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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Geschick und Talent, die Hofgunst wird auch künftig zum Marschall befähigen.
Wo ankert die Rückkehr zum Vertrauen? "Glückliche politische innere Institu¬
tionen" werden es wiederbringen, versichert man; hören wir die Anträge.

Das Vcrfassungsprogramm des Freiherrn von Andrian, wol das älteste,
weil schon im Jahre 1851 entstanden, spiegelt die damals systemisirte Reaction.
Die Verfassungen vom 25. April 1848 und 4. März 1849 sind, wie das Bild
jenes umsturzlüsternen Dogen von Venedig, schwarz verhängte Tafeln der Ver¬
gangenheit. Er greift zurück auf das Patent vom 15. März 1848, das die
Abgeordneten aller Provincialständc der Monarchie zur Constituirung des Vater¬
landes zu berufen versprach; eine erbliche, vom Kaiser ernannte Pairschaft soll
das Oberhaus, eine bestimmte Anzahl von Ausschüssen der Provincialstände das
Unterhaus bilden, nachdem vorerst eine Notablenversammlung im Einverständ¬
nis mit dem Reichsrath den Entwurf berathen. Dies Programm faßten nach
ihm alle Bureaukraten, Magnaten und geistlichen Würdenträger als die Grund¬
lage der Restauration auf. die alle Gutgesinnten befriedigt, und jeder gefähr¬
lichen Bewegung Halt gebietet. Auf diesem Wege gelangte der ehemalige
Vicestatthalter in Lemberg, Freiherr von Kalchberg, wiewol aus dem Staats¬
dienst ausgeschieden doch noch innig daran hängend, voll bureaukratischer
Scheu vor der modernen Volksvertretung zum Vorschlag eines Reichsrathes,
der aus Erzherzogen, Ministern, Landcschcfs, Metropoliten und Fideicommiß-
besitzern, auch Superintendenten, Professoren und Banquiers, endlich aus Abgeord¬
neten der zeitgemäß abgeänderten Landtage zusammengestellt, nicht als Parlament,
sondern als Rechtskörper der Regierung rathen, helfen, den Staatshaushalt über¬
wachen soll. Weniger staatsmännisch, aber noch conservativer sprach sich zu
Gunsten einer ähnlichen "Neichsvertretung" der hoffnungsselige Unbekannte in
"Oestreich und seine Bestimmung" aus, und glaubte in hingebender Verehrung
sür den Freiherrn v. Bach, den Vater des Concordats, daß Oestreichs welt¬
historischer Beruf in seiner Stellung als katholische Macht, als Beschützerin
des römischen Glaubens gipfle. Als vollständigsten Ausdruck der ständisch
Gesinnten müßten wir aber jenen den magyarischen Reichsräthen zugeschrie¬
benen Entwurf einer östreichischen Gesammtverfassung betrachten, den anfangs
die "Ostdeutsche Post" und nachher ausführlicher die "Süddeutsche Zeitung"
veröffentlichte. Umsonst haben die Altconservativen ihr Einverständnis; abge¬
lehnt, das "Majoritätsgutachten" gibt, wenn auch als ein sehr abgeschwächter
und verhüllter Ausdruck Zeugniß, daß ihr Herz von jenen Wünschen voll ist.
Vorschnell, verfrüht, indiscret mag jene Publication gewesen sein, doch die
Grundidee blieb auch nachher dieselbe, ein Nachdruck auf Löschpapier vom
pergamentenen Original, etwas unklar, als ob die Worte nur da wären, die
Gedanken zu verhüllen, doch entnimmt man ohne Schwierigkeit, daß die ari¬
stokratischen Urheber im EinVerständniß mit unserer Hochkirche grade so wie


Geschick und Talent, die Hofgunst wird auch künftig zum Marschall befähigen.
Wo ankert die Rückkehr zum Vertrauen? „Glückliche politische innere Institu¬
tionen" werden es wiederbringen, versichert man; hören wir die Anträge.

Das Vcrfassungsprogramm des Freiherrn von Andrian, wol das älteste,
weil schon im Jahre 1851 entstanden, spiegelt die damals systemisirte Reaction.
Die Verfassungen vom 25. April 1848 und 4. März 1849 sind, wie das Bild
jenes umsturzlüsternen Dogen von Venedig, schwarz verhängte Tafeln der Ver¬
gangenheit. Er greift zurück auf das Patent vom 15. März 1848, das die
Abgeordneten aller Provincialständc der Monarchie zur Constituirung des Vater¬
landes zu berufen versprach; eine erbliche, vom Kaiser ernannte Pairschaft soll
das Oberhaus, eine bestimmte Anzahl von Ausschüssen der Provincialstände das
Unterhaus bilden, nachdem vorerst eine Notablenversammlung im Einverständ¬
nis mit dem Reichsrath den Entwurf berathen. Dies Programm faßten nach
ihm alle Bureaukraten, Magnaten und geistlichen Würdenträger als die Grund¬
lage der Restauration auf. die alle Gutgesinnten befriedigt, und jeder gefähr¬
lichen Bewegung Halt gebietet. Auf diesem Wege gelangte der ehemalige
Vicestatthalter in Lemberg, Freiherr von Kalchberg, wiewol aus dem Staats¬
dienst ausgeschieden doch noch innig daran hängend, voll bureaukratischer
Scheu vor der modernen Volksvertretung zum Vorschlag eines Reichsrathes,
der aus Erzherzogen, Ministern, Landcschcfs, Metropoliten und Fideicommiß-
besitzern, auch Superintendenten, Professoren und Banquiers, endlich aus Abgeord¬
neten der zeitgemäß abgeänderten Landtage zusammengestellt, nicht als Parlament,
sondern als Rechtskörper der Regierung rathen, helfen, den Staatshaushalt über¬
wachen soll. Weniger staatsmännisch, aber noch conservativer sprach sich zu
Gunsten einer ähnlichen „Neichsvertretung" der hoffnungsselige Unbekannte in
„Oestreich und seine Bestimmung" aus, und glaubte in hingebender Verehrung
sür den Freiherrn v. Bach, den Vater des Concordats, daß Oestreichs welt¬
historischer Beruf in seiner Stellung als katholische Macht, als Beschützerin
des römischen Glaubens gipfle. Als vollständigsten Ausdruck der ständisch
Gesinnten müßten wir aber jenen den magyarischen Reichsräthen zugeschrie¬
benen Entwurf einer östreichischen Gesammtverfassung betrachten, den anfangs
die „Ostdeutsche Post" und nachher ausführlicher die „Süddeutsche Zeitung"
veröffentlichte. Umsonst haben die Altconservativen ihr Einverständnis; abge¬
lehnt, das „Majoritätsgutachten" gibt, wenn auch als ein sehr abgeschwächter
und verhüllter Ausdruck Zeugniß, daß ihr Herz von jenen Wünschen voll ist.
Vorschnell, verfrüht, indiscret mag jene Publication gewesen sein, doch die
Grundidee blieb auch nachher dieselbe, ein Nachdruck auf Löschpapier vom
pergamentenen Original, etwas unklar, als ob die Worte nur da wären, die
Gedanken zu verhüllen, doch entnimmt man ohne Schwierigkeit, daß die ari¬
stokratischen Urheber im EinVerständniß mit unserer Hochkirche grade so wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/47>, abgerufen am 15.01.2025.