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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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auch, wie Ludwig der Dreizehnte des Richelieu, seines überlegnen Führers, über-
drüßig, wider seine Gewohnheit sehr ungnädig wurde. Als Lobkowitz 12. Oc-
tober 1674 früh morgens zum Kaiser fahren wollte, erhielt er auf dem Wege
den Befehl, er habe nach Verlust seiner Aemter und Würden und nach be-
reits beschlossener Beschlagnahme seiner meisten Güter sich innerhalb drei Tagen
von Wien nach seinem Schlosse Raudnitz in Böhmen zu verfügen. Dort solle
er bleiben und mit niemandem corespondiren bei Lebensstrafe. Zugleich wurde
ihm eingeschärft, niemals nach der Ursache dieses Verfahrens zu fragen.
Seine Secrctäre wurden gefoltert. Man wußte nicht, weshalb und hörte nur,
daß man von ihnen nichts erfahren habe. Ehe Lobkowitz Wien verließ, war
er beim P. Emmerich, dem einzigen Manne, der ihm treu blieb. Dann
wurde er mit militärischer Begleitung nach Raudnitz gebracht, und ertrug dort
still und würdevoll sein Exil. Später schien der Kaiser versöhnlichere Gesin¬
nungen gegen ihn zu hegen, doch kam er nie wieder an den Hof. Er starb
im Jahre 1677 : seine Kinder erhielten auf Betrieb der Kaiserin Eleonore die
confiscirten Güter größtentheils zurück. Was er auch verschuldet haben mag,
-- die Justiz, welche gegen ihn geübt wurde, ist charakteristisch für Leopold
und seinen Hof.

Die übrigen Mitglieder des vertrauten kaiserlichen Rathes zu jener Zeit
neben Lobkowitz und Hocher waren nicht bedeutend. Denn seit längerer Zeit
hatten die etlichen zwanzig Mitglieder des kaiserlichen Rathes, die höchsten
Hof- und Staatsbeamten, mit denen früher alles berathen worden war. keinen
Einfluß mehr auf die Geschäfte. Diese wurden jetzt nur mit einigen aus¬
gewählten Vertrauenspersonen besprochen. Es waren diese außer Lobkowitz
und Hocher damals der Neichshofrathspräsident Fürst von Schwarzenberg, der
Oberstkämmerer Graf Lamberg und der Neichsvicekcmzler Graf Königseck.
Schwarzenberg war ein schöner und reicher Mann, der gewandt zu sprechen
wußte, aber weitlnuftig und schwerfällig "ein Zoewr xerxlexitatum et cludi-
tator (?) pei-Mnus". Lamberg hatte sich durch lange Dienstzeit und ge¬
wissenhafte Besorgung der Geschäfte seines Hofamtes empfohlen: in Staats¬
angelegenheiten war er mit allem einverstanden, was ihm vorgetragen wurde.
Königseck wird als ein leichtzugänglicher und redseliger, aber leidenschaftlicher
und unzuverlässiger Mann geschildert. Alle diese waren von Lobkowitz ab¬
hängig, so lange dieser an der Spitze war. und auch der manchmal vom Kai¬
ser zum Rath gezogne Graf von Sinzendors. Obersthofmeister der verwitt-
weten Kaiserin, der in seinem Hofamte auffällig reich geworden war, verstand
wie diplomatischer Ruhe und Gewandtheit etwa vorkommende Differenzen
zwischen der verwittweten und regierenden Kaiserin im Sinne des Ministers
auszugleichen. Nur der Baron Hocher mit dem Geheimsecretür Adele und die
Jesuiten P. Müller und P. Montccuculi. Beichtväter Leopolds und der ver-


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auch, wie Ludwig der Dreizehnte des Richelieu, seines überlegnen Führers, über-
drüßig, wider seine Gewohnheit sehr ungnädig wurde. Als Lobkowitz 12. Oc-
tober 1674 früh morgens zum Kaiser fahren wollte, erhielt er auf dem Wege
den Befehl, er habe nach Verlust seiner Aemter und Würden und nach be-
reits beschlossener Beschlagnahme seiner meisten Güter sich innerhalb drei Tagen
von Wien nach seinem Schlosse Raudnitz in Böhmen zu verfügen. Dort solle
er bleiben und mit niemandem corespondiren bei Lebensstrafe. Zugleich wurde
ihm eingeschärft, niemals nach der Ursache dieses Verfahrens zu fragen.
Seine Secrctäre wurden gefoltert. Man wußte nicht, weshalb und hörte nur,
daß man von ihnen nichts erfahren habe. Ehe Lobkowitz Wien verließ, war
er beim P. Emmerich, dem einzigen Manne, der ihm treu blieb. Dann
wurde er mit militärischer Begleitung nach Raudnitz gebracht, und ertrug dort
still und würdevoll sein Exil. Später schien der Kaiser versöhnlichere Gesin¬
nungen gegen ihn zu hegen, doch kam er nie wieder an den Hof. Er starb
im Jahre 1677 : seine Kinder erhielten auf Betrieb der Kaiserin Eleonore die
confiscirten Güter größtentheils zurück. Was er auch verschuldet haben mag,
— die Justiz, welche gegen ihn geübt wurde, ist charakteristisch für Leopold
und seinen Hof.

Die übrigen Mitglieder des vertrauten kaiserlichen Rathes zu jener Zeit
neben Lobkowitz und Hocher waren nicht bedeutend. Denn seit längerer Zeit
hatten die etlichen zwanzig Mitglieder des kaiserlichen Rathes, die höchsten
Hof- und Staatsbeamten, mit denen früher alles berathen worden war. keinen
Einfluß mehr auf die Geschäfte. Diese wurden jetzt nur mit einigen aus¬
gewählten Vertrauenspersonen besprochen. Es waren diese außer Lobkowitz
und Hocher damals der Neichshofrathspräsident Fürst von Schwarzenberg, der
Oberstkämmerer Graf Lamberg und der Neichsvicekcmzler Graf Königseck.
Schwarzenberg war ein schöner und reicher Mann, der gewandt zu sprechen
wußte, aber weitlnuftig und schwerfällig „ein Zoewr xerxlexitatum et cludi-
tator (?) pei-Mnus". Lamberg hatte sich durch lange Dienstzeit und ge¬
wissenhafte Besorgung der Geschäfte seines Hofamtes empfohlen: in Staats¬
angelegenheiten war er mit allem einverstanden, was ihm vorgetragen wurde.
Königseck wird als ein leichtzugänglicher und redseliger, aber leidenschaftlicher
und unzuverlässiger Mann geschildert. Alle diese waren von Lobkowitz ab¬
hängig, so lange dieser an der Spitze war. und auch der manchmal vom Kai¬
ser zum Rath gezogne Graf von Sinzendors. Obersthofmeister der verwitt-
weten Kaiserin, der in seinem Hofamte auffällig reich geworden war, verstand
wie diplomatischer Ruhe und Gewandtheit etwa vorkommende Differenzen
zwischen der verwittweten und regierenden Kaiserin im Sinne des Ministers
auszugleichen. Nur der Baron Hocher mit dem Geheimsecretür Adele und die
Jesuiten P. Müller und P. Montccuculi. Beichtväter Leopolds und der ver-


Grcnjboten IV. 1L60, os
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/469>, abgerufen am 15.01.2025.