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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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kunst in rühmender Weise genannt. Den Stellmacher oder Wagner, der mit
funkelnder Axt die glatte Schwarzpappel füllt, um sie zum Radkranze für den
prächtigen Wagen zu biegen, kannte der homerische Held nicht gering schätzen,
und die Metallarbeiter, die Schmiede, die ihren Vertreter selbst im Olymp
haben, namentlich die Waffenschmiede waren für ihn viel zu wichtige Persön¬
lichkeiten, als daß er nnr hätte daran denken können, sie zu mißachten. Aber
auch der Goldschmied Laertes, der mit Ambos. Hammer und Zange das
Gold sinnreich zu verarbeiten weiß, und Jkmalios, der feines Hausgeräth
liefert, seines Handwerks also ein Kunsttischler, sind würdige Meister ihres
Gewerbes. In demselben Grade gellen die Töpfer, die Weber oder vielmehr
Weberinnen und alle Demiourgen, welche Namen sie immer führen mögen,
nicht nur als nützliche, sondern auch als ehrenwerthe Männer. Es ist rührend
zu hören, mit welch' inniger Achtung vor der Arbeit die dürftige Lohnspinne¬
rin als eine redliche Frau bezeichnet wird, weil sie in treuer Liebe zu ihren
Kindern einen wenn auch nur kärglichen Gewinn erstrebt von dein Fleiße
ihrer Hände. Hesiod sagt ausdrücklich, daß nicht die Arbeit, sondern die Un-
thätigkeit, der Müßiggang Schande bringe, ein Gedanke, der. wie wir sahen,
der Anschauung der spartanischen Oligarchen etwa um das Jahr 500 nicht
ganz entsprach.

Es würde leicht sein unsre Behauptung, daß die Grundlagen zur Ent¬
wicklung eines ehrenwerthen, freien Handwerkerstandes, nämlich die Achtung
vor der Arbeit und der gute Wille zu arbeiten, sowie Geschick und Kräfte
dazu in Griechenland von vornherein dagewesen seien, durch eine lange Reihe
sprechender Beispiele zu stützen. schwiegen wir auch von den heilkundigen
und andern erfahrenen Männern, weil sie zwar dem alten Hellas ebenfalls
nur als Demiourgen, galten, für uns hingegen, die wir eine Darstellung des
Handwerks im Alterthume beabsichtigen, außerhalb dieses Begriffs fallen, wie
ihn die moderne Anschauung festgestellt hat; unterließen wir also von den
Aeskulnpsöhuen zu sprechen, von Machaon und Podaleirios, deren jeder einer
ganzen Scharr andrer Männer gleichgeachtet wird, oder von dem Centauren
Cheiron, dessen Erfahrungen sich auf Achill und Patroklos vererbten, oder
von Autolykos und dessen Söhnen, die den Odysseus verbinden und pflegen,
als er auf der Jagd von den Hauern eines Ebers getroffen ist, oder endlich
von Apollon, der das Blut der Wunde und die Schmerzen zu stillen weiß,
und von Paon. der im Olymp auf des Göttervaters Geheiß den verwunde¬
ten Ares heilt; thäten wir aller dieser und ähnlicher Beschäftigungen, die,
sobald Erwerb damit verbunden war, dem spätern Griechen freilich auch als
banause erschienen, gar keine Erwähnung, so würde doch die aithellenische
Welt Belege genug bieten zur Begründung unsrer Voraussetzungen. Wir
brauchten uns nicht auf Dädalos und die Dädaliden zu berufen, die Schöpfer


Grenzboten IV. 18L0, 8

kunst in rühmender Weise genannt. Den Stellmacher oder Wagner, der mit
funkelnder Axt die glatte Schwarzpappel füllt, um sie zum Radkranze für den
prächtigen Wagen zu biegen, kannte der homerische Held nicht gering schätzen,
und die Metallarbeiter, die Schmiede, die ihren Vertreter selbst im Olymp
haben, namentlich die Waffenschmiede waren für ihn viel zu wichtige Persön¬
lichkeiten, als daß er nnr hätte daran denken können, sie zu mißachten. Aber
auch der Goldschmied Laertes, der mit Ambos. Hammer und Zange das
Gold sinnreich zu verarbeiten weiß, und Jkmalios, der feines Hausgeräth
liefert, seines Handwerks also ein Kunsttischler, sind würdige Meister ihres
Gewerbes. In demselben Grade gellen die Töpfer, die Weber oder vielmehr
Weberinnen und alle Demiourgen, welche Namen sie immer führen mögen,
nicht nur als nützliche, sondern auch als ehrenwerthe Männer. Es ist rührend
zu hören, mit welch' inniger Achtung vor der Arbeit die dürftige Lohnspinne¬
rin als eine redliche Frau bezeichnet wird, weil sie in treuer Liebe zu ihren
Kindern einen wenn auch nur kärglichen Gewinn erstrebt von dein Fleiße
ihrer Hände. Hesiod sagt ausdrücklich, daß nicht die Arbeit, sondern die Un-
thätigkeit, der Müßiggang Schande bringe, ein Gedanke, der. wie wir sahen,
der Anschauung der spartanischen Oligarchen etwa um das Jahr 500 nicht
ganz entsprach.

Es würde leicht sein unsre Behauptung, daß die Grundlagen zur Ent¬
wicklung eines ehrenwerthen, freien Handwerkerstandes, nämlich die Achtung
vor der Arbeit und der gute Wille zu arbeiten, sowie Geschick und Kräfte
dazu in Griechenland von vornherein dagewesen seien, durch eine lange Reihe
sprechender Beispiele zu stützen. schwiegen wir auch von den heilkundigen
und andern erfahrenen Männern, weil sie zwar dem alten Hellas ebenfalls
nur als Demiourgen, galten, für uns hingegen, die wir eine Darstellung des
Handwerks im Alterthume beabsichtigen, außerhalb dieses Begriffs fallen, wie
ihn die moderne Anschauung festgestellt hat; unterließen wir also von den
Aeskulnpsöhuen zu sprechen, von Machaon und Podaleirios, deren jeder einer
ganzen Scharr andrer Männer gleichgeachtet wird, oder von dem Centauren
Cheiron, dessen Erfahrungen sich auf Achill und Patroklos vererbten, oder
von Autolykos und dessen Söhnen, die den Odysseus verbinden und pflegen,
als er auf der Jagd von den Hauern eines Ebers getroffen ist, oder endlich
von Apollon, der das Blut der Wunde und die Schmerzen zu stillen weiß,
und von Paon. der im Olymp auf des Göttervaters Geheiß den verwunde¬
ten Ares heilt; thäten wir aller dieser und ähnlicher Beschäftigungen, die,
sobald Erwerb damit verbunden war, dem spätern Griechen freilich auch als
banause erschienen, gar keine Erwähnung, so würde doch die aithellenische
Welt Belege genug bieten zur Begründung unsrer Voraussetzungen. Wir
brauchten uns nicht auf Dädalos und die Dädaliden zu berufen, die Schöpfer


Grenzboten IV. 18L0, 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/69>, abgerufen am 15.01.2025.