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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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nähme als siebente Großmacht war die beste Antwort, welche es auf den Na¬
poleonischen Antrag wegen Spaniens geben konnte. Es ist der Mangel jedes
festen Planes, es rst das Treiben mit den Ereignissen, das Abwarten und
Zuwarten, bis es zu spät, um einzugreifen, das fruchtlose Bestreben es mit
niemand zu verderben, mit einem Wort die Politik der freien Hand, welche
Preußen um sein Ansehn bringt. Vor allem gilt es doch die eignen Interessen
zu wahren, und wir fragen: was haben wir für Schleswig-Holstein erreicht,
was für Kurhessen, wo ist eine Aussicht, die Mittelstaaten unter die preußische
Politik zu beugen? Als das Ministerium ins Amt kam, beeilte Dänemark sich,
die Gesammtverfassung für Holstein und Lauenburg aufzuheben, weil es ein
Einschreiten befürchtete; jetzt hat es diese Furcht verloren, sich unter der Hand
Frankreichs Schutz versichert und wagt n"s' durch England eine weniger un¬
gesetzliche Behandlung Schleswigs anzubieten, wenn man auf die Vertheidi¬
gung gefährdeter holsteinischer Rechte verzichten will. Preußens Erklärung für
die Verfassung von 1831 hat die wackern Hessen bewogen, sich nochmals für
ihr Recht zu erheben; was hat man gethan, um die Durchführung ihrer Ab¬
sichten zu sichern und die Durchführung des letzten Bunbesbeschlusses zu ver¬
hindern? Ist man auch nur einen Schritt mit den Würzburgern weiter ge¬
kommen? Das Project über die Reform der Bundcsarmee mag die Antwort
darauf geben. Weiß man dem preußischen Namen im Auslande Geltung
und Zuneigung zu verschaffe"? Die Fahrt der Lorelcy gibt Auskunft. Hat
man sich für die von Frankreich drohende Gefahr eine Allianz erworben,
baut man etwa sentimental auf das stammverwandte England, das verwandte
russische Fürstenhaus, das konstitutionelle Italien? Das demonstrative und
unfruchtbare Suchen nach Allianzen hat Preußen um jede solide Allianz des
Auslandes gebracht, während durch die nachdrückliche Betonung des formellen
Rechts an allen Orten der Starrsinn der feindlichen deutschen Regierungen
überall gekräftigt wird.

Und mit einer solchen Politik geht man bei schweren innern Conflicten
der drohendsten Zukunft entgegen. Kann dies zum Heile führen, würde Preu¬
ßen so moralische Eroberungen machen, ja würde es nur erfolgreich, was es
hat vertheidigen können? Wer möchte darauf eine bejahende Antwort geben!

Es liegt aber alles daran, daß die pessimistische Auffassung, welche hoff¬
nungslos nicht in den Krieg geht, sondern in den Krieg treibt, gebrochen
werde, und dies zu thun ist die Pflicht des Abgeordnetenhauses. Nicht blos
die innern, sondern auch die äußern Angelegenheiten gehören zu seiner Kom¬
petenz, der auswärtige Minister ist so gut verantwortlich wie der der Justiz
oder der Finanzen. Wir begreifen und ehren die Rücksichten, aus denen bis¬
her die Abgeordneten sich der Regierung gegenüber zurückgehalten und sie
nur zu kräftigen und anzuspornen gesucht haben, aber solche Rücksichten haben


nähme als siebente Großmacht war die beste Antwort, welche es auf den Na¬
poleonischen Antrag wegen Spaniens geben konnte. Es ist der Mangel jedes
festen Planes, es rst das Treiben mit den Ereignissen, das Abwarten und
Zuwarten, bis es zu spät, um einzugreifen, das fruchtlose Bestreben es mit
niemand zu verderben, mit einem Wort die Politik der freien Hand, welche
Preußen um sein Ansehn bringt. Vor allem gilt es doch die eignen Interessen
zu wahren, und wir fragen: was haben wir für Schleswig-Holstein erreicht,
was für Kurhessen, wo ist eine Aussicht, die Mittelstaaten unter die preußische
Politik zu beugen? Als das Ministerium ins Amt kam, beeilte Dänemark sich,
die Gesammtverfassung für Holstein und Lauenburg aufzuheben, weil es ein
Einschreiten befürchtete; jetzt hat es diese Furcht verloren, sich unter der Hand
Frankreichs Schutz versichert und wagt n»s' durch England eine weniger un¬
gesetzliche Behandlung Schleswigs anzubieten, wenn man auf die Vertheidi¬
gung gefährdeter holsteinischer Rechte verzichten will. Preußens Erklärung für
die Verfassung von 1831 hat die wackern Hessen bewogen, sich nochmals für
ihr Recht zu erheben; was hat man gethan, um die Durchführung ihrer Ab¬
sichten zu sichern und die Durchführung des letzten Bunbesbeschlusses zu ver¬
hindern? Ist man auch nur einen Schritt mit den Würzburgern weiter ge¬
kommen? Das Project über die Reform der Bundcsarmee mag die Antwort
darauf geben. Weiß man dem preußischen Namen im Auslande Geltung
und Zuneigung zu verschaffe»? Die Fahrt der Lorelcy gibt Auskunft. Hat
man sich für die von Frankreich drohende Gefahr eine Allianz erworben,
baut man etwa sentimental auf das stammverwandte England, das verwandte
russische Fürstenhaus, das konstitutionelle Italien? Das demonstrative und
unfruchtbare Suchen nach Allianzen hat Preußen um jede solide Allianz des
Auslandes gebracht, während durch die nachdrückliche Betonung des formellen
Rechts an allen Orten der Starrsinn der feindlichen deutschen Regierungen
überall gekräftigt wird.

Und mit einer solchen Politik geht man bei schweren innern Conflicten
der drohendsten Zukunft entgegen. Kann dies zum Heile führen, würde Preu¬
ßen so moralische Eroberungen machen, ja würde es nur erfolgreich, was es
hat vertheidigen können? Wer möchte darauf eine bejahende Antwort geben!

Es liegt aber alles daran, daß die pessimistische Auffassung, welche hoff¬
nungslos nicht in den Krieg geht, sondern in den Krieg treibt, gebrochen
werde, und dies zu thun ist die Pflicht des Abgeordnetenhauses. Nicht blos
die innern, sondern auch die äußern Angelegenheiten gehören zu seiner Kom¬
petenz, der auswärtige Minister ist so gut verantwortlich wie der der Justiz
oder der Finanzen. Wir begreifen und ehren die Rücksichten, aus denen bis¬
her die Abgeordneten sich der Regierung gegenüber zurückgehalten und sie
nur zu kräftigen und anzuspornen gesucht haben, aber solche Rücksichten haben


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[0464] nähme als siebente Großmacht war die beste Antwort, welche es auf den Na¬ poleonischen Antrag wegen Spaniens geben konnte. Es ist der Mangel jedes festen Planes, es rst das Treiben mit den Ereignissen, das Abwarten und Zuwarten, bis es zu spät, um einzugreifen, das fruchtlose Bestreben es mit niemand zu verderben, mit einem Wort die Politik der freien Hand, welche Preußen um sein Ansehn bringt. Vor allem gilt es doch die eignen Interessen zu wahren, und wir fragen: was haben wir für Schleswig-Holstein erreicht, was für Kurhessen, wo ist eine Aussicht, die Mittelstaaten unter die preußische Politik zu beugen? Als das Ministerium ins Amt kam, beeilte Dänemark sich, die Gesammtverfassung für Holstein und Lauenburg aufzuheben, weil es ein Einschreiten befürchtete; jetzt hat es diese Furcht verloren, sich unter der Hand Frankreichs Schutz versichert und wagt n»s' durch England eine weniger un¬ gesetzliche Behandlung Schleswigs anzubieten, wenn man auf die Vertheidi¬ gung gefährdeter holsteinischer Rechte verzichten will. Preußens Erklärung für die Verfassung von 1831 hat die wackern Hessen bewogen, sich nochmals für ihr Recht zu erheben; was hat man gethan, um die Durchführung ihrer Ab¬ sichten zu sichern und die Durchführung des letzten Bunbesbeschlusses zu ver¬ hindern? Ist man auch nur einen Schritt mit den Würzburgern weiter ge¬ kommen? Das Project über die Reform der Bundcsarmee mag die Antwort darauf geben. Weiß man dem preußischen Namen im Auslande Geltung und Zuneigung zu verschaffe»? Die Fahrt der Lorelcy gibt Auskunft. Hat man sich für die von Frankreich drohende Gefahr eine Allianz erworben, baut man etwa sentimental auf das stammverwandte England, das verwandte russische Fürstenhaus, das konstitutionelle Italien? Das demonstrative und unfruchtbare Suchen nach Allianzen hat Preußen um jede solide Allianz des Auslandes gebracht, während durch die nachdrückliche Betonung des formellen Rechts an allen Orten der Starrsinn der feindlichen deutschen Regierungen überall gekräftigt wird. Und mit einer solchen Politik geht man bei schweren innern Conflicten der drohendsten Zukunft entgegen. Kann dies zum Heile führen, würde Preu¬ ßen so moralische Eroberungen machen, ja würde es nur erfolgreich, was es hat vertheidigen können? Wer möchte darauf eine bejahende Antwort geben! Es liegt aber alles daran, daß die pessimistische Auffassung, welche hoff¬ nungslos nicht in den Krieg geht, sondern in den Krieg treibt, gebrochen werde, und dies zu thun ist die Pflicht des Abgeordnetenhauses. Nicht blos die innern, sondern auch die äußern Angelegenheiten gehören zu seiner Kom¬ petenz, der auswärtige Minister ist so gut verantwortlich wie der der Justiz oder der Finanzen. Wir begreifen und ehren die Rücksichten, aus denen bis¬ her die Abgeordneten sich der Regierung gegenüber zurückgehalten und sie nur zu kräftigen und anzuspornen gesucht haben, aber solche Rücksichten haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/464>, abgerufen am 15.01.2025.