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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Dinge so gehen ließ, das? sie bald zu Gunsten der Franzosen, bald von der
seit Ferdinand dein Zweiten mächtig gewordenen spanisch-ultramontanen
Partei, aber in beide" Fällen zum Schaden des deutschen Reichs und Volkes
ausgebeutet wurden.

Leopold war körperlich schwächlich, von bescheidenem, gutmüthigem Nn-
turcl, ohne Geist, aber genügend begabt, etwas zu lernen. Dies waren
Eigenschaften, die seine Erzieher, die Jesuiten, wohl zu benutzen und zu ent¬
wickeln verstanden, um aus ihm, er mochte ein Kirchenfürst oder ein weltlicher
Herr werden, ein brauchbares Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Dieser Schule
gemäß war er zwar in alten und neuern Sprachen, in der Mathematik und
Geschichte wohl unterrichtet, dabei aber war und blieb er immer fromm devot,
beschränkt und förmlich und von seiner Umgebung abhängig, besonders, wo
nicht andere Einflüsse sich zeitweise geltend machten, von der Geistlichkeit und
den Jesuiten, denen er großes Vertrauen schenkte. Die Geschäfte besorgte er
fleißig, aber nicht mit Liebe, nur aus Gewohnheit und Pflichtgefühl. War
ein wichtiger Entschluß zu fassen, so war er sehr bedenklich und weitläuftig,
da hatten die Minister oft- einen sehr schlimmen Stand. Hatte er sich aber
einmal etwas zurecht gelegt, so war ihm schlimm beizukommen, besonders wenn
er sich religiöse Gewissensscrnpet machte. Dann war er zäh, wie sein Gro߬
vater Ferdinand, zwar ohne Fanatismus, aber gegen sein Naturel hart, vor¬
züglich gegen die sogenannten Ketzer, die er von ihrem Irrwege zurückzuführen
für seine Pflicht hielt und den ärgsten Verfolgungen preisgab. Im Ganzen
liebte Leopold die Ruhe, vou Vergnügungen besonders die Musik und die
Jagd, dafür hatte der sonst so in sich zurückgezogene Fürst ein lebhaftes In¬
teresse. Seine erste Frau, die spanische Margarete Theresia, "ein gar schwa¬
ches und zartes Frauenbild," die von ihrer steifen spanischen Hofhaltung
umgeben, in stiller Zurückgezogenheit den ganzen Tag mit Beten und Arbeiten
für Kirchen und Klöster zubrachte, erbaute den Kaiser durch ihre Frömmigkeit.
Sie starb schon 1673 im zweiundzwanzigsten Jahre ihres Lebens. Die zweite
Frau dagegen, Claudia Felicitas von Tirol, "eine wohlgewachsene Person/'
welche auch schon 1676 im dreiundzwanzigstcn Lebensjahre starb, wußte durch
ihren lebhaften Geist und guten Humor sowie durch lebhafte Theilnahme an
den Vergnügungen des Kaisers ihn etwas anzuregen und war nicht ohne
vorübergehenden Einfluß auf sein Naturel und seine Regierung. Wenigstens
trat seit dieser Verehelichung 1673 die geistreiche Stiefmutter des Kaisers,
Eleonore, mehr zurück, die bis dahin im Interesse Frankreichs öfters den
Stiefsohn zu leiten vermocht hatte und nun durch den Verkehr mit der so"'
irischen Partei den verlorenen Einfluß wieder zu gewinnen suchte/)



') Mit der dritten Frau, Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg vermählte sich der Kai¬
ser 1676. Diese überlebte ihn und starb 65 Jahre alt im Jahre 1720. Drei Kinder aus

Dinge so gehen ließ, das? sie bald zu Gunsten der Franzosen, bald von der
seit Ferdinand dein Zweiten mächtig gewordenen spanisch-ultramontanen
Partei, aber in beide» Fällen zum Schaden des deutschen Reichs und Volkes
ausgebeutet wurden.

Leopold war körperlich schwächlich, von bescheidenem, gutmüthigem Nn-
turcl, ohne Geist, aber genügend begabt, etwas zu lernen. Dies waren
Eigenschaften, die seine Erzieher, die Jesuiten, wohl zu benutzen und zu ent¬
wickeln verstanden, um aus ihm, er mochte ein Kirchenfürst oder ein weltlicher
Herr werden, ein brauchbares Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Dieser Schule
gemäß war er zwar in alten und neuern Sprachen, in der Mathematik und
Geschichte wohl unterrichtet, dabei aber war und blieb er immer fromm devot,
beschränkt und förmlich und von seiner Umgebung abhängig, besonders, wo
nicht andere Einflüsse sich zeitweise geltend machten, von der Geistlichkeit und
den Jesuiten, denen er großes Vertrauen schenkte. Die Geschäfte besorgte er
fleißig, aber nicht mit Liebe, nur aus Gewohnheit und Pflichtgefühl. War
ein wichtiger Entschluß zu fassen, so war er sehr bedenklich und weitläuftig,
da hatten die Minister oft- einen sehr schlimmen Stand. Hatte er sich aber
einmal etwas zurecht gelegt, so war ihm schlimm beizukommen, besonders wenn
er sich religiöse Gewissensscrnpet machte. Dann war er zäh, wie sein Gro߬
vater Ferdinand, zwar ohne Fanatismus, aber gegen sein Naturel hart, vor¬
züglich gegen die sogenannten Ketzer, die er von ihrem Irrwege zurückzuführen
für seine Pflicht hielt und den ärgsten Verfolgungen preisgab. Im Ganzen
liebte Leopold die Ruhe, vou Vergnügungen besonders die Musik und die
Jagd, dafür hatte der sonst so in sich zurückgezogene Fürst ein lebhaftes In¬
teresse. Seine erste Frau, die spanische Margarete Theresia, „ein gar schwa¬
ches und zartes Frauenbild," die von ihrer steifen spanischen Hofhaltung
umgeben, in stiller Zurückgezogenheit den ganzen Tag mit Beten und Arbeiten
für Kirchen und Klöster zubrachte, erbaute den Kaiser durch ihre Frömmigkeit.
Sie starb schon 1673 im zweiundzwanzigsten Jahre ihres Lebens. Die zweite
Frau dagegen, Claudia Felicitas von Tirol, „eine wohlgewachsene Person/'
welche auch schon 1676 im dreiundzwanzigstcn Lebensjahre starb, wußte durch
ihren lebhaften Geist und guten Humor sowie durch lebhafte Theilnahme an
den Vergnügungen des Kaisers ihn etwas anzuregen und war nicht ohne
vorübergehenden Einfluß auf sein Naturel und seine Regierung. Wenigstens
trat seit dieser Verehelichung 1673 die geistreiche Stiefmutter des Kaisers,
Eleonore, mehr zurück, die bis dahin im Interesse Frankreichs öfters den
Stiefsohn zu leiten vermocht hatte und nun durch den Verkehr mit der so«'
irischen Partei den verlorenen Einfluß wieder zu gewinnen suchte/)



') Mit der dritten Frau, Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg vermählte sich der Kai¬
ser 1676. Diese überlebte ihn und starb 65 Jahre alt im Jahre 1720. Drei Kinder aus
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[0466] Dinge so gehen ließ, das? sie bald zu Gunsten der Franzosen, bald von der seit Ferdinand dein Zweiten mächtig gewordenen spanisch-ultramontanen Partei, aber in beide» Fällen zum Schaden des deutschen Reichs und Volkes ausgebeutet wurden. Leopold war körperlich schwächlich, von bescheidenem, gutmüthigem Nn- turcl, ohne Geist, aber genügend begabt, etwas zu lernen. Dies waren Eigenschaften, die seine Erzieher, die Jesuiten, wohl zu benutzen und zu ent¬ wickeln verstanden, um aus ihm, er mochte ein Kirchenfürst oder ein weltlicher Herr werden, ein brauchbares Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Dieser Schule gemäß war er zwar in alten und neuern Sprachen, in der Mathematik und Geschichte wohl unterrichtet, dabei aber war und blieb er immer fromm devot, beschränkt und förmlich und von seiner Umgebung abhängig, besonders, wo nicht andere Einflüsse sich zeitweise geltend machten, von der Geistlichkeit und den Jesuiten, denen er großes Vertrauen schenkte. Die Geschäfte besorgte er fleißig, aber nicht mit Liebe, nur aus Gewohnheit und Pflichtgefühl. War ein wichtiger Entschluß zu fassen, so war er sehr bedenklich und weitläuftig, da hatten die Minister oft- einen sehr schlimmen Stand. Hatte er sich aber einmal etwas zurecht gelegt, so war ihm schlimm beizukommen, besonders wenn er sich religiöse Gewissensscrnpet machte. Dann war er zäh, wie sein Gro߬ vater Ferdinand, zwar ohne Fanatismus, aber gegen sein Naturel hart, vor¬ züglich gegen die sogenannten Ketzer, die er von ihrem Irrwege zurückzuführen für seine Pflicht hielt und den ärgsten Verfolgungen preisgab. Im Ganzen liebte Leopold die Ruhe, vou Vergnügungen besonders die Musik und die Jagd, dafür hatte der sonst so in sich zurückgezogene Fürst ein lebhaftes In¬ teresse. Seine erste Frau, die spanische Margarete Theresia, „ein gar schwa¬ ches und zartes Frauenbild," die von ihrer steifen spanischen Hofhaltung umgeben, in stiller Zurückgezogenheit den ganzen Tag mit Beten und Arbeiten für Kirchen und Klöster zubrachte, erbaute den Kaiser durch ihre Frömmigkeit. Sie starb schon 1673 im zweiundzwanzigsten Jahre ihres Lebens. Die zweite Frau dagegen, Claudia Felicitas von Tirol, „eine wohlgewachsene Person/' welche auch schon 1676 im dreiundzwanzigstcn Lebensjahre starb, wußte durch ihren lebhaften Geist und guten Humor sowie durch lebhafte Theilnahme an den Vergnügungen des Kaisers ihn etwas anzuregen und war nicht ohne vorübergehenden Einfluß auf sein Naturel und seine Regierung. Wenigstens trat seit dieser Verehelichung 1673 die geistreiche Stiefmutter des Kaisers, Eleonore, mehr zurück, die bis dahin im Interesse Frankreichs öfters den Stiefsohn zu leiten vermocht hatte und nun durch den Verkehr mit der so«' irischen Partei den verlorenen Einfluß wieder zu gewinnen suchte/) ') Mit der dritten Frau, Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg vermählte sich der Kai¬ ser 1676. Diese überlebte ihn und starb 65 Jahre alt im Jahre 1720. Drei Kinder aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/466>, abgerufen am 15.01.2025.