Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Castelfidardo zufällig "ach Ancona hineingerettet worden waren, an die Bür¬ Am 30. des Morgens endlich marschirten wir bataillonsweise durch die Vier Tage habe ich hier gelegen, aber pro Tag nichts weiter empfangen, Am vierten Tage (3. October) endlich marschirte ich mit einem Transport Castelfidardo zufällig »ach Ancona hineingerettet worden waren, an die Bür¬ Am 30. des Morgens endlich marschirten wir bataillonsweise durch die Vier Tage habe ich hier gelegen, aber pro Tag nichts weiter empfangen, Am vierten Tage (3. October) endlich marschirte ich mit einem Transport <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110836"/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> Castelfidardo zufällig »ach Ancona hineingerettet worden waren, an die Bür¬<lb/> ger meistbietend verkauft; derselbe Herr, welcher viele aus dem brennenden<lb/> Lazarett) gerettete Wahns- und Klcidervorräthe hatte in sein Haus bringen<lb/> lassen, um. wie er sagte, „sie sicher untergebracht zu wissen," verkaufte sie;<lb/> wieder ein gutes Beispiel von einem Schweizcroffizier. Die Cavalleristen und<lb/> Artilleristen verkauften nicht nur zum Theil ihre eignen Pferde, sondern mach¬<lb/> ten sich kein Gewissen daraus, Ofsizierspferde, welche unbewacht gelassen wur¬<lb/> den, als gute Prise zu verkaufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466"> Am 30. des Morgens endlich marschirten wir bataillonsweise durch die<lb/> Stadt zur Porto. Pia hinaus, begleitet von zwei piemontesischen Bataillonen<lb/> Bersaglieri. Die Piemontesen hatten uns Spalier gebildet. Hinter ihnen<lb/> stand das Volk. Dieses begleitete unsern Marsch mit einer fürchterlichen Katzen¬<lb/> musik, mit Pfeifen, Aushöhnen, Schimpfwörtern aller Art .obgleich sie kein gründ¬<lb/> liches Motiv dafür hatten. Charakteristisch ist es, daß sich dieselbe Scene<lb/> auf unserer ferneren Reise in jedem Orte, selbst noch in Mailand wiederholte.<lb/> Wir marschirten drei Miglien weit nach dem Dorfe Sovvento, wo wir auf<lb/> der Straße Halt machten, die Gewehre in Pyramiden zusammensetzten und<lb/> sie sammt der Munition den Piemontesen überließen. Sodann nahmen wir<lb/> innerhalb eines dortigen piemontesischen Zeltlagers auf einem verhältnißmäßig<lb/> kleinen Raume Platz, wo wir kaum Raum zum Liegen hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467"> Vier Tage habe ich hier gelegen, aber pro Tag nichts weiter empfangen,<lb/> als eine Ration Brod, ein Stück Käse, ein Glas Wein und 2—3 Bajocchi.<lb/> Dabei war die Theuerung in der Gegend sehr groß und sogar das Wasser<lb/> mußte dem wuchernden Bauernvolke das Glas mit einen» Bajocco bezahlt<lb/> werde». Endlich fehlte es uns" gänzlich an Lagerstroh. Mit allen Artikeln<lb/> wurde gewundert, die Bauern und Städter brachten schlechte Lebensmittel zu<lb/> ncsigen Preisen und suchten den Unsrigen ihre wenigen Habseligkeiten um<lb/> Spottpreise abzukaufen; namentlich auf unsere Mäntel waren sie sehr gierig.<lb/> — Auch die piemontesischen Soldaten trieben Wucher mit Branntwein und<lb/> Cigarre».</p><lb/> <p xml:id="ID_1468" next="#ID_1469"> Am vierten Tage (3. October) endlich marschirte ich mit einem Transport<lb/> von 1100 Mann ab und zwar in nenn Tagemärschen bis Bologna. Die<lb/> Nächte brachten wir mehrmals unter freiem Himmel zu. Unsre Verpflegung<lb/> blieb gleich karg, an Katzenmusiken kein Mangel. Von Bologna (11. October)<lb/> ging's Abends per Bahn nach Alessandria; von den 3!> Wagen unsers Zugs<lb/> gehörten 14 zur dritten Classe, die übrigen waren Güter- und Viehwagen; ich hatte<lb/> die Ehre in einin der letzteren zu kommen, wo wir 33 Mann zum Liegen keinen<lb/> Platz hatten und zum Stehen zu müde waren. Um neun Uhr Morgens ka¬<lb/> men wir in AlessandriA an, wo die schneebedeckten ligurischen Alpe» herrlich<lb/> anzuschauen waren, aber heimathliche Kälte verursachten. — Fünf Tage brachte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0488]
Castelfidardo zufällig »ach Ancona hineingerettet worden waren, an die Bür¬
ger meistbietend verkauft; derselbe Herr, welcher viele aus dem brennenden
Lazarett) gerettete Wahns- und Klcidervorräthe hatte in sein Haus bringen
lassen, um. wie er sagte, „sie sicher untergebracht zu wissen," verkaufte sie;
wieder ein gutes Beispiel von einem Schweizcroffizier. Die Cavalleristen und
Artilleristen verkauften nicht nur zum Theil ihre eignen Pferde, sondern mach¬
ten sich kein Gewissen daraus, Ofsizierspferde, welche unbewacht gelassen wur¬
den, als gute Prise zu verkaufen.
Am 30. des Morgens endlich marschirten wir bataillonsweise durch die
Stadt zur Porto. Pia hinaus, begleitet von zwei piemontesischen Bataillonen
Bersaglieri. Die Piemontesen hatten uns Spalier gebildet. Hinter ihnen
stand das Volk. Dieses begleitete unsern Marsch mit einer fürchterlichen Katzen¬
musik, mit Pfeifen, Aushöhnen, Schimpfwörtern aller Art .obgleich sie kein gründ¬
liches Motiv dafür hatten. Charakteristisch ist es, daß sich dieselbe Scene
auf unserer ferneren Reise in jedem Orte, selbst noch in Mailand wiederholte.
Wir marschirten drei Miglien weit nach dem Dorfe Sovvento, wo wir auf
der Straße Halt machten, die Gewehre in Pyramiden zusammensetzten und
sie sammt der Munition den Piemontesen überließen. Sodann nahmen wir
innerhalb eines dortigen piemontesischen Zeltlagers auf einem verhältnißmäßig
kleinen Raume Platz, wo wir kaum Raum zum Liegen hatten.
Vier Tage habe ich hier gelegen, aber pro Tag nichts weiter empfangen,
als eine Ration Brod, ein Stück Käse, ein Glas Wein und 2—3 Bajocchi.
Dabei war die Theuerung in der Gegend sehr groß und sogar das Wasser
mußte dem wuchernden Bauernvolke das Glas mit einen» Bajocco bezahlt
werde». Endlich fehlte es uns" gänzlich an Lagerstroh. Mit allen Artikeln
wurde gewundert, die Bauern und Städter brachten schlechte Lebensmittel zu
ncsigen Preisen und suchten den Unsrigen ihre wenigen Habseligkeiten um
Spottpreise abzukaufen; namentlich auf unsere Mäntel waren sie sehr gierig.
— Auch die piemontesischen Soldaten trieben Wucher mit Branntwein und
Cigarre».
Am vierten Tage (3. October) endlich marschirte ich mit einem Transport
von 1100 Mann ab und zwar in nenn Tagemärschen bis Bologna. Die
Nächte brachten wir mehrmals unter freiem Himmel zu. Unsre Verpflegung
blieb gleich karg, an Katzenmusiken kein Mangel. Von Bologna (11. October)
ging's Abends per Bahn nach Alessandria; von den 3!> Wagen unsers Zugs
gehörten 14 zur dritten Classe, die übrigen waren Güter- und Viehwagen; ich hatte
die Ehre in einin der letzteren zu kommen, wo wir 33 Mann zum Liegen keinen
Platz hatten und zum Stehen zu müde waren. Um neun Uhr Morgens ka¬
men wir in AlessandriA an, wo die schneebedeckten ligurischen Alpe» herrlich
anzuschauen waren, aber heimathliche Kälte verursachten. — Fünf Tage brachte
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