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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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gesetzt sei, ein warnendes Beispiel, wie eine starke leidenschaftliche Erregung
auch bedeutende Gaben verdunkeln kann. Keine Spur darin von jenen? männ¬
lichen Stolze, den wir uns sonst so gern von dem englischen Charakter nn-
zeitrenulich denken, vielmehr ein fast weinerlicher Ton von Anfang bis Ende.
Am auffallendsten war den Deutschen, das? auch die Königshäuser in. dem
Proteste aufmarschiren mussten, indem daran erinnert wurde, das; die Prin¬
zessin Friedrich Wilhelm von Preußen eine aus dem Continente wohnende
und in nächster Frist die Königin von England eine auf dem Continente rei¬
sende Engländerin sei; dies verletzte namentlich auch die Behörden. Noch
mehr wurden diese natürlich durch die Darstellung des gegen Macdonald beob¬
achteten Verfahrens gereizt.

Bald darauf erfuhr man, daß der Oberprocurator, Herr v. Ammon. ge¬
gen die Unterzeichner der Adresse eine Untersuchung wegen Beleidigung eines
Beamten in Beziehung auf seinen Beruf eingeleitet habe. Wir möchten die¬
sen Schritt nicht eben mißbilligen, wie man auf den ersten Blick leicht geneigt
sein kann zu thun. Gewiß ist eine gar zu ängstliche Bewachung jedes ge¬
druckten Wortes sehr vom Uebel, und zumal hätte eine natürliche menschliche
Zartheit einer Staatsanwaltschaft, welche durch eines ihrer Mitglieder belei¬
digt hatte, wohl gebieten können, dem Beleidigten die freieste Gegenrede zu
gönnen; allein wir dürfen nicht verkennen, daß auch gewichtige Gründe für
die Anklage sprachen. Der Protest überschritt die Grenzen einer Abwehr und
ging in mehreren Ausdrücken in einen ungerechtfertigten Angriff über. Der
Vorwurf, daß Herr Möller "aus Privathaß" gegen die Engländer gehandelt
habe, beruhte auf einer durch nichts zu beweisenden Boraussetzung; der der
"Feigheit", hatte im deutschen einen viel schlimmeren Klang als das entspre¬
chende englische Wort, das sehr häusig gebraucht wird (cmvarclioo), und ent¬
hielt eine positive Injurie; das völlige Jgnoriren des gefällten richterlichen
Spruches bedrohte geradezu das Ansehen der Justiz. Die Engländer glauben
auf dem Kontinent so leicht Zustände des Faustrechts vor sich zu haben und
maßen sich so gern eine exceptionelle Stellung an, daß es gut ist, wenn ihnen
bei jeder Gelegenheit die Geltung des Gesetzes in allen seinen Einzelheiten
gezeigt wird. Auch benahmen sich die Bonner Engländer in einem Punkte
sehr unklug. Sie hatten schon Anfangs verlauten lassen, daß Macdonald im
Dienste der Königin reise und darum seiue Verhaftung Unannehmlichkeiten
nach sich ziehen könne, sie pochten fortwährend auf eine eventuelle diploma¬
tische Intervention: es versteht sich von selbst, daß diese Versuche einer Ein¬
schüchterung auf unabhängig denkende Justizbeamte die entgegengesetzte Wir¬
kung übe" und sie veranlassen mußten zu beweisen, daß sie unbekümmert um
die möglichen Folgen ihre Pflicht erfüllten. Hierzu kam ferner noch der Um¬
stand, daß eine genau geführte Untersuchung am besten alle Thatsachen an


gesetzt sei, ein warnendes Beispiel, wie eine starke leidenschaftliche Erregung
auch bedeutende Gaben verdunkeln kann. Keine Spur darin von jenen? männ¬
lichen Stolze, den wir uns sonst so gern von dem englischen Charakter nn-
zeitrenulich denken, vielmehr ein fast weinerlicher Ton von Anfang bis Ende.
Am auffallendsten war den Deutschen, das? auch die Königshäuser in. dem
Proteste aufmarschiren mussten, indem daran erinnert wurde, das; die Prin¬
zessin Friedrich Wilhelm von Preußen eine aus dem Continente wohnende
und in nächster Frist die Königin von England eine auf dem Continente rei¬
sende Engländerin sei; dies verletzte namentlich auch die Behörden. Noch
mehr wurden diese natürlich durch die Darstellung des gegen Macdonald beob¬
achteten Verfahrens gereizt.

Bald darauf erfuhr man, daß der Oberprocurator, Herr v. Ammon. ge¬
gen die Unterzeichner der Adresse eine Untersuchung wegen Beleidigung eines
Beamten in Beziehung auf seinen Beruf eingeleitet habe. Wir möchten die¬
sen Schritt nicht eben mißbilligen, wie man auf den ersten Blick leicht geneigt
sein kann zu thun. Gewiß ist eine gar zu ängstliche Bewachung jedes ge¬
druckten Wortes sehr vom Uebel, und zumal hätte eine natürliche menschliche
Zartheit einer Staatsanwaltschaft, welche durch eines ihrer Mitglieder belei¬
digt hatte, wohl gebieten können, dem Beleidigten die freieste Gegenrede zu
gönnen; allein wir dürfen nicht verkennen, daß auch gewichtige Gründe für
die Anklage sprachen. Der Protest überschritt die Grenzen einer Abwehr und
ging in mehreren Ausdrücken in einen ungerechtfertigten Angriff über. Der
Vorwurf, daß Herr Möller „aus Privathaß" gegen die Engländer gehandelt
habe, beruhte auf einer durch nichts zu beweisenden Boraussetzung; der der
„Feigheit", hatte im deutschen einen viel schlimmeren Klang als das entspre¬
chende englische Wort, das sehr häusig gebraucht wird (cmvarclioo), und ent¬
hielt eine positive Injurie; das völlige Jgnoriren des gefällten richterlichen
Spruches bedrohte geradezu das Ansehen der Justiz. Die Engländer glauben
auf dem Kontinent so leicht Zustände des Faustrechts vor sich zu haben und
maßen sich so gern eine exceptionelle Stellung an, daß es gut ist, wenn ihnen
bei jeder Gelegenheit die Geltung des Gesetzes in allen seinen Einzelheiten
gezeigt wird. Auch benahmen sich die Bonner Engländer in einem Punkte
sehr unklug. Sie hatten schon Anfangs verlauten lassen, daß Macdonald im
Dienste der Königin reise und darum seiue Verhaftung Unannehmlichkeiten
nach sich ziehen könne, sie pochten fortwährend auf eine eventuelle diploma¬
tische Intervention: es versteht sich von selbst, daß diese Versuche einer Ein¬
schüchterung auf unabhängig denkende Justizbeamte die entgegengesetzte Wir¬
kung übe» und sie veranlassen mußten zu beweisen, daß sie unbekümmert um
die möglichen Folgen ihre Pflicht erfüllten. Hierzu kam ferner noch der Um¬
stand, daß eine genau geführte Untersuchung am besten alle Thatsachen an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/114>, abgerufen am 26.08.2024.