>
über die Gegend von Safed in Galiläa wie über das Gebirge Karmel (wo<lb/>
jetzt aber keine mehr wohnen) und endlich über den Dschebel El Mati. Als<lb/>
später die Jemeniden im Libanon von den zahlreicheren Kaisiden überfallen<lb/>
wurden, wanderten viele der ersteren nach dem Hauran, östlich vom Libanon<lb/>
aus, und hier befestigte sich ihre Herrschaft ganz besonders, weil die Moham¬<lb/>
medaner und Christen hier wenig zahlreich waren und sich in ihrer Nähe das<lb/>
für die Truppen der türkischen Negierung schwer zugängliche Bergland der<lb/>
Ledscha befand. Hier hat die Psorte ihren Willen niemals ganz geltend<lb/>
machen können, sondern sich damit begnügt, daß die Drusen ihre Obmncht<lb/>
mit Worten anerkannten. Bei ernstlichem Wollen freilich würde es ihr auch<lb/>
hier nicht unmöglich sein, die Drusen sich wirklich Unterthan zu machen; vor<lb/>
der Occupation des Landes durch die Aegypter hatten die Paschas von Da¬<lb/>
maskus nicht mehr als fünfhundert Mann regulärer Reiterei zur Verfügung, und<lb/>
doch drangen ihre Befehle meistentheils durch und in allen Theilen des<lb/>
Paschaliks fürchtete man ihre Macht. Die Negierung will die Drusen aber<lb/>
nicht zu sehr geschwächt, sie will sie bis zu einem gewissen Grade mächtig<lb/>
sehen, damit ihre Nachbarn, die Christen durch sie niedergehalten und in der<lb/>
Entwickelung zur Widerstandsfähigkeit gegen die Türkenherrschaft gehemmt<lb/>
werden, und sie hat dies wiederholt und erst im verflossenen Jahre wieder da¬<lb/>
durch bewiesen, daß die Paschas den Drusen unverhohlen zur Bekämpfung<lb/>
der Christen Hülfe leisteten oder wenigstens bei den Angriffen der Drusen auf</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0186] es bleiben nur die „Ausgezeichneten" des Orts mit denen, die aus andern Versammlungen gekommen sind, zurück. Nun erwägen die Vorsteher die wich¬ tigsten Angelegenheiten, die zu ihrer Kenntniß gelangt sind, sowie alle Ne- gierungssragen, deren Einsicht dem Volke niedern Grades vorenthalten bleibt. Dann werden die etwa erforderlich scheinenden Maßregeln, z. B. die Rache an dem einen oder dem andern Feind, die Absetzung eines Richters oder Gou¬ verneurs, die Plünderung einer Ortschaft berathen. Nachdem man sich darüber verständigt, geht man auseinander und die fremden Vertrauten kehren in ihre Heimath zurück, um am folgenden Donnerstag über das, was sie gehört, Bericht zu erstatten. Auf diese Weise werden die Angelegenheiten der Ein¬ zelnen zu gemeinschaftlichen, wenigstens allgemein bekannten, wie wenn sie nur eine große Familie wären, und sie wenden allen Fleiß und Eiser darauf, diese Ordnung der Dinge aufs Beste zu erhalten: „Nach dem. was von ihrer Ge- schicklichkeit und ihren Einrichtungen bekannt geworden ist," sagt unser ara¬ bischer Darsteller, „haben sie die meiste Aehnlichkeit mit dem, was von der Brüderschaft der Bauleute (d. d. der Freima u rer) in Europa erzählt wird." Nachdem die Drusen sich in dem Wadi Et Teju niedergelassen hatten, breiteten sie sich nach dem Dschebel Esch schuf, sowie nach Arkub, nach dem Dschurd und nach Meer aus. hierauf über den Dschebel El Ala bei Aleppo. über die Gegend von Safed in Galiläa wie über das Gebirge Karmel (wo jetzt aber keine mehr wohnen) und endlich über den Dschebel El Mati. Als später die Jemeniden im Libanon von den zahlreicheren Kaisiden überfallen wurden, wanderten viele der ersteren nach dem Hauran, östlich vom Libanon aus, und hier befestigte sich ihre Herrschaft ganz besonders, weil die Moham¬ medaner und Christen hier wenig zahlreich waren und sich in ihrer Nähe das für die Truppen der türkischen Negierung schwer zugängliche Bergland der Ledscha befand. Hier hat die Psorte ihren Willen niemals ganz geltend machen können, sondern sich damit begnügt, daß die Drusen ihre Obmncht mit Worten anerkannten. Bei ernstlichem Wollen freilich würde es ihr auch hier nicht unmöglich sein, die Drusen sich wirklich Unterthan zu machen; vor der Occupation des Landes durch die Aegypter hatten die Paschas von Da¬ maskus nicht mehr als fünfhundert Mann regulärer Reiterei zur Verfügung, und doch drangen ihre Befehle meistentheils durch und in allen Theilen des Paschaliks fürchtete man ihre Macht. Die Negierung will die Drusen aber nicht zu sehr geschwächt, sie will sie bis zu einem gewissen Grade mächtig sehen, damit ihre Nachbarn, die Christen durch sie niedergehalten und in der Entwickelung zur Widerstandsfähigkeit gegen die Türkenherrschaft gehemmt werden, und sie hat dies wiederholt und erst im verflossenen Jahre wieder da¬ durch bewiesen, daß die Paschas den Drusen unverhohlen zur Bekämpfung der Christen Hülfe leisteten oder wenigstens bei den Angriffen der Drusen auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/186
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/186>, abgerufen am 26.08.2024.