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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Aber der Frldzeugmcister, im Laufe der Schlacht anlangend und ohne unum¬
schränkte Vollmacht, konnte beim besten Willen auf die an ihn gerichteten
Anfragen und Bitten nichts anderes erwiedern, als: "Ich bin nicht Armee¬
commandant; -- wenden Sie Sich an den Feldzeugmeister Gyulai." Noch
ärger kamen die Dinge, nachdem der Kaiser den Befehl persönlich übernommen
hatte. Niemand wagte es, dem Letzten die ganze Sachlage offen zu enthüllen,
oder Einrede zu thun. Diejenigen, welche noch soviel Freimuth besaßen, um
wenigstens einen nützlichen Vorschlag zu machen, wurden meist bald davon
abgeschreckt. So z. B. jener bewährte Artilleriegeneral, welcher sich bei Sol-
ferino die Aeußerung erlaubte, daß "es an der Zeit wäre, die Reserveartillerie
vorzunehmen", und welchem hieraus ein Adjutant aus der kaiserlichen Suite
bedeutete, daß "Seine Majestät solche Einmengung in die Führung des Ober¬
befehls sehr unliebsam aufnehmen würden!"

Beinahe alle einsichtsvollen Generale waren vor dieser Schlacht der An¬
sicht, daß mit einem entscheidenden Schlage wenigstens so lange gewartet
werden müßte, bis die Armee wieder gesammelt und in ihrer Stimmung so¬
wie der Zahl nach durch die zu erwartenden Verstärkungen gekräftigt wäre.
Aber die Ungeduld des Kaisers und der denselben umgebenden jungen Offiziere
ließ eine hoche Zögerung nicht zu. Die Schlacht wurde gewagt und -- ver¬
loren. Wenige Tage darauf langten bei fünfzigtausend Mann frischer Truppen
auf italienischem Boden an und vielleicht dreißigtausend waren noch auf dem
Marsche dahin begriffen. Ja viele andere Truppen und der größte Theil der
Freicorps waren noch nicht einmal aus ihren Friedens- oder Errichtungssta¬
tionen im Innern des Reiches aufgebrochen.

Der Friede zu Villafranca beendigte den Kampf. Ob zum Vortheile
Oestreichs, dürfte jetzt noch mehr, als damals verneint werden müssen. Jeden¬
falls aber mochte man schon damals fühlen, daß man sich übereilt und daß
man, wenn auch den scheinbaren finanziellen und politischen Bedürfnissen des
Augenblicks, so doch nicht dem Gebote der militärischen Ehre, welche wenigstens
noch einen Versuch verlangt hätte, Genüge gethan habe. Daher ließ man
den Soldaten noch mehrere Wochen in dem Glauben, daß der abgeschlossene
Frieden nur ein Waffenstillstand sei. während dessen zur Wiederaufnahme des
Kampfes gerüstet werde. Aber Regiment um Regiment wurde zurückgeschickt,
die Freicorps wurden aufgelöst und das Werk des Friedens begann.

Was vorauszusehen war. geschah. Hütte der Krieg für Oestreich glücklich
geendet, so hätte der militärische Hofstaat des Kaisers ohne Zweifel allen
Ruhm sich beigemessen, alle Vortheile für sich ausgebeutet. Wahrscheinlich
hätte indessen auch der Kaiser in seiner Freude den Truppen Belohnungen (beson¬
ders solche, die nicht mit großen augenblicklichen Geldopfern verbunden gewesen
wären) zukommen lassen, und die von Einzelnen begangenen Fehler wären in dem


Aber der Frldzeugmcister, im Laufe der Schlacht anlangend und ohne unum¬
schränkte Vollmacht, konnte beim besten Willen auf die an ihn gerichteten
Anfragen und Bitten nichts anderes erwiedern, als: „Ich bin nicht Armee¬
commandant; — wenden Sie Sich an den Feldzeugmeister Gyulai." Noch
ärger kamen die Dinge, nachdem der Kaiser den Befehl persönlich übernommen
hatte. Niemand wagte es, dem Letzten die ganze Sachlage offen zu enthüllen,
oder Einrede zu thun. Diejenigen, welche noch soviel Freimuth besaßen, um
wenigstens einen nützlichen Vorschlag zu machen, wurden meist bald davon
abgeschreckt. So z. B. jener bewährte Artilleriegeneral, welcher sich bei Sol-
ferino die Aeußerung erlaubte, daß „es an der Zeit wäre, die Reserveartillerie
vorzunehmen", und welchem hieraus ein Adjutant aus der kaiserlichen Suite
bedeutete, daß „Seine Majestät solche Einmengung in die Führung des Ober¬
befehls sehr unliebsam aufnehmen würden!"

Beinahe alle einsichtsvollen Generale waren vor dieser Schlacht der An¬
sicht, daß mit einem entscheidenden Schlage wenigstens so lange gewartet
werden müßte, bis die Armee wieder gesammelt und in ihrer Stimmung so¬
wie der Zahl nach durch die zu erwartenden Verstärkungen gekräftigt wäre.
Aber die Ungeduld des Kaisers und der denselben umgebenden jungen Offiziere
ließ eine hoche Zögerung nicht zu. Die Schlacht wurde gewagt und — ver¬
loren. Wenige Tage darauf langten bei fünfzigtausend Mann frischer Truppen
auf italienischem Boden an und vielleicht dreißigtausend waren noch auf dem
Marsche dahin begriffen. Ja viele andere Truppen und der größte Theil der
Freicorps waren noch nicht einmal aus ihren Friedens- oder Errichtungssta¬
tionen im Innern des Reiches aufgebrochen.

Der Friede zu Villafranca beendigte den Kampf. Ob zum Vortheile
Oestreichs, dürfte jetzt noch mehr, als damals verneint werden müssen. Jeden¬
falls aber mochte man schon damals fühlen, daß man sich übereilt und daß
man, wenn auch den scheinbaren finanziellen und politischen Bedürfnissen des
Augenblicks, so doch nicht dem Gebote der militärischen Ehre, welche wenigstens
noch einen Versuch verlangt hätte, Genüge gethan habe. Daher ließ man
den Soldaten noch mehrere Wochen in dem Glauben, daß der abgeschlossene
Frieden nur ein Waffenstillstand sei. während dessen zur Wiederaufnahme des
Kampfes gerüstet werde. Aber Regiment um Regiment wurde zurückgeschickt,
die Freicorps wurden aufgelöst und das Werk des Friedens begann.

Was vorauszusehen war. geschah. Hütte der Krieg für Oestreich glücklich
geendet, so hätte der militärische Hofstaat des Kaisers ohne Zweifel allen
Ruhm sich beigemessen, alle Vortheile für sich ausgebeutet. Wahrscheinlich
hätte indessen auch der Kaiser in seiner Freude den Truppen Belohnungen (beson¬
ders solche, die nicht mit großen augenblicklichen Geldopfern verbunden gewesen
wären) zukommen lassen, und die von Einzelnen begangenen Fehler wären in dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/180>, abgerufen am 15.01.2025.