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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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baren Einverständnisses auf sich. Freiherr v. Eynattcn gab sich nach einem offenen
Geständnisse, daß er 39,000 Fi. von Jung als Bestechung erhalten, in der Nacht
vom 7. auf den 8. März selbst den Tod, betheuerte aber noch kurz vorher in
seinem Verhöre: "Richter sei ein Ehrenmann." Ein allerhöchster Befehl ord¬
nete sofort die strengste und eingehendste Untersuchung aller auf die Armee-
bcdürfnisse bezüglicher Unterschiede an, die Criminalgerichte sämmtlicher Pro¬
vinzen erhielten die Weisung, alle derlei Prozesse dem k. k. Landesgerichte in
Wien abzutreten. Welch ein Feld für Verdienst und Auszeichnung! Wie
glücklich waren der Untersuchungsrichter und seine Mitarbeiter von nah und
fern, der Staatsanwalt und alle jene, die hinter den Coulissen oder von oben
Wink und Parole austheilen durften! Das Ergebnis; konnte selbstverständ¬
lich kein anderes sein als die Ansteckung eines längst geahnten, weitverzweig¬
ten, ungeheuren Netzes von Betrug, das alle Lieferungen und Lieferanten
und vielleicht Gott weiß wen noch umspann. Soviel mochte als gewiß gelten,
daß hier goldene Früchte winkten. Weniger willkommen war es. daß der
wegen angeblicher Rückdatirung eines Devisenkaufes verdächtigte Finanzminister
Freiherr v. Brück, als er die opferlüsternen Gesellen an sich herankommen sah.
freiwillig aus dem Leben schied. Es erfaßte ihn eine richtige Ahnung von
dem Schauspiele, das man mit Franz Richter vorhatte, er dachte sich schon
im Geiste an jene Armesünderstelle, wo man das Urtheil nach den Regeln
unserer wohlersonnenen Prozeßkunst empfängt. Nun sammelten sich alle un-
lreilschwangeren Wolken zunächst über dem Haupte Richters. Er hatte bei einer
frühern Einstellung seiner Zahlungen dafür gesorgt, daß keiner seiner Gläu¬
biger verkürzt werde, schon dies war ein Betrug; damit daß er mit dem Armee-
obercommando Geschäfte angeknüpft, reihte sich Verbrechen an Verbrechen.
Alle Daten waren gefälscht, alle Nechnungsansätze ungenau, alle Ziffern un¬
richtig, die ^Urkunden betrüglich corrigirt, die gelieferten Stoffe schlecht und
andere vertragswidrige unterschoben, Fäden, die mit der Loupe nicht zu ent¬
decken, fehlten, die Maaße waren falsch, die Unrathsprocente, wofür man
Tausende wie für echtes Korn bezahlt, unerhört, die Militärs, welche die Lie¬
ferungen faßten, bestochen, der Staat, die Creditanstalt, die Subcontrahen-
ten um unberechenbare Summen verkürzt. Man entblödete sich nicht, den
Zeugen, die ihren Schaden nicht finden konnten, ihn geschickt an die Hand zu
geben, dem verhafteten Dr. Zugschwert "die volle Angabe der Wahrheit" als
ein "nicht zu unterschätzendes Verdienst" hinzustellen, die Angaben Richters
selbst, namentlich über die angebliche Bestechung, in einem andern Sinne zö
deuten, als er sie gemacht hatte. Wer zählt alle die Mittel, deren sich
der Untersuchungsrichter und seine Helfer, noch mehr aber jener öffentliche
Ankläger bedienten, der "lediglich nach seiner Ueberzeugung und reinem Ge¬
wissen" vorging? Und siehe da, die Belastungszeugen wurden bei ihrer offene-


baren Einverständnisses auf sich. Freiherr v. Eynattcn gab sich nach einem offenen
Geständnisse, daß er 39,000 Fi. von Jung als Bestechung erhalten, in der Nacht
vom 7. auf den 8. März selbst den Tod, betheuerte aber noch kurz vorher in
seinem Verhöre: „Richter sei ein Ehrenmann." Ein allerhöchster Befehl ord¬
nete sofort die strengste und eingehendste Untersuchung aller auf die Armee-
bcdürfnisse bezüglicher Unterschiede an, die Criminalgerichte sämmtlicher Pro¬
vinzen erhielten die Weisung, alle derlei Prozesse dem k. k. Landesgerichte in
Wien abzutreten. Welch ein Feld für Verdienst und Auszeichnung! Wie
glücklich waren der Untersuchungsrichter und seine Mitarbeiter von nah und
fern, der Staatsanwalt und alle jene, die hinter den Coulissen oder von oben
Wink und Parole austheilen durften! Das Ergebnis; konnte selbstverständ¬
lich kein anderes sein als die Ansteckung eines längst geahnten, weitverzweig¬
ten, ungeheuren Netzes von Betrug, das alle Lieferungen und Lieferanten
und vielleicht Gott weiß wen noch umspann. Soviel mochte als gewiß gelten,
daß hier goldene Früchte winkten. Weniger willkommen war es. daß der
wegen angeblicher Rückdatirung eines Devisenkaufes verdächtigte Finanzminister
Freiherr v. Brück, als er die opferlüsternen Gesellen an sich herankommen sah.
freiwillig aus dem Leben schied. Es erfaßte ihn eine richtige Ahnung von
dem Schauspiele, das man mit Franz Richter vorhatte, er dachte sich schon
im Geiste an jene Armesünderstelle, wo man das Urtheil nach den Regeln
unserer wohlersonnenen Prozeßkunst empfängt. Nun sammelten sich alle un-
lreilschwangeren Wolken zunächst über dem Haupte Richters. Er hatte bei einer
frühern Einstellung seiner Zahlungen dafür gesorgt, daß keiner seiner Gläu¬
biger verkürzt werde, schon dies war ein Betrug; damit daß er mit dem Armee-
obercommando Geschäfte angeknüpft, reihte sich Verbrechen an Verbrechen.
Alle Daten waren gefälscht, alle Nechnungsansätze ungenau, alle Ziffern un¬
richtig, die ^Urkunden betrüglich corrigirt, die gelieferten Stoffe schlecht und
andere vertragswidrige unterschoben, Fäden, die mit der Loupe nicht zu ent¬
decken, fehlten, die Maaße waren falsch, die Unrathsprocente, wofür man
Tausende wie für echtes Korn bezahlt, unerhört, die Militärs, welche die Lie¬
ferungen faßten, bestochen, der Staat, die Creditanstalt, die Subcontrahen-
ten um unberechenbare Summen verkürzt. Man entblödete sich nicht, den
Zeugen, die ihren Schaden nicht finden konnten, ihn geschickt an die Hand zu
geben, dem verhafteten Dr. Zugschwert „die volle Angabe der Wahrheit" als
ein „nicht zu unterschätzendes Verdienst" hinzustellen, die Angaben Richters
selbst, namentlich über die angebliche Bestechung, in einem andern Sinne zö
deuten, als er sie gemacht hatte. Wer zählt alle die Mittel, deren sich
der Untersuchungsrichter und seine Helfer, noch mehr aber jener öffentliche
Ankläger bedienten, der „lediglich nach seiner Ueberzeugung und reinem Ge¬
wissen" vorging? Und siehe da, die Belastungszeugen wurden bei ihrer offene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/120>, abgerufen am 25.08.2024.