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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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neuen Reisewerks Professor Petermanns"), beansprucht insofern besondere Ve-
achiung, als es dem eigens für Petermann niedergesehriebenen Aufsah eines
gebildeten Arabers in Damaskus entnommen ist, der einst zu den Wissenden
der Drusen gehört, sich aber dann zum Protestantismus bekehrt hatte.

Ob der Bericht in allen Einzelnheiten vollen Glauben verdient, lassen wir
dahingestellt. Es fehlt darin nicht an Widersprüchen, aber jedenfalls gibt er
in vielen Stücken Veranlassung, die räthselhafte Secte günstiger zu beurtheilen,
als bisher geschehen, und da der Verfasser keinerlei Gründe gehabt zu baben
scheint, uns seine ehemaligen Glaubensgenossen in zu vortheilhnftem Lichte zu
zeigen, so werden wir annehmen dürfen, daß er mindestens in dieser Hinsicht
die Wahrheit niederschrieb.

Der Name Drusen ist von Mohammed Ed Derezi (Mohammed der
Schneider) abzuleiten, den man als ihren ersten Propheten anzusehen hat.
Sie selbst erkennen jenen nicht an, verschmähen daher den Namen Drusen und
"enner sich Einheitsbekcnner. Sie sind aus der Secte der Karmaticr hervor¬
gegangen, die sich in den Städten Hadschar und Suad El Kusa erhob, sich
zu Ende des dritten Jahrhunderts der Hedschra bis in die Gegend von Da¬
maskus verbreitete und von den abbasidischen Chalifen vielfach verfolgt wurde.
Einer dieser Secte. Obeid Allah, floh bei Eroberung der Stadt Selcmje, die
bei Haina lag, nach Afrika, wo er sich scheinbar zum Islam bekannte, sich
für einen Nachkommen Fatimcs, der Tochter des Propheten ausgab und in
Tunis eine Dynastie gründete, welche ihre Herrschaft über den größten Theil
Nordafrikas ausbreitete und mit Maadd. bekannt unter dem Namen El Melik
El Muizzedin. den Thron der Ehalifen in Aegypten bestieg, den sie als Fa¬
milie der Fatimiden mehre Jahrhunderte innehatte.

Unter dem Chalifen Hakim, mit seinem vollen Namen El Hallen Bcamr
J"ah Achmed Bau Nezar, versuchte der in dieser Herrscherfamilie fortlebende
Sectengeist seinen Glauben an die Stelle des Islam zu setzen. Im Jahre 407
H. trat einer der Diener Hullah, der erwähnte Mohammed Ed' Derezi
"uf. lehrte, daß der Chalif Gott in Menschengestalt sei und forderte vom Volke
die Anbetung desselben. Die Folge war ein Aufruhr, in welchem der Prophet
^schlagen wurde. Hüllen, in dessen Auftrag er ohne Zweifel gepredigt, stellte



"> Reisen im Orient von H, Petermann. Erster Band. Leipzig. Verlag von Beil und
^'no, 186g. Der Verfasser, seines Fachs Orientalist, reiste i" den Jahren 1852 und 1853
Auftrage der preußischen Regierung im Morgenland, wo er namentlich Gelegenheit fand,
Damaskus, den Libanon und einzelne Theile von Cypern und Palästina gründlich kennen zu
lernen. Die Bekanntschaft des Reisenden mit dem Arabischen und die Unterstützung, die ihm
seinen Forschungen von Seiten der Consuln zu Theil wurde, machen sein Buch zu einem
er werthvollsten von den vielen, welche in den letzten Jahren über diese Theile des türkischen
Stiches erschienen sind. Besonders lehrreich sind die Abschnitte über das Leben in Damaskus
und über Radius und die Samariter, welche letzteren der Verfasser sehr ausführlich charaktcrisnt.
-""es Erscheinen des Ganzen berichten wir ausführlich über das Werk.'

neuen Reisewerks Professor Petermanns"), beansprucht insofern besondere Ve-
achiung, als es dem eigens für Petermann niedergesehriebenen Aufsah eines
gebildeten Arabers in Damaskus entnommen ist, der einst zu den Wissenden
der Drusen gehört, sich aber dann zum Protestantismus bekehrt hatte.

Ob der Bericht in allen Einzelnheiten vollen Glauben verdient, lassen wir
dahingestellt. Es fehlt darin nicht an Widersprüchen, aber jedenfalls gibt er
in vielen Stücken Veranlassung, die räthselhafte Secte günstiger zu beurtheilen,
als bisher geschehen, und da der Verfasser keinerlei Gründe gehabt zu baben
scheint, uns seine ehemaligen Glaubensgenossen in zu vortheilhnftem Lichte zu
zeigen, so werden wir annehmen dürfen, daß er mindestens in dieser Hinsicht
die Wahrheit niederschrieb.

Der Name Drusen ist von Mohammed Ed Derezi (Mohammed der
Schneider) abzuleiten, den man als ihren ersten Propheten anzusehen hat.
Sie selbst erkennen jenen nicht an, verschmähen daher den Namen Drusen und
»enner sich Einheitsbekcnner. Sie sind aus der Secte der Karmaticr hervor¬
gegangen, die sich in den Städten Hadschar und Suad El Kusa erhob, sich
zu Ende des dritten Jahrhunderts der Hedschra bis in die Gegend von Da¬
maskus verbreitete und von den abbasidischen Chalifen vielfach verfolgt wurde.
Einer dieser Secte. Obeid Allah, floh bei Eroberung der Stadt Selcmje, die
bei Haina lag, nach Afrika, wo er sich scheinbar zum Islam bekannte, sich
für einen Nachkommen Fatimcs, der Tochter des Propheten ausgab und in
Tunis eine Dynastie gründete, welche ihre Herrschaft über den größten Theil
Nordafrikas ausbreitete und mit Maadd. bekannt unter dem Namen El Melik
El Muizzedin. den Thron der Ehalifen in Aegypten bestieg, den sie als Fa¬
milie der Fatimiden mehre Jahrhunderte innehatte.

Unter dem Chalifen Hakim, mit seinem vollen Namen El Hallen Bcamr
J»ah Achmed Bau Nezar, versuchte der in dieser Herrscherfamilie fortlebende
Sectengeist seinen Glauben an die Stelle des Islam zu setzen. Im Jahre 407
H. trat einer der Diener Hullah, der erwähnte Mohammed Ed' Derezi
"uf. lehrte, daß der Chalif Gott in Menschengestalt sei und forderte vom Volke
die Anbetung desselben. Die Folge war ein Aufruhr, in welchem der Prophet
^schlagen wurde. Hüllen, in dessen Auftrag er ohne Zweifel gepredigt, stellte



"> Reisen im Orient von H, Petermann. Erster Band. Leipzig. Verlag von Beil und
^'no, 186g. Der Verfasser, seines Fachs Orientalist, reiste i» den Jahren 1852 und 1853
Auftrage der preußischen Regierung im Morgenland, wo er namentlich Gelegenheit fand,
Damaskus, den Libanon und einzelne Theile von Cypern und Palästina gründlich kennen zu
lernen. Die Bekanntschaft des Reisenden mit dem Arabischen und die Unterstützung, die ihm
seinen Forschungen von Seiten der Consuln zu Theil wurde, machen sein Buch zu einem
er werthvollsten von den vielen, welche in den letzten Jahren über diese Theile des türkischen
Stiches erschienen sind. Besonders lehrreich sind die Abschnitte über das Leben in Damaskus
und über Radius und die Samariter, welche letzteren der Verfasser sehr ausführlich charaktcrisnt.
-""es Erscheinen des Ganzen berichten wir ausführlich über das Werk.'
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/151>, abgerufen am 27.08.2024.