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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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von Preußen getrennt, entweder isolirt, oder ans Bundesgenossen angewiesen sein
würde, die seinen Interessen gefährlicher werden können, als offene Feinde.

Wir irren nicht, wenn wir behaupten, daß das Zusammengehen beider Staaten
im auswärtigen Amte zu London wie an der maßgebenden Stelle in Berlin als
vortheilhaft erkannt und gewollt, die Trennung als schädlich nicht gewollt wird.
Ebenso wenig irren wir aber auch in der Behauptung, baß Andere einen entgegen¬
gesetzten Willen haben und keine Wege scheuen, um denselben geltend zu machen.
So der 'französische und russische Einfluß sammt der dänischen Intrigue in London;
so die Kreuzzeitungspartei in Berlin.

Die gefährlichste Handhabe für die reactionären Umtriebe zur Trennung Preu¬
ßens von England bietet diejenige Angelegenheit, in welcher Preußen zunächst zur
Action berufe" sein dürfte, die Schleswig-holsteinische. Hier vor allem bedarf
es für Alle, welche auf die öffentliche Meinung Einfluß haben, der Mahnung zur
Vorsicht, und wir wollen an einem concreten Falle dafür el" Beispiel liefern.

Der englische Gesandte in Kopenhagen, Herr Pagel, sendet eine Denkschrift
über die Schleswig-holsteinische Angelegenheit nach London. Er hat es bequem gefun¬
den, von der Bereitwilligkeit der dänischen Staatsmänner, ihm das Material zu
liefern, Gebrauch zu machen. Das Memorandum tragt die Farbe seines Ursprungs
und erregt daher in den deutschgesinntcu Kreisen, in denen es bekannt wird, gerechte
Mißstimmung. Nicht viel angenehmer war der Eindruck, den das Schriftstück im
toreign <Mes hervorbrachte. Lord John Russell fühlt sich veranlaßt, einen Schritt
zu thun, um die störenden Wirkungen des Mißgriffs zu beseitigen, seine Ansicht außer
Zweifel zu stellen und in Berlin zu der wünschenswerten Verständigung die Hand
zu bieten. Er schreibt an dem nämlichen Tage (in der ersten Hälfte des December)
zwei Depeschen gleichen Inhalts; die eine, kürzer und bestimmter, an den bequemen
Verfasser der Denkschrift nach Kopenhagen, die andere an den Stellvertreter des
(abwesenden) britischen Gesandten in Berlin, Herrn Lowther. In diesen Depeschen
waren folgende Sätze aufgestellt!

Dänemark ist verbunden*):
1) Schleswig nicht zu incorporiren;
2) die Selbständigkeit der Schleswig'sehen Stunde zu erhalten;
3) die deutsche wie die dänische Nationalität im Herzogthum Schleswig zu
chützen.
4) Der König von Dänemark ist verpflichtet, die bei Gelegenheit des Trac"."
mit Preuße" und Oestreich eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Neben diesen positiven Sätzen, dann einer Verwahrung und Abwehr in Be¬
ziehung auf das Memorandum, wird in dem Schreiben nach Kopenhagen auf die
schlimmen Folgen aufmerksam gemacht, welche das Einschreiten des Bundes in Hol¬
stein nach sich ziehen würde, und dringend darauf hingewiesen, daß e" im Interesse
Dänemarks liege, durch Anerkennung der deutschen Ansprüche in Betreff des Unter¬
richts und der Kirche in Schleswig die Gemüther zu beruhigen. -- Nach Berlin
wurde bemerkt, das man jenes Memorandum lediglich als ein dänisches betrachtet
und von Seiten^Englands niemals empfohlen habe.



*) Louncl donour, d. h. durch feierliche Zusichenmgen, wen" auch nicht durch förm¬
liche Vertragsbestimmungen verpflichtet.

von Preußen getrennt, entweder isolirt, oder ans Bundesgenossen angewiesen sein
würde, die seinen Interessen gefährlicher werden können, als offene Feinde.

Wir irren nicht, wenn wir behaupten, daß das Zusammengehen beider Staaten
im auswärtigen Amte zu London wie an der maßgebenden Stelle in Berlin als
vortheilhaft erkannt und gewollt, die Trennung als schädlich nicht gewollt wird.
Ebenso wenig irren wir aber auch in der Behauptung, baß Andere einen entgegen¬
gesetzten Willen haben und keine Wege scheuen, um denselben geltend zu machen.
So der 'französische und russische Einfluß sammt der dänischen Intrigue in London;
so die Kreuzzeitungspartei in Berlin.

Die gefährlichste Handhabe für die reactionären Umtriebe zur Trennung Preu¬
ßens von England bietet diejenige Angelegenheit, in welcher Preußen zunächst zur
Action berufe» sein dürfte, die Schleswig-holsteinische. Hier vor allem bedarf
es für Alle, welche auf die öffentliche Meinung Einfluß haben, der Mahnung zur
Vorsicht, und wir wollen an einem concreten Falle dafür el» Beispiel liefern.

Der englische Gesandte in Kopenhagen, Herr Pagel, sendet eine Denkschrift
über die Schleswig-holsteinische Angelegenheit nach London. Er hat es bequem gefun¬
den, von der Bereitwilligkeit der dänischen Staatsmänner, ihm das Material zu
liefern, Gebrauch zu machen. Das Memorandum tragt die Farbe seines Ursprungs
und erregt daher in den deutschgesinntcu Kreisen, in denen es bekannt wird, gerechte
Mißstimmung. Nicht viel angenehmer war der Eindruck, den das Schriftstück im
toreign <Mes hervorbrachte. Lord John Russell fühlt sich veranlaßt, einen Schritt
zu thun, um die störenden Wirkungen des Mißgriffs zu beseitigen, seine Ansicht außer
Zweifel zu stellen und in Berlin zu der wünschenswerten Verständigung die Hand
zu bieten. Er schreibt an dem nämlichen Tage (in der ersten Hälfte des December)
zwei Depeschen gleichen Inhalts; die eine, kürzer und bestimmter, an den bequemen
Verfasser der Denkschrift nach Kopenhagen, die andere an den Stellvertreter des
(abwesenden) britischen Gesandten in Berlin, Herrn Lowther. In diesen Depeschen
waren folgende Sätze aufgestellt!

Dänemark ist verbunden*):
1) Schleswig nicht zu incorporiren;
2) die Selbständigkeit der Schleswig'sehen Stunde zu erhalten;
3) die deutsche wie die dänische Nationalität im Herzogthum Schleswig zu
chützen.
4) Der König von Dänemark ist verpflichtet, die bei Gelegenheit des Trac».»
mit Preuße» und Oestreich eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen.

Neben diesen positiven Sätzen, dann einer Verwahrung und Abwehr in Be¬
ziehung auf das Memorandum, wird in dem Schreiben nach Kopenhagen auf die
schlimmen Folgen aufmerksam gemacht, welche das Einschreiten des Bundes in Hol¬
stein nach sich ziehen würde, und dringend darauf hingewiesen, daß e« im Interesse
Dänemarks liege, durch Anerkennung der deutschen Ansprüche in Betreff des Unter¬
richts und der Kirche in Schleswig die Gemüther zu beruhigen. — Nach Berlin
wurde bemerkt, das man jenes Memorandum lediglich als ein dänisches betrachtet
und von Seiten^Englands niemals empfohlen habe.



*) Louncl donour, d. h. durch feierliche Zusichenmgen, wen» auch nicht durch förm¬
liche Vertragsbestimmungen verpflichtet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/164>, abgerufen am 28.08.2024.