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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Gleichgesinnte Freunde wie Fakel, Hegewisch, Pfaff, Reinhold. Tochter u. A.
standen ihm wacker zur Seite und erheiterten auch das gesellige Leben. Fest
begründet war sein Ansehen in den beiden Herzogthümern; ohne daß er es
wollte oder beabsichtigte -- wo hätte er sich je zu Ehren gedrängt, wo seiner
Persönlichkeit eine besondere Geltung verschaffen wollen -- zählte Dahlmann,
so lange er in Kiel weilte, zu den bedeutendsten und einflußreichsten Männern
Holsteins. Alles war ihm hold und schützte und ehrte den unvergleichlichen
Mann, nur die dänische Regierung dankte ihm seine Bemühungen für die
Rechte Schleswig-Holsteins mit kränkender Zurücksetzung, ließ ihn siebenzehn
Jahre als außerordentlichen Professor. So schwer ihm auch die Trennung
von dem liebgewonnenen neuen Vaterlande wurde, er surfte nicht schwanken,
als ihm durch den Ruf nach Göttingen (1829) die Aussicht auf eine noch
segensreichere akademische Wirksamkeit sich öffnete. Auch in Göttingen gesellte
sich bald der letzteren eine praktisch politische Thätigkeit hinzu, auch hier.nahm
er wie in Kiel eine Doppelstellung als Lehrer und Staatsmann ein und
wußte sich bald einen durchgreifenden Einfluß aus die öffentlichen Angelegen¬
heiten des Landes zu erwerben. Seine entscheidende Mitwirkung an der Fest¬
stellung des Staatsgrundgesetzes hat der Geschichtsschreiber Hannovers zu
würdigen. Wer die gegenwärtige Lage des Landes erwägt, hat wahrlich
nicht Ursache, den gewaltsamen Umsturz des Dahlmann'schen Werkes zu lo¬
ben, nicht einmal einen Scheingrund, das böse Unrecht, das seitdem immer
neue Sünden geboren hat, beschönigen zu wollen. Nicht minder bekannt,
wie die Geschichte seiner Thätigkeit in Hannover. " ist die Geschichte seines
Leidens. Dahlmann hat sie selbst in seiner Schrift: Zur Verständigung,
1838 erzählt, erzählt, wie er sein "Zeugniß für Wahrheit und Recht gegen ein
System der Lüge und Gewaltthätigkeit" büßen mußte mit Absetzung und schnöder
Verbannung, erzählt, wie Hannover an der Regierung von Hesscnkassel einen
willfährigen Helfershelfer fand, um "die Geflüchteten zu peinigen und zu krän¬
ken, aber in seiner Bescheidenheit nicht erzählt, daß er grade jetzt den herr¬
lichsten Triumph feierte, sein Name von nun an als ein Ehrenschild der Na¬
tion betrachtet wurde, und was er an Schmerzen erduldete über den feigen
Abfall so mancher Collegen? über, die hündische Unterwürfigkeit so Vieler,
die mit ihm den gleichen Eid geschworen, tausendfältig vergütet bekam durch
die begeisterte Liebe, die ihm von allen Seiten zuströmte.

In Kassel trennte er sich von seinem "letzten treuen Freunde" Jakob
Grimm und flüchtete nach Leipzig, wo er, wie die sächsischen Verhältnisse da¬
mals standen, zuerst wieder ruhig Athem schöpfen und sich frei fühlen konnte.
Der wackere Gastfreund Karl Reimer, der liebenswürdige Hirzel und Andere,
die gewiß gern genannt sein möchten, weil es eine Ehre ist, Dahlmann nah
gekommen zu sein, deren Namen wir aber leider nicht kennen, beeiferten sich.


Gleichgesinnte Freunde wie Fakel, Hegewisch, Pfaff, Reinhold. Tochter u. A.
standen ihm wacker zur Seite und erheiterten auch das gesellige Leben. Fest
begründet war sein Ansehen in den beiden Herzogthümern; ohne daß er es
wollte oder beabsichtigte — wo hätte er sich je zu Ehren gedrängt, wo seiner
Persönlichkeit eine besondere Geltung verschaffen wollen — zählte Dahlmann,
so lange er in Kiel weilte, zu den bedeutendsten und einflußreichsten Männern
Holsteins. Alles war ihm hold und schützte und ehrte den unvergleichlichen
Mann, nur die dänische Regierung dankte ihm seine Bemühungen für die
Rechte Schleswig-Holsteins mit kränkender Zurücksetzung, ließ ihn siebenzehn
Jahre als außerordentlichen Professor. So schwer ihm auch die Trennung
von dem liebgewonnenen neuen Vaterlande wurde, er surfte nicht schwanken,
als ihm durch den Ruf nach Göttingen (1829) die Aussicht auf eine noch
segensreichere akademische Wirksamkeit sich öffnete. Auch in Göttingen gesellte
sich bald der letzteren eine praktisch politische Thätigkeit hinzu, auch hier.nahm
er wie in Kiel eine Doppelstellung als Lehrer und Staatsmann ein und
wußte sich bald einen durchgreifenden Einfluß aus die öffentlichen Angelegen¬
heiten des Landes zu erwerben. Seine entscheidende Mitwirkung an der Fest¬
stellung des Staatsgrundgesetzes hat der Geschichtsschreiber Hannovers zu
würdigen. Wer die gegenwärtige Lage des Landes erwägt, hat wahrlich
nicht Ursache, den gewaltsamen Umsturz des Dahlmann'schen Werkes zu lo¬
ben, nicht einmal einen Scheingrund, das böse Unrecht, das seitdem immer
neue Sünden geboren hat, beschönigen zu wollen. Nicht minder bekannt,
wie die Geschichte seiner Thätigkeit in Hannover. » ist die Geschichte seines
Leidens. Dahlmann hat sie selbst in seiner Schrift: Zur Verständigung,
1838 erzählt, erzählt, wie er sein „Zeugniß für Wahrheit und Recht gegen ein
System der Lüge und Gewaltthätigkeit" büßen mußte mit Absetzung und schnöder
Verbannung, erzählt, wie Hannover an der Regierung von Hesscnkassel einen
willfährigen Helfershelfer fand, um «die Geflüchteten zu peinigen und zu krän¬
ken, aber in seiner Bescheidenheit nicht erzählt, daß er grade jetzt den herr¬
lichsten Triumph feierte, sein Name von nun an als ein Ehrenschild der Na¬
tion betrachtet wurde, und was er an Schmerzen erduldete über den feigen
Abfall so mancher Collegen? über, die hündische Unterwürfigkeit so Vieler,
die mit ihm den gleichen Eid geschworen, tausendfältig vergütet bekam durch
die begeisterte Liebe, die ihm von allen Seiten zuströmte.

In Kassel trennte er sich von seinem „letzten treuen Freunde" Jakob
Grimm und flüchtete nach Leipzig, wo er, wie die sächsischen Verhältnisse da¬
mals standen, zuerst wieder ruhig Athem schöpfen und sich frei fühlen konnte.
Der wackere Gastfreund Karl Reimer, der liebenswürdige Hirzel und Andere,
die gewiß gern genannt sein möchten, weil es eine Ehre ist, Dahlmann nah
gekommen zu sein, deren Namen wir aber leider nicht kennen, beeiferten sich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/138>, abgerufen am 23.07.2024.