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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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sich mit aller Entschiedenheit auf jene Elemente stützen, in welchen die gesammt-
staatlichen und allgemeinen Culturinteressen ihren Schwerpunkt finden, welche die
Fülle und den Fortschritt im wirthschaftlichen und geistigen Leben auch wirk¬
lich tragen und durch welche die wahrhaften Bedürfnisse, das Streben und
überhaupt der geistige Inhalt der Zeit allein auch zur Erscheinung und Gel¬
tung kommen können/' In diesem Sinne sollen die Provincialstände gebil¬
det werden; "um nickt zu aufreizenden inneren Gegensätzen zu führen, er¬
fordern sie, daß eine gcsammtstaatliche Institution, die durch die Reform des
Reichsraihs angebahnt und fortschreitend ausgebildet werden könnte, ein hin¬
längliches, in sich lebensfähiges Gegengewicht abgeben. -- Was man auch
biete, weniger als loyale Erfüllung aller Verheißungen der deutschen Bundes¬
acte kann man unmöglich gewähren, wenn man ,die politische Scheidewand,
welche Oestreich vom übrigen Deutschland trennt, wirklich hinwegräumen und
das beiderseitige Vertrauen dauernd befestigen will"*)

nicht vermittelnd zwischen den beiden Anträgen des Reichsraths, sondern
über ihrem Parteigetriebe steht ein Dritter, den wir den Gouvernementaleu
nennen Möchten. Man thut den Lenkern unsrer Geschicke Unrecht durch den
Vorwurf, als handelten sie plan- und rathlos, sie warten eben nur den rech¬
ten Zeitpunkt ab. um mit einer vollendeten Schöpfung hervorzutreten. Schon
das kaiserliche Patent vom 5. März d. I. sprach von Landesvertretungen.
von Vorlagen derselben an den verstärkten Reichsrath. es übertrug diesem die
Berathungen der ihm zugewiesenen Gegenstände, versagte ihm aber die Ini¬
tiative. Die Augsb. Allg., die von den Geheimnissen des Cabinets man¬
ches ausplaudert, was zur Beruhigung der Gemüther dient, beschämte sogleich
einen falschen Propheten der officiösen "Wiener Zeitung", der "diesen Act der
Gesetzgebung als den Schlußstein der Organisationen andeutete", und meinte,
der verstärkte Reichsrath erinnere nicht unangenehm an den geheimen Rath
(Privy Council) der Königin von England.^) Wer weiß nicht, daß England
die freieste Verfassung in ganz Europa hat? Auf die neuen vorerst von der
Negierung allein zu ernennenden Mitglieder legt jener Berichterstatter aus
Wien ein besonderes Gewicht, "ihr durch Unterstand nicht getrübter, wirklich
staatsmännischer Geist werde den ständigen Reichsrath mit kräftigenden Hauch
anwehen." Und siehe da, eben als die Kämpfe im Reichsrath fast so er¬
bittert zu werden drohten, als einst die der Horatieri und Curiatier, that so
ein frischer vom Leben geschärfter Geist den Mund auf und legte in warmen
und begeisterten Worten einen die Grundzüge des Patents für Ungarn vom
19. April d. I. ausführenden Plan der Neugestaltung Oestreichs "Palinge-
nesis" genannt, nicht dem Reichsrath, sondern dem ganzen östreichischen Volk




") Die Aufgabe" Oestreichs. Eine Denkschrift vom Freiherrn von Brück.
*") Ur. 73 von 13. März.

sich mit aller Entschiedenheit auf jene Elemente stützen, in welchen die gesammt-
staatlichen und allgemeinen Culturinteressen ihren Schwerpunkt finden, welche die
Fülle und den Fortschritt im wirthschaftlichen und geistigen Leben auch wirk¬
lich tragen und durch welche die wahrhaften Bedürfnisse, das Streben und
überhaupt der geistige Inhalt der Zeit allein auch zur Erscheinung und Gel¬
tung kommen können/' In diesem Sinne sollen die Provincialstände gebil¬
det werden; „um nickt zu aufreizenden inneren Gegensätzen zu führen, er¬
fordern sie, daß eine gcsammtstaatliche Institution, die durch die Reform des
Reichsraihs angebahnt und fortschreitend ausgebildet werden könnte, ein hin¬
längliches, in sich lebensfähiges Gegengewicht abgeben. — Was man auch
biete, weniger als loyale Erfüllung aller Verheißungen der deutschen Bundes¬
acte kann man unmöglich gewähren, wenn man ,die politische Scheidewand,
welche Oestreich vom übrigen Deutschland trennt, wirklich hinwegräumen und
das beiderseitige Vertrauen dauernd befestigen will"*)

nicht vermittelnd zwischen den beiden Anträgen des Reichsraths, sondern
über ihrem Parteigetriebe steht ein Dritter, den wir den Gouvernementaleu
nennen Möchten. Man thut den Lenkern unsrer Geschicke Unrecht durch den
Vorwurf, als handelten sie plan- und rathlos, sie warten eben nur den rech¬
ten Zeitpunkt ab. um mit einer vollendeten Schöpfung hervorzutreten. Schon
das kaiserliche Patent vom 5. März d. I. sprach von Landesvertretungen.
von Vorlagen derselben an den verstärkten Reichsrath. es übertrug diesem die
Berathungen der ihm zugewiesenen Gegenstände, versagte ihm aber die Ini¬
tiative. Die Augsb. Allg., die von den Geheimnissen des Cabinets man¬
ches ausplaudert, was zur Beruhigung der Gemüther dient, beschämte sogleich
einen falschen Propheten der officiösen „Wiener Zeitung", der „diesen Act der
Gesetzgebung als den Schlußstein der Organisationen andeutete", und meinte,
der verstärkte Reichsrath erinnere nicht unangenehm an den geheimen Rath
(Privy Council) der Königin von England.^) Wer weiß nicht, daß England
die freieste Verfassung in ganz Europa hat? Auf die neuen vorerst von der
Negierung allein zu ernennenden Mitglieder legt jener Berichterstatter aus
Wien ein besonderes Gewicht, „ihr durch Unterstand nicht getrübter, wirklich
staatsmännischer Geist werde den ständigen Reichsrath mit kräftigenden Hauch
anwehen." Und siehe da, eben als die Kämpfe im Reichsrath fast so er¬
bittert zu werden drohten, als einst die der Horatieri und Curiatier, that so
ein frischer vom Leben geschärfter Geist den Mund auf und legte in warmen
und begeisterten Worten einen die Grundzüge des Patents für Ungarn vom
19. April d. I. ausführenden Plan der Neugestaltung Oestreichs „Palinge-
nesis" genannt, nicht dem Reichsrath, sondern dem ganzen östreichischen Volk




") Die Aufgabe» Oestreichs. Eine Denkschrift vom Freiherrn von Brück.
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[0049] sich mit aller Entschiedenheit auf jene Elemente stützen, in welchen die gesammt- staatlichen und allgemeinen Culturinteressen ihren Schwerpunkt finden, welche die Fülle und den Fortschritt im wirthschaftlichen und geistigen Leben auch wirk¬ lich tragen und durch welche die wahrhaften Bedürfnisse, das Streben und überhaupt der geistige Inhalt der Zeit allein auch zur Erscheinung und Gel¬ tung kommen können/' In diesem Sinne sollen die Provincialstände gebil¬ det werden; „um nickt zu aufreizenden inneren Gegensätzen zu führen, er¬ fordern sie, daß eine gcsammtstaatliche Institution, die durch die Reform des Reichsraihs angebahnt und fortschreitend ausgebildet werden könnte, ein hin¬ längliches, in sich lebensfähiges Gegengewicht abgeben. — Was man auch biete, weniger als loyale Erfüllung aller Verheißungen der deutschen Bundes¬ acte kann man unmöglich gewähren, wenn man ,die politische Scheidewand, welche Oestreich vom übrigen Deutschland trennt, wirklich hinwegräumen und das beiderseitige Vertrauen dauernd befestigen will"*) nicht vermittelnd zwischen den beiden Anträgen des Reichsraths, sondern über ihrem Parteigetriebe steht ein Dritter, den wir den Gouvernementaleu nennen Möchten. Man thut den Lenkern unsrer Geschicke Unrecht durch den Vorwurf, als handelten sie plan- und rathlos, sie warten eben nur den rech¬ ten Zeitpunkt ab. um mit einer vollendeten Schöpfung hervorzutreten. Schon das kaiserliche Patent vom 5. März d. I. sprach von Landesvertretungen. von Vorlagen derselben an den verstärkten Reichsrath. es übertrug diesem die Berathungen der ihm zugewiesenen Gegenstände, versagte ihm aber die Ini¬ tiative. Die Augsb. Allg., die von den Geheimnissen des Cabinets man¬ ches ausplaudert, was zur Beruhigung der Gemüther dient, beschämte sogleich einen falschen Propheten der officiösen „Wiener Zeitung", der „diesen Act der Gesetzgebung als den Schlußstein der Organisationen andeutete", und meinte, der verstärkte Reichsrath erinnere nicht unangenehm an den geheimen Rath (Privy Council) der Königin von England.^) Wer weiß nicht, daß England die freieste Verfassung in ganz Europa hat? Auf die neuen vorerst von der Negierung allein zu ernennenden Mitglieder legt jener Berichterstatter aus Wien ein besonderes Gewicht, „ihr durch Unterstand nicht getrübter, wirklich staatsmännischer Geist werde den ständigen Reichsrath mit kräftigenden Hauch anwehen." Und siehe da, eben als die Kämpfe im Reichsrath fast so er¬ bittert zu werden drohten, als einst die der Horatieri und Curiatier, that so ein frischer vom Leben geschärfter Geist den Mund auf und legte in warmen und begeisterten Worten einen die Grundzüge des Patents für Ungarn vom 19. April d. I. ausführenden Plan der Neugestaltung Oestreichs „Palinge- nesis" genannt, nicht dem Reichsrath, sondern dem ganzen östreichischen Volk ") Die Aufgabe» Oestreichs. Eine Denkschrift vom Freiherrn von Brück. *») Ur. 73 von 13. März.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/49>, abgerufen am 15.01.2025.