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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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der wirksamen Unterstützung der Fürsten von Baden, Weimar und Coburg
um diese versuche i>n Keime abzuschneiden. Die Vorgänge sind indeß nicht ge-
heim geblieben, und ob Napoleon darin eine thatsächliche Bestätigung der
Einigkeit der dentschen Souveräne gefunden hat, müssen wir bezweifeln.
Wir wenigstens haben durch nichts die Aeußerung der Preußischen Zeitung
gerechtfertigt gefunden, daß die Hoffnung auf die Annäherung derjenigen,
deutschen Regierungen, welche bisher andern Auffassungen folgten als Preu¬
ßen, nie begründeter gewesen, als nach den Tagen Von Baden, wir haben
vielmehr den Beweis des Gegentheils gefunden in der Fortsetzung der Trias-
bcstrebnngen für die Bundeöarmcereform.

Anders schien es allerdings mit Oestreich zu stehen. Der Regent hatte
in Baden den Fürstenvgesagt, er werde sie benachrichtigen, wenn eine An¬
näherung an das Wiener Cabinet stattgefunden haben würde. Der Anfang
dazu wurde ebenda dnrch die Vermittlung des Großherzogs von Baden ge-
macht. Bald darauf schrieb der Kaiser an den Regenten, die Zusammenkunft
in Teplitz ward verabredet. Bei derselben ist weder zwischen den Souveränen,
noch den Ministern, welche sie begleiteten, von Uebernahme bindender Ver¬
pflichtungen die Rede gewesen. Der Wunsch der Garantie Venetiens wurde -
prenßischcrseits sogleich abgelehnt, man erklärte, an dem Grundsatz der Nicht-
intcrvention festhalten zu wollen auch im Falle eines Angriffs Italiens gegen
Venetien; dagegen wurde der kaiserlichen Regierung Preußens Hülfe in Aus¬
sicht gestellt, wenn in einem solchen Kampfe Frankreich zum zweitenmal" Sar¬
dinien unterstützen sollte. Aber auch diese Zusage wurde von Bedingungen
abhängig gemacht, welche ihr jeden bindenden Charakter nahmen. Wenn
Preußen, so erklärte man, Oestreich wirksam unterstützen solle, so müsse das¬
selbe seine deutsche und innere Politik in einer Weise ändern, welche den
Widerstand der öffentlichen Meinung in Preußen gegen eine Annäherung von
Oestreich beseitige, es dürfe einer Herstellung des Rechts in Kurhessen'und den
Herzogthümern nicht in den Weg treten, es müsse ans das Protektorat der
mittclstaatlichcn Opposition gegen Preußen verzichten, es habe im eignen Hause
den Forderungen der Zeit gerecht zu werden, um sich wieder die Sympathien
in Norddeutschland zu erwerben.

Danach war die Teplitzer Zusammenkunft sehr weit von einer Coalition
entfernt. Aber noch mehr war es die Warschauer Begegnung der drei Souve¬
räne von Rußland, Preußen und Oestreich. Wie wurden die Hoffnungen der
Legitimisten getäuscht, welche davon eine Wiederbelebung der heiligen Allianz
erwarteten! Der Kaiser von Oestreich hatte die Einladung durch mühsame
Verhandlungen hochgestellter Personen herbeigeführt; aber Fürst Gortsch'akoff
ist ein kalter praktischer Kopf und nicht geneigt aus Schwärmerei für ein Prin¬
cip oder aus Rücksichten auf Fremde Interessen Rußlands zu opfern. Es ist


der wirksamen Unterstützung der Fürsten von Baden, Weimar und Coburg
um diese versuche i>n Keime abzuschneiden. Die Vorgänge sind indeß nicht ge-
heim geblieben, und ob Napoleon darin eine thatsächliche Bestätigung der
Einigkeit der dentschen Souveräne gefunden hat, müssen wir bezweifeln.
Wir wenigstens haben durch nichts die Aeußerung der Preußischen Zeitung
gerechtfertigt gefunden, daß die Hoffnung auf die Annäherung derjenigen,
deutschen Regierungen, welche bisher andern Auffassungen folgten als Preu¬
ßen, nie begründeter gewesen, als nach den Tagen Von Baden, wir haben
vielmehr den Beweis des Gegentheils gefunden in der Fortsetzung der Trias-
bcstrebnngen für die Bundeöarmcereform.

Anders schien es allerdings mit Oestreich zu stehen. Der Regent hatte
in Baden den Fürstenvgesagt, er werde sie benachrichtigen, wenn eine An¬
näherung an das Wiener Cabinet stattgefunden haben würde. Der Anfang
dazu wurde ebenda dnrch die Vermittlung des Großherzogs von Baden ge-
macht. Bald darauf schrieb der Kaiser an den Regenten, die Zusammenkunft
in Teplitz ward verabredet. Bei derselben ist weder zwischen den Souveränen,
noch den Ministern, welche sie begleiteten, von Uebernahme bindender Ver¬
pflichtungen die Rede gewesen. Der Wunsch der Garantie Venetiens wurde -
prenßischcrseits sogleich abgelehnt, man erklärte, an dem Grundsatz der Nicht-
intcrvention festhalten zu wollen auch im Falle eines Angriffs Italiens gegen
Venetien; dagegen wurde der kaiserlichen Regierung Preußens Hülfe in Aus¬
sicht gestellt, wenn in einem solchen Kampfe Frankreich zum zweitenmal« Sar¬
dinien unterstützen sollte. Aber auch diese Zusage wurde von Bedingungen
abhängig gemacht, welche ihr jeden bindenden Charakter nahmen. Wenn
Preußen, so erklärte man, Oestreich wirksam unterstützen solle, so müsse das¬
selbe seine deutsche und innere Politik in einer Weise ändern, welche den
Widerstand der öffentlichen Meinung in Preußen gegen eine Annäherung von
Oestreich beseitige, es dürfe einer Herstellung des Rechts in Kurhessen'und den
Herzogthümern nicht in den Weg treten, es müsse ans das Protektorat der
mittclstaatlichcn Opposition gegen Preußen verzichten, es habe im eignen Hause
den Forderungen der Zeit gerecht zu werden, um sich wieder die Sympathien
in Norddeutschland zu erwerben.

Danach war die Teplitzer Zusammenkunft sehr weit von einer Coalition
entfernt. Aber noch mehr war es die Warschauer Begegnung der drei Souve¬
räne von Rußland, Preußen und Oestreich. Wie wurden die Hoffnungen der
Legitimisten getäuscht, welche davon eine Wiederbelebung der heiligen Allianz
erwarteten! Der Kaiser von Oestreich hatte die Einladung durch mühsame
Verhandlungen hochgestellter Personen herbeigeführt; aber Fürst Gortsch'akoff
ist ein kalter praktischer Kopf und nicht geneigt aus Schwärmerei für ein Prin¬
cip oder aus Rücksichten auf Fremde Interessen Rußlands zu opfern. Es ist


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[0462] der wirksamen Unterstützung der Fürsten von Baden, Weimar und Coburg um diese versuche i>n Keime abzuschneiden. Die Vorgänge sind indeß nicht ge- heim geblieben, und ob Napoleon darin eine thatsächliche Bestätigung der Einigkeit der dentschen Souveräne gefunden hat, müssen wir bezweifeln. Wir wenigstens haben durch nichts die Aeußerung der Preußischen Zeitung gerechtfertigt gefunden, daß die Hoffnung auf die Annäherung derjenigen, deutschen Regierungen, welche bisher andern Auffassungen folgten als Preu¬ ßen, nie begründeter gewesen, als nach den Tagen Von Baden, wir haben vielmehr den Beweis des Gegentheils gefunden in der Fortsetzung der Trias- bcstrebnngen für die Bundeöarmcereform. Anders schien es allerdings mit Oestreich zu stehen. Der Regent hatte in Baden den Fürstenvgesagt, er werde sie benachrichtigen, wenn eine An¬ näherung an das Wiener Cabinet stattgefunden haben würde. Der Anfang dazu wurde ebenda dnrch die Vermittlung des Großherzogs von Baden ge- macht. Bald darauf schrieb der Kaiser an den Regenten, die Zusammenkunft in Teplitz ward verabredet. Bei derselben ist weder zwischen den Souveränen, noch den Ministern, welche sie begleiteten, von Uebernahme bindender Ver¬ pflichtungen die Rede gewesen. Der Wunsch der Garantie Venetiens wurde - prenßischcrseits sogleich abgelehnt, man erklärte, an dem Grundsatz der Nicht- intcrvention festhalten zu wollen auch im Falle eines Angriffs Italiens gegen Venetien; dagegen wurde der kaiserlichen Regierung Preußens Hülfe in Aus¬ sicht gestellt, wenn in einem solchen Kampfe Frankreich zum zweitenmal« Sar¬ dinien unterstützen sollte. Aber auch diese Zusage wurde von Bedingungen abhängig gemacht, welche ihr jeden bindenden Charakter nahmen. Wenn Preußen, so erklärte man, Oestreich wirksam unterstützen solle, so müsse das¬ selbe seine deutsche und innere Politik in einer Weise ändern, welche den Widerstand der öffentlichen Meinung in Preußen gegen eine Annäherung von Oestreich beseitige, es dürfe einer Herstellung des Rechts in Kurhessen'und den Herzogthümern nicht in den Weg treten, es müsse ans das Protektorat der mittclstaatlichcn Opposition gegen Preußen verzichten, es habe im eignen Hause den Forderungen der Zeit gerecht zu werden, um sich wieder die Sympathien in Norddeutschland zu erwerben. Danach war die Teplitzer Zusammenkunft sehr weit von einer Coalition entfernt. Aber noch mehr war es die Warschauer Begegnung der drei Souve¬ räne von Rußland, Preußen und Oestreich. Wie wurden die Hoffnungen der Legitimisten getäuscht, welche davon eine Wiederbelebung der heiligen Allianz erwarteten! Der Kaiser von Oestreich hatte die Einladung durch mühsame Verhandlungen hochgestellter Personen herbeigeführt; aber Fürst Gortsch'akoff ist ein kalter praktischer Kopf und nicht geneigt aus Schwärmerei für ein Prin¬ cip oder aus Rücksichten auf Fremde Interessen Rußlands zu opfern. Es ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/462>, abgerufen am 16.01.2025.