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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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durch ein freies Volk, dem man das volle Vertrauen dadurch wiedergibt, das
man ihm das Recht einräumt selbstständigen Antheil an der Schlichtung der
Dinge zu nehmen, woran sein Wohl oder Wehe hängt. Nicht ob. sondern
wie es zu seiner freien Vertretung heranzuziehen, ist die Frage. Hierbei muß
man allererst die Liebhaberei aufgeben, aus Oestreich einen künstlichen Ein¬
heitsstaat zu schaffen. Dafür fehlt es an der absoluten Unmöglichkeit eines
entsprechenden Organs; der Neichsrnth mag als Beispiel gelten.

Man machte sich seine einheitliche Gestaltung so leicht als thunlich: meist
hoffähige, durchaus conservative und wohlgcschulte Leute, aus der sorgfältig¬
sten Wahl hervorgegangen, nach dem Willen ihres Monarchen wie nach dem
Zenith ihrer Wünsche blickend. Trotz alledem gilt der Ausnahmsstellung Ungarns,
seiner Nationalität, Sprache und Verfassung, der legitime Eifer ihrer über¬
wiegenden Mehrheit, Deutschland ist ihre Hekuba. Denke man sich denselben
Körper aus dem Schooße der Landcsvertretnngen hervorgegangen; die Gegen¬
sätze, Reibungen, Kämpfe werden sich in demselben Maße steigern, als man
den Wahlen Freiheit gestattet, das Endergebniß kann nur eine Unterdrückung
der deutschen Minorität oder die Auslösung sein. Ein Reichstag aber würde
selbst dann, wenn man durch eine Vertretung der Interessen den Sauerteig
des Proletariats von den Urwähler ausschiede, und der deutschen Intelligenz
eine künstliche Vermehrung von Stimmführern sicherte, der nationalen Zer¬
fahrenheit nicht steuern; es erübrigt demnach nur die politische Scheidung jener
beiden Hauptträger des Zwiespalts, der in ihrer Gesittung. Cultur, Sprache
und Nationalität liegt, eines Zwiespalts, mächtiger als jede Staaiskunst. Mög¬
lich bleibt nur die Vereinigung Ungarns mit seinen slavischen Nebenländern,
dem theilweise ungarischen Siebenbürgen und dem blondgelockten Bruder in
Polen, gegen eine Verbindung mit Deutschöstreich waltet hier wie dort die
gleiche Abneigung vor; durch Jahrhunderte brachte diese Mißehe uns Deut¬
schen in Oestreich nur Geistesdruck, Knechtung und Trennung von unserm
Vaterland, wie lange sollen wir selben noch dulden? Der weltgeschichtliche Be¬
ruf des untern Donaureichs findet jenseits der Leitha semen Schwerpunkt.
Wenn der Zerfall der Türkei nicht in zu weiter Ferne steht, gesellen sich ihm
nächstens auch halbwilde Stämme in Serbien und Bosnien zu, dann scheidet
sich das magyarisch-slavische Element von selbst aus. Und denkt man auch
ohne diesen Zuwachs wol im Ernste daran, Magyaren und Slaven ins künf¬
tige deutsche Parlament zu bringen?

Zwei Körper also, weil auch zwei Seelen vorhanden, und wenn das
Stück von Lombardovenetien nicht abfällt, mag auch diesem seine eigne Ver¬
tretung werden, nur ohne Einfluß auf die Politik, so lange die seine so ag¬
gressiv feindlich, so erbittert gegen das deutsche Barbarenthum, dem es mit
manchem Jahrhundert den besten Theil seiner Bildung dankt. Ein Rath von
Ministern für das Aeußere, den Krieg und die Finanzen mit besondrer Ver-


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durch ein freies Volk, dem man das volle Vertrauen dadurch wiedergibt, das
man ihm das Recht einräumt selbstständigen Antheil an der Schlichtung der
Dinge zu nehmen, woran sein Wohl oder Wehe hängt. Nicht ob. sondern
wie es zu seiner freien Vertretung heranzuziehen, ist die Frage. Hierbei muß
man allererst die Liebhaberei aufgeben, aus Oestreich einen künstlichen Ein¬
heitsstaat zu schaffen. Dafür fehlt es an der absoluten Unmöglichkeit eines
entsprechenden Organs; der Neichsrnth mag als Beispiel gelten.

Man machte sich seine einheitliche Gestaltung so leicht als thunlich: meist
hoffähige, durchaus conservative und wohlgcschulte Leute, aus der sorgfältig¬
sten Wahl hervorgegangen, nach dem Willen ihres Monarchen wie nach dem
Zenith ihrer Wünsche blickend. Trotz alledem gilt der Ausnahmsstellung Ungarns,
seiner Nationalität, Sprache und Verfassung, der legitime Eifer ihrer über¬
wiegenden Mehrheit, Deutschland ist ihre Hekuba. Denke man sich denselben
Körper aus dem Schooße der Landcsvertretnngen hervorgegangen; die Gegen¬
sätze, Reibungen, Kämpfe werden sich in demselben Maße steigern, als man
den Wahlen Freiheit gestattet, das Endergebniß kann nur eine Unterdrückung
der deutschen Minorität oder die Auslösung sein. Ein Reichstag aber würde
selbst dann, wenn man durch eine Vertretung der Interessen den Sauerteig
des Proletariats von den Urwähler ausschiede, und der deutschen Intelligenz
eine künstliche Vermehrung von Stimmführern sicherte, der nationalen Zer¬
fahrenheit nicht steuern; es erübrigt demnach nur die politische Scheidung jener
beiden Hauptträger des Zwiespalts, der in ihrer Gesittung. Cultur, Sprache
und Nationalität liegt, eines Zwiespalts, mächtiger als jede Staaiskunst. Mög¬
lich bleibt nur die Vereinigung Ungarns mit seinen slavischen Nebenländern,
dem theilweise ungarischen Siebenbürgen und dem blondgelockten Bruder in
Polen, gegen eine Verbindung mit Deutschöstreich waltet hier wie dort die
gleiche Abneigung vor; durch Jahrhunderte brachte diese Mißehe uns Deut¬
schen in Oestreich nur Geistesdruck, Knechtung und Trennung von unserm
Vaterland, wie lange sollen wir selben noch dulden? Der weltgeschichtliche Be¬
ruf des untern Donaureichs findet jenseits der Leitha semen Schwerpunkt.
Wenn der Zerfall der Türkei nicht in zu weiter Ferne steht, gesellen sich ihm
nächstens auch halbwilde Stämme in Serbien und Bosnien zu, dann scheidet
sich das magyarisch-slavische Element von selbst aus. Und denkt man auch
ohne diesen Zuwachs wol im Ernste daran, Magyaren und Slaven ins künf¬
tige deutsche Parlament zu bringen?

Zwei Körper also, weil auch zwei Seelen vorhanden, und wenn das
Stück von Lombardovenetien nicht abfällt, mag auch diesem seine eigne Ver¬
tretung werden, nur ohne Einfluß auf die Politik, so lange die seine so ag¬
gressiv feindlich, so erbittert gegen das deutsche Barbarenthum, dem es mit
manchem Jahrhundert den besten Theil seiner Bildung dankt. Ein Rath von
Ministern für das Aeußere, den Krieg und die Finanzen mit besondrer Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/51>, abgerufen am 15.01.2025.