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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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vor letzterem haltenden Wogen Notiz, und erst durch viele Bitten und allerlei
kräftige Späße des Köstenbidders ist er, der von nichts weiß, zur Oeffnung
des Thores zu bewegen. Nachdem die Wagen abgeladen sind, folgt ein Tänz¬
chen, "um die Beine für morgen geschmeidig zu machen."

Am Freitag beginnt mit dem frühesten Morgen das Anputzen der Braut,
wobei die Predigersfrau Hilfe zu leisten pflegt. Endlich tritt sie reich geschmückt,
begleitet von zwei oder vier Brautjungfern aus der Kammer dem Bräutigam
entgegen. Ihre Kleidung besteht aus schwarzem Wollenstoff, um den Leib
trägt sie buntseidne Schärpen, um den Hals ein weißes mit Gold und Silber
gesticktes Tuch,, auf dem Kopfe die fußhohe Krone von Flittergold.. Glasperlen,
künstlichen Blumen und Silberdraht, in welcher kleine bunte Vögel sitzen, an
Brust, Seiten, Schultern und Ellenbogen Sträußchen von Flittergold und
Glasperlen. In der rechten Hand hält sie das Gesangbuch, in der linken das
"Thränendauk". Bräutigam und Brautführer sind ähnlich ausstaffirt. Die
Pferde vor dem Wagen, welcher die Leute zur Trauung führen soll, sind an
Mähne und Schweif reich bebändert. Aus dem einen reitet der Köstenbidder.
Die Musik eröffnet den Zug. der sich nach ihren Klängen langsam nach der
Kirche begibt. Auf dxm Rückweg von da fahren die Wagen mit den Spiel¬
leuten und dem Hochzeitsvater voraus, damit der Empfang der Gäste durch
letzteren im Hochzeitshause ordnungsmäßig vor sich gehen kann^ Jedem ein¬
zelnen der andern Wagen schallt hier ein gewaltiger Tusch als Willkommen
entgegen. Man steigt aus und nähert sich dem großen Hausthor. Da wird
dieses plötzlich verschlossen. Einer der Gäste pocht und bittet um Einlaß.
Vergebens. Die Braut klopft und verlangt Oeffnung der Thür. Umsonst.
Erst vor dem Bräutigam läßt sich der Hochzeitsvater zu Verhandlungen herbei,
aber nicht eher wird aufgethan, als bis die jungen Leute das Versprechen
gegeben haben, im Hause.friedlich.mit einander zu leben und ihre alten Eltern
in Ehren zu halten. Die Thür geht nun auf, und während das Brautpaar
über die Schwelle schreitet, spricht der Hochzeitsvater den Segenswunsch aus, daß
man sie einst zusammen über dieselbe zur ewigen Nuhe tragen möge. Daran
schließen sich die Glückwünsche der Gäste, die darauf von den Schaffnern,
jungen Burschen in Hemdärmeln und zurückgeschlagenen weißen Schürzen, welche
Aufmärterdienste verrichten, mit einem Trunk, willkommen geheißen werden.

Das Mahl, das nun folgt, ist ein wahrhaft homerisches. Die Honora¬
tioren haben ihren Platz in der "Dönsk". die übrigen Gäste -- häusig über
hundert Personen -- reihen sich ihrem Nang gemäß, an langen rings um die
Diele gestellten Tischen. Eine Hühnersuppe mit Klößen, in welcher die ganzen
Hühner schwimmen, eröffnet die Reihe der Gerichte. Dann folgen Fleisch
in allerlei Gestalt nebst Kartoffeln und gekochten Pflaumen, dicker Reis, Ku¬
chen, Pudding aus Semmeln und Rosinen mit Pflaumensauce u. s. w. Bei


vor letzterem haltenden Wogen Notiz, und erst durch viele Bitten und allerlei
kräftige Späße des Köstenbidders ist er, der von nichts weiß, zur Oeffnung
des Thores zu bewegen. Nachdem die Wagen abgeladen sind, folgt ein Tänz¬
chen, „um die Beine für morgen geschmeidig zu machen."

Am Freitag beginnt mit dem frühesten Morgen das Anputzen der Braut,
wobei die Predigersfrau Hilfe zu leisten pflegt. Endlich tritt sie reich geschmückt,
begleitet von zwei oder vier Brautjungfern aus der Kammer dem Bräutigam
entgegen. Ihre Kleidung besteht aus schwarzem Wollenstoff, um den Leib
trägt sie buntseidne Schärpen, um den Hals ein weißes mit Gold und Silber
gesticktes Tuch,, auf dem Kopfe die fußhohe Krone von Flittergold.. Glasperlen,
künstlichen Blumen und Silberdraht, in welcher kleine bunte Vögel sitzen, an
Brust, Seiten, Schultern und Ellenbogen Sträußchen von Flittergold und
Glasperlen. In der rechten Hand hält sie das Gesangbuch, in der linken das
„Thränendauk". Bräutigam und Brautführer sind ähnlich ausstaffirt. Die
Pferde vor dem Wagen, welcher die Leute zur Trauung führen soll, sind an
Mähne und Schweif reich bebändert. Aus dem einen reitet der Köstenbidder.
Die Musik eröffnet den Zug. der sich nach ihren Klängen langsam nach der
Kirche begibt. Auf dxm Rückweg von da fahren die Wagen mit den Spiel¬
leuten und dem Hochzeitsvater voraus, damit der Empfang der Gäste durch
letzteren im Hochzeitshause ordnungsmäßig vor sich gehen kann^ Jedem ein¬
zelnen der andern Wagen schallt hier ein gewaltiger Tusch als Willkommen
entgegen. Man steigt aus und nähert sich dem großen Hausthor. Da wird
dieses plötzlich verschlossen. Einer der Gäste pocht und bittet um Einlaß.
Vergebens. Die Braut klopft und verlangt Oeffnung der Thür. Umsonst.
Erst vor dem Bräutigam läßt sich der Hochzeitsvater zu Verhandlungen herbei,
aber nicht eher wird aufgethan, als bis die jungen Leute das Versprechen
gegeben haben, im Hause.friedlich.mit einander zu leben und ihre alten Eltern
in Ehren zu halten. Die Thür geht nun auf, und während das Brautpaar
über die Schwelle schreitet, spricht der Hochzeitsvater den Segenswunsch aus, daß
man sie einst zusammen über dieselbe zur ewigen Nuhe tragen möge. Daran
schließen sich die Glückwünsche der Gäste, die darauf von den Schaffnern,
jungen Burschen in Hemdärmeln und zurückgeschlagenen weißen Schürzen, welche
Aufmärterdienste verrichten, mit einem Trunk, willkommen geheißen werden.

Das Mahl, das nun folgt, ist ein wahrhaft homerisches. Die Honora¬
tioren haben ihren Platz in der „Dönsk". die übrigen Gäste — häusig über
hundert Personen — reihen sich ihrem Nang gemäß, an langen rings um die
Diele gestellten Tischen. Eine Hühnersuppe mit Klößen, in welcher die ganzen
Hühner schwimmen, eröffnet die Reihe der Gerichte. Dann folgen Fleisch
in allerlei Gestalt nebst Kartoffeln und gekochten Pflaumen, dicker Reis, Ku¬
chen, Pudding aus Semmeln und Rosinen mit Pflaumensauce u. s. w. Bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/106>, abgerufen am 25.08.2024.