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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Dahlmann.

"Ich habe.niemals von mir öffentlich gesprochen" so durfte der Mann,
dessen Andenken die folgenden Zeilen gewidmet sind, von sich schreiben in Ta¬
gen, wo die kräftige Vertheidigung der Rechte Schleswig-Holsteins, der her¬
vorragende Antheil an der Begründung des Verfassungslebens in Hannover
den Ruhm seines Namens schon längst durch alle Gaue getragen, seine Per¬
son zu einer historischen geweiht hatten. Und als Dahlmann von diesem
Grundsatz abweichen, zum ersten und zum letzten Male öffentlich von sich viel
sprechen mußte -- in seiner Verständigung über die Göttinger Ereignisse --
so that er es nur nothgedrungen. weil schnöde Gewalt die lieben Freunde
und Thatgcnossen auseinander gesprengt. Könnte er zu uns herabblicken, träfe
sein Auge diese Zeilen, gewiß würde er in seiner liebenswürdig bescheidenen
Weise den Kopf schütteln, und es "bedenklich" finden, daß wir von ihm und
seinem Wesen so viel, nach seiner Meinung zu viel der Welt erzählen. Doch
diesmal mag er uns vergeben.^daß wir seinen Wünschen entgegen handeln.
Wir konnten nicht anders. Beim Abschied von ihm ans immer und ewig trat
unwillkürlich das Bild des besten deutschen Mannes in scharfen Zügen vor
den Geist; sein Leben, so reich und doch so anspruchlos, noch einmal durchzu¬
denken, bot uns allein Trost und Erhebung. Diesen Trost möchten wir gern
mit den Andern theUen, sein Bild in klarer Erinnerung festhalten, so wie es
bei Nahen und Fernen sich gestaltet hatte, als die Verkörperung mannhafter
Ehre, als das Leib gewordene ehrliche, treue, deutsche Gewissen. Er besaß
der Gaben von Natur gar manche und seltene, die ihm die Verehrung und
Freundschaft des Einen und Andern zubrachte. Allen gleichmäßig werth, der
Nation unvergeßlich bleibe Dahlmann. daß er sein ganzes Leben hindurch freu¬
dig und muthig einstand für Ehre und Recht, daß er kein Opfer zu groß
kannte für die Bewahrung dieser sittlichen Güter, aber auch keinen Gewinn
s° groß, um ihn zum Preisgeben derselben zu bewegen. Doch was sagen
Wir: Preisgeben. Selbst das leiseste Schwanken galt dem strengen Manne
unstatthaft, auch die geringste Abweichung wies der gegen Andere so Duld¬
same von sich mit Festigkeit zurück, mochten darüber die liebsten Hoffnungen,


Grenzboten I. 18K1. 16
Dahlmann.

„Ich habe.niemals von mir öffentlich gesprochen" so durfte der Mann,
dessen Andenken die folgenden Zeilen gewidmet sind, von sich schreiben in Ta¬
gen, wo die kräftige Vertheidigung der Rechte Schleswig-Holsteins, der her¬
vorragende Antheil an der Begründung des Verfassungslebens in Hannover
den Ruhm seines Namens schon längst durch alle Gaue getragen, seine Per¬
son zu einer historischen geweiht hatten. Und als Dahlmann von diesem
Grundsatz abweichen, zum ersten und zum letzten Male öffentlich von sich viel
sprechen mußte — in seiner Verständigung über die Göttinger Ereignisse —
so that er es nur nothgedrungen. weil schnöde Gewalt die lieben Freunde
und Thatgcnossen auseinander gesprengt. Könnte er zu uns herabblicken, träfe
sein Auge diese Zeilen, gewiß würde er in seiner liebenswürdig bescheidenen
Weise den Kopf schütteln, und es „bedenklich" finden, daß wir von ihm und
seinem Wesen so viel, nach seiner Meinung zu viel der Welt erzählen. Doch
diesmal mag er uns vergeben.^daß wir seinen Wünschen entgegen handeln.
Wir konnten nicht anders. Beim Abschied von ihm ans immer und ewig trat
unwillkürlich das Bild des besten deutschen Mannes in scharfen Zügen vor
den Geist; sein Leben, so reich und doch so anspruchlos, noch einmal durchzu¬
denken, bot uns allein Trost und Erhebung. Diesen Trost möchten wir gern
mit den Andern theUen, sein Bild in klarer Erinnerung festhalten, so wie es
bei Nahen und Fernen sich gestaltet hatte, als die Verkörperung mannhafter
Ehre, als das Leib gewordene ehrliche, treue, deutsche Gewissen. Er besaß
der Gaben von Natur gar manche und seltene, die ihm die Verehrung und
Freundschaft des Einen und Andern zubrachte. Allen gleichmäßig werth, der
Nation unvergeßlich bleibe Dahlmann. daß er sein ganzes Leben hindurch freu¬
dig und muthig einstand für Ehre und Recht, daß er kein Opfer zu groß
kannte für die Bewahrung dieser sittlichen Güter, aber auch keinen Gewinn
s° groß, um ihn zum Preisgeben derselben zu bewegen. Doch was sagen
Wir: Preisgeben. Selbst das leiseste Schwanken galt dem strengen Manne
unstatthaft, auch die geringste Abweichung wies der gegen Andere so Duld¬
same von sich mit Festigkeit zurück, mochten darüber die liebsten Hoffnungen,


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[0131] Dahlmann. „Ich habe.niemals von mir öffentlich gesprochen" so durfte der Mann, dessen Andenken die folgenden Zeilen gewidmet sind, von sich schreiben in Ta¬ gen, wo die kräftige Vertheidigung der Rechte Schleswig-Holsteins, der her¬ vorragende Antheil an der Begründung des Verfassungslebens in Hannover den Ruhm seines Namens schon längst durch alle Gaue getragen, seine Per¬ son zu einer historischen geweiht hatten. Und als Dahlmann von diesem Grundsatz abweichen, zum ersten und zum letzten Male öffentlich von sich viel sprechen mußte — in seiner Verständigung über die Göttinger Ereignisse — so that er es nur nothgedrungen. weil schnöde Gewalt die lieben Freunde und Thatgcnossen auseinander gesprengt. Könnte er zu uns herabblicken, träfe sein Auge diese Zeilen, gewiß würde er in seiner liebenswürdig bescheidenen Weise den Kopf schütteln, und es „bedenklich" finden, daß wir von ihm und seinem Wesen so viel, nach seiner Meinung zu viel der Welt erzählen. Doch diesmal mag er uns vergeben.^daß wir seinen Wünschen entgegen handeln. Wir konnten nicht anders. Beim Abschied von ihm ans immer und ewig trat unwillkürlich das Bild des besten deutschen Mannes in scharfen Zügen vor den Geist; sein Leben, so reich und doch so anspruchlos, noch einmal durchzu¬ denken, bot uns allein Trost und Erhebung. Diesen Trost möchten wir gern mit den Andern theUen, sein Bild in klarer Erinnerung festhalten, so wie es bei Nahen und Fernen sich gestaltet hatte, als die Verkörperung mannhafter Ehre, als das Leib gewordene ehrliche, treue, deutsche Gewissen. Er besaß der Gaben von Natur gar manche und seltene, die ihm die Verehrung und Freundschaft des Einen und Andern zubrachte. Allen gleichmäßig werth, der Nation unvergeßlich bleibe Dahlmann. daß er sein ganzes Leben hindurch freu¬ dig und muthig einstand für Ehre und Recht, daß er kein Opfer zu groß kannte für die Bewahrung dieser sittlichen Güter, aber auch keinen Gewinn s° groß, um ihn zum Preisgeben derselben zu bewegen. Doch was sagen Wir: Preisgeben. Selbst das leiseste Schwanken galt dem strengen Manne unstatthaft, auch die geringste Abweichung wies der gegen Andere so Duld¬ same von sich mit Festigkeit zurück, mochten darüber die liebsten Hoffnungen, Grenzboten I. 18K1. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/131>, abgerufen am 22.07.2024.