Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

militärischen Unterrichtsanstalten Austretendcn vermehrt. In den ehemaligen
Regimentserziehungshäusern wurden die Zöglinge (Kinder von Soldaten und
Unteroffizieren) mit beinahe spartanischer Strenge zu tüchtigen Unteroffizieren
herangebildet. Sie waren genügsam, abgehärtet, von einem wahren kriege¬
rischen Geiste beseelt, und hatten als höchstes Ziel ihrer Wünsche die Stelle
eines Feldwebels vor Augen. Nun aber hat eine irrig aufgefaßte Humanität
diese Anstalten so reformirt, daß die Zöglinge darin verweichlicht und an eine
Kost und Behaglichkeit gewöhnt werden, wie solche von ihnen auch nach der
Beförderung zum Offizier nur selten' erlangt werden kann. Der junge, im
Ganzen nur oberflächlich unterrichtete Soldat rückt jetzt zur Truppe ein. muß
die schlechte Kost und die Strapazen der übrigen Soldaten theilen, hat den
Kopf voll hochfliegender Gedanken, sieht aber bald, daß sein Avancement zum
Offizier nur von dem Zufalle und von Protection abhängt, was Wunder,
wenn er da unzufrieden und nachlässig wird! Ferner hatte auch ehedem in
den technischen Corps Jeder, ohne Unterschied des Standes oder Vermögens,
wenn er nur die hinreichenden Fähigkeiten besaß und sich gut betrug, Hoff¬
nung, zwar langsam,, aber sicher selbst bis zur Stelle eines Generals avan-
ciren zu können. Namentlich war das Bombardiercorps aus lauter Männern
zusammengesetzt, welche gründlich ausgebildet, in der Hoffnung auf Beförder¬
ung gewöhnlich über ihre gesetzliche Verpflichtung dienten und im Falle eines
Krieges eine fast unerschöpfliche Quelle bei Besetzung der abgängigen Offizicrs-
stellen bildeten. Die gegenwärtige Artillerieakademie. deren Zöglinge zwar
vollkommen salonmäßig, aber weit weniger in ihrem Fache ausgebildet sind,
wie jene des Bvmbardiercorps. genügt kaum sür den Friedensbedarf, daher
beim Ausbruche eines Krieges viele ganz untaugliche Subjecte zu Offizieren
befördert werden. So lassen sich gewöhnlich nur solche Individuen zur Ver¬
längerung ihrer Dienstzeit bewegen, welche zur Wiederausübung ihres etwai¬
gen frühere" Handwerkes zu träge, zu einer Civilbedicnstung zu ungebildet,
kurz zu jedem anderen Erwerbszweige beinahe unfähig sind und auch als
Soldaten selten einen besondern Werth besitzen. Daß die Vertheilung der
untergeordneten Civilposten, ungeachtet aller darüber ergangenen Befehle nur
selten verdienten Unteroffizieren zu Gute kommt, hält gleichfalls Viele von
einer freiwilligen Verlängerung ihrer Dienstzeit ab. Der Kaiser ordnete be¬
reits vor mehreren Jahren an. daß alle Posten untergeordneter Art bei den
Ministerien und bei allen landesfürstlichen Aemtern, wofern nicht ganz specielle
Kenntnisse erfordert würden, nur mit alten Soldaten besetzt werden sollten, und
sollte jede sich bildende industrielle Unternehmung strengstens verpflichtet
werden, bei Besetzung ihres untergeordneten Betriebspersonnles nur gediente
Militärs zu berücksichtigen. Diese Anordnung erfolgte kurz vor dem Aus¬
bruche des in Oestreich ziemlich unpopulären orientalischen Krieges, sür wei-


militärischen Unterrichtsanstalten Austretendcn vermehrt. In den ehemaligen
Regimentserziehungshäusern wurden die Zöglinge (Kinder von Soldaten und
Unteroffizieren) mit beinahe spartanischer Strenge zu tüchtigen Unteroffizieren
herangebildet. Sie waren genügsam, abgehärtet, von einem wahren kriege¬
rischen Geiste beseelt, und hatten als höchstes Ziel ihrer Wünsche die Stelle
eines Feldwebels vor Augen. Nun aber hat eine irrig aufgefaßte Humanität
diese Anstalten so reformirt, daß die Zöglinge darin verweichlicht und an eine
Kost und Behaglichkeit gewöhnt werden, wie solche von ihnen auch nach der
Beförderung zum Offizier nur selten' erlangt werden kann. Der junge, im
Ganzen nur oberflächlich unterrichtete Soldat rückt jetzt zur Truppe ein. muß
die schlechte Kost und die Strapazen der übrigen Soldaten theilen, hat den
Kopf voll hochfliegender Gedanken, sieht aber bald, daß sein Avancement zum
Offizier nur von dem Zufalle und von Protection abhängt, was Wunder,
wenn er da unzufrieden und nachlässig wird! Ferner hatte auch ehedem in
den technischen Corps Jeder, ohne Unterschied des Standes oder Vermögens,
wenn er nur die hinreichenden Fähigkeiten besaß und sich gut betrug, Hoff¬
nung, zwar langsam,, aber sicher selbst bis zur Stelle eines Generals avan-
ciren zu können. Namentlich war das Bombardiercorps aus lauter Männern
zusammengesetzt, welche gründlich ausgebildet, in der Hoffnung auf Beförder¬
ung gewöhnlich über ihre gesetzliche Verpflichtung dienten und im Falle eines
Krieges eine fast unerschöpfliche Quelle bei Besetzung der abgängigen Offizicrs-
stellen bildeten. Die gegenwärtige Artillerieakademie. deren Zöglinge zwar
vollkommen salonmäßig, aber weit weniger in ihrem Fache ausgebildet sind,
wie jene des Bvmbardiercorps. genügt kaum sür den Friedensbedarf, daher
beim Ausbruche eines Krieges viele ganz untaugliche Subjecte zu Offizieren
befördert werden. So lassen sich gewöhnlich nur solche Individuen zur Ver¬
längerung ihrer Dienstzeit bewegen, welche zur Wiederausübung ihres etwai¬
gen frühere» Handwerkes zu träge, zu einer Civilbedicnstung zu ungebildet,
kurz zu jedem anderen Erwerbszweige beinahe unfähig sind und auch als
Soldaten selten einen besondern Werth besitzen. Daß die Vertheilung der
untergeordneten Civilposten, ungeachtet aller darüber ergangenen Befehle nur
selten verdienten Unteroffizieren zu Gute kommt, hält gleichfalls Viele von
einer freiwilligen Verlängerung ihrer Dienstzeit ab. Der Kaiser ordnete be¬
reits vor mehreren Jahren an. daß alle Posten untergeordneter Art bei den
Ministerien und bei allen landesfürstlichen Aemtern, wofern nicht ganz specielle
Kenntnisse erfordert würden, nur mit alten Soldaten besetzt werden sollten, und
sollte jede sich bildende industrielle Unternehmung strengstens verpflichtet
werden, bei Besetzung ihres untergeordneten Betriebspersonnles nur gediente
Militärs zu berücksichtigen. Diese Anordnung erfolgte kurz vor dem Aus¬
bruche des in Oestreich ziemlich unpopulären orientalischen Krieges, sür wei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111069"/>
          <p xml:id="ID_528" prev="#ID_527" next="#ID_529"> militärischen Unterrichtsanstalten Austretendcn vermehrt. In den ehemaligen<lb/>
Regimentserziehungshäusern wurden die Zöglinge (Kinder von Soldaten und<lb/>
Unteroffizieren) mit beinahe spartanischer Strenge zu tüchtigen Unteroffizieren<lb/>
herangebildet. Sie waren genügsam, abgehärtet, von einem wahren kriege¬<lb/>
rischen Geiste beseelt, und hatten als höchstes Ziel ihrer Wünsche die Stelle<lb/>
eines Feldwebels vor Augen. Nun aber hat eine irrig aufgefaßte Humanität<lb/>
diese Anstalten so reformirt, daß die Zöglinge darin verweichlicht und an eine<lb/>
Kost und Behaglichkeit gewöhnt werden, wie solche von ihnen auch nach der<lb/>
Beförderung zum Offizier nur selten' erlangt werden kann. Der junge, im<lb/>
Ganzen nur oberflächlich unterrichtete Soldat rückt jetzt zur Truppe ein. muß<lb/>
die schlechte Kost und die Strapazen der übrigen Soldaten theilen, hat den<lb/>
Kopf voll hochfliegender Gedanken, sieht aber bald, daß sein Avancement zum<lb/>
Offizier nur von dem Zufalle und von Protection abhängt, was Wunder,<lb/>
wenn er da unzufrieden und nachlässig wird! Ferner hatte auch ehedem in<lb/>
den technischen Corps Jeder, ohne Unterschied des Standes oder Vermögens,<lb/>
wenn er nur die hinreichenden Fähigkeiten besaß und sich gut betrug, Hoff¬<lb/>
nung, zwar langsam,, aber sicher selbst bis zur Stelle eines Generals avan-<lb/>
ciren zu können. Namentlich war das Bombardiercorps aus lauter Männern<lb/>
zusammengesetzt, welche gründlich ausgebildet, in der Hoffnung auf Beförder¬<lb/>
ung gewöhnlich über ihre gesetzliche Verpflichtung dienten und im Falle eines<lb/>
Krieges eine fast unerschöpfliche Quelle bei Besetzung der abgängigen Offizicrs-<lb/>
stellen bildeten. Die gegenwärtige Artillerieakademie. deren Zöglinge zwar<lb/>
vollkommen salonmäßig, aber weit weniger in ihrem Fache ausgebildet sind,<lb/>
wie jene des Bvmbardiercorps. genügt kaum sür den Friedensbedarf, daher<lb/>
beim Ausbruche eines Krieges viele ganz untaugliche Subjecte zu Offizieren<lb/>
befördert werden. So lassen sich gewöhnlich nur solche Individuen zur Ver¬<lb/>
längerung ihrer Dienstzeit bewegen, welche zur Wiederausübung ihres etwai¬<lb/>
gen frühere» Handwerkes zu träge, zu einer Civilbedicnstung zu ungebildet,<lb/>
kurz zu jedem anderen Erwerbszweige beinahe unfähig sind und auch als<lb/>
Soldaten selten einen besondern Werth besitzen. Daß die Vertheilung der<lb/>
untergeordneten Civilposten, ungeachtet aller darüber ergangenen Befehle nur<lb/>
selten verdienten Unteroffizieren zu Gute kommt, hält gleichfalls Viele von<lb/>
einer freiwilligen Verlängerung ihrer Dienstzeit ab. Der Kaiser ordnete be¬<lb/>
reits vor mehreren Jahren an. daß alle Posten untergeordneter Art bei den<lb/>
Ministerien und bei allen landesfürstlichen Aemtern, wofern nicht ganz specielle<lb/>
Kenntnisse erfordert würden, nur mit alten Soldaten besetzt werden sollten, und<lb/>
sollte jede sich bildende industrielle Unternehmung strengstens verpflichtet<lb/>
werden, bei Besetzung ihres untergeordneten Betriebspersonnles nur gediente<lb/>
Militärs zu berücksichtigen. Diese Anordnung erfolgte kurz vor dem Aus¬<lb/>
bruche des in Oestreich ziemlich unpopulären orientalischen Krieges, sür wei-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] militärischen Unterrichtsanstalten Austretendcn vermehrt. In den ehemaligen Regimentserziehungshäusern wurden die Zöglinge (Kinder von Soldaten und Unteroffizieren) mit beinahe spartanischer Strenge zu tüchtigen Unteroffizieren herangebildet. Sie waren genügsam, abgehärtet, von einem wahren kriege¬ rischen Geiste beseelt, und hatten als höchstes Ziel ihrer Wünsche die Stelle eines Feldwebels vor Augen. Nun aber hat eine irrig aufgefaßte Humanität diese Anstalten so reformirt, daß die Zöglinge darin verweichlicht und an eine Kost und Behaglichkeit gewöhnt werden, wie solche von ihnen auch nach der Beförderung zum Offizier nur selten' erlangt werden kann. Der junge, im Ganzen nur oberflächlich unterrichtete Soldat rückt jetzt zur Truppe ein. muß die schlechte Kost und die Strapazen der übrigen Soldaten theilen, hat den Kopf voll hochfliegender Gedanken, sieht aber bald, daß sein Avancement zum Offizier nur von dem Zufalle und von Protection abhängt, was Wunder, wenn er da unzufrieden und nachlässig wird! Ferner hatte auch ehedem in den technischen Corps Jeder, ohne Unterschied des Standes oder Vermögens, wenn er nur die hinreichenden Fähigkeiten besaß und sich gut betrug, Hoff¬ nung, zwar langsam,, aber sicher selbst bis zur Stelle eines Generals avan- ciren zu können. Namentlich war das Bombardiercorps aus lauter Männern zusammengesetzt, welche gründlich ausgebildet, in der Hoffnung auf Beförder¬ ung gewöhnlich über ihre gesetzliche Verpflichtung dienten und im Falle eines Krieges eine fast unerschöpfliche Quelle bei Besetzung der abgängigen Offizicrs- stellen bildeten. Die gegenwärtige Artillerieakademie. deren Zöglinge zwar vollkommen salonmäßig, aber weit weniger in ihrem Fache ausgebildet sind, wie jene des Bvmbardiercorps. genügt kaum sür den Friedensbedarf, daher beim Ausbruche eines Krieges viele ganz untaugliche Subjecte zu Offizieren befördert werden. So lassen sich gewöhnlich nur solche Individuen zur Ver¬ längerung ihrer Dienstzeit bewegen, welche zur Wiederausübung ihres etwai¬ gen frühere» Handwerkes zu träge, zu einer Civilbedicnstung zu ungebildet, kurz zu jedem anderen Erwerbszweige beinahe unfähig sind und auch als Soldaten selten einen besondern Werth besitzen. Daß die Vertheilung der untergeordneten Civilposten, ungeachtet aller darüber ergangenen Befehle nur selten verdienten Unteroffizieren zu Gute kommt, hält gleichfalls Viele von einer freiwilligen Verlängerung ihrer Dienstzeit ab. Der Kaiser ordnete be¬ reits vor mehreren Jahren an. daß alle Posten untergeordneter Art bei den Ministerien und bei allen landesfürstlichen Aemtern, wofern nicht ganz specielle Kenntnisse erfordert würden, nur mit alten Soldaten besetzt werden sollten, und sollte jede sich bildende industrielle Unternehmung strengstens verpflichtet werden, bei Besetzung ihres untergeordneten Betriebspersonnles nur gediente Militärs zu berücksichtigen. Diese Anordnung erfolgte kurz vor dem Aus¬ bruche des in Oestreich ziemlich unpopulären orientalischen Krieges, sür wei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/175>, abgerufen am 28.09.2024.