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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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recht eigentlich persönlich für seine Politik eintrat und ihr Ausdruck verlieh.
Er zeigte den Fürsten, die er um sich versammelt hatte, daß er offnes Spiel
wollte. Er. der nur den verlockenden Anerbietungen von Ost und West sein
Ohr zu leihen brauchte, um den Vertriebnen italienischen Souveränen die
Gesellschaft zahlreicher deutscher Vettern zu verschaffen, trat für die Integri¬
tät des deutschen Gebiets auf. er trat aber auch persönlich für die liberale
Richtung seines Ministeriums ein und erklärte, daß er an dem bisher einge¬
schlagenen Wege festhalten werde. Daß ein solches Verhalten in Deutschland
die lebhafteste Befriedigung erregte und sogar die Anerkennung der mißgün¬
stigen englischen Presse errang, ist begreiflich, aber vielleicht hat man doch in
der Freude über das persönliche Verdienst des Prinzen die politischen Folgen
der Zusammenkunft sich nicht ganz klar vergegenwärtigt. Die Badener Zu¬
sammenkunft war angenommen, weil man. Napoleon nicht durch eine Ab¬
lehnung verletzen wollte. Mau übersah dabei, daß mit der preußischen Er¬
klärung, es dürfe von keiner Abtretung auch nur eines deutschen Dorfes die
Rede sein, für den Kaiser der beabsichtigte Besuch jedes Zweckes entbehrte;
wollte er Deutschland beruhigen, so konnte dies in viel wirksamerer Weise
durch den Moniteur oder eine Rede geschehen. Da er einmal die Zusammen¬
kunft nachgesucht, konnte er sie freilich auch nicht vermeiden, als sie inhaltlos
geworden. Ein solcher Besuch zählte nun schon an sich nicht zu den Annehm¬
lichkeiten, noch weniger aber konnte es ihn angenehm berühren, die Erklärung
seiner Friedensliebe indirect erwidert zu sehen durch das gegenseitige Ver¬
sprechen der deutschen Fürsten, für die Integrität des Bundesgebiets einstehen
zurollen. Der einzige Wunsch, den er aussprach. es möge der Tendenz der
deutschen Presse, Mißtrauen gegen Frankreich zu verbreiten, gesteuert werden,
wurde abgelehnt. Nimmt, man dazu noch das Verhalten des Publicums in
Baden, das den Prinzregenten'begeistert, den Kaiser dagegen mißtrauisch auf¬
nahm, so glauben wir nicht, daß der letztere Ursache hatte, mit dem Resultat
seines Ausfluges sehr zufrieden zu sein, und wenn die vorsichtigen Männer in
Berlin fürchteten, ihn.durch eine Ablehnung der Zusammenkunft zu kränken,
so hat sicher der Besuch einen schärfen, Stachel in ihm zurückgelassen, als
eine einfache Zurückweisung der vertraulichen Aufforderung es je hätte thun
können. Aber in einem noch wichtigern Punkte haben die Badener Tage
>dren Zweck verfehlt. Die Einigkeit der deutschen Bundesfürsten sollte dort einen
Ausdruck finden, sie that dies auch gegen Napoleon; aber kaum war derselbe
abgereist, als die bedenklichsten Meinungsverschiedenheiten sich zeigten. Mehrere
Fürsten, statt dem Prinzregcntcn ihre Anerkennung für seine uneigennützige
und mannhafte Haltung praktisch zu beweisen, forderten, daß er seine Politik
andre, die Triasidee in der Armeereform annehme, den Nationaluerein unter¬
drücke u, s. w,; es bedürfte der klugen und festen Haltung des Regenten und


Grenzboten IV, 1860. 57

recht eigentlich persönlich für seine Politik eintrat und ihr Ausdruck verlieh.
Er zeigte den Fürsten, die er um sich versammelt hatte, daß er offnes Spiel
wollte. Er. der nur den verlockenden Anerbietungen von Ost und West sein
Ohr zu leihen brauchte, um den Vertriebnen italienischen Souveränen die
Gesellschaft zahlreicher deutscher Vettern zu verschaffen, trat für die Integri¬
tät des deutschen Gebiets auf. er trat aber auch persönlich für die liberale
Richtung seines Ministeriums ein und erklärte, daß er an dem bisher einge¬
schlagenen Wege festhalten werde. Daß ein solches Verhalten in Deutschland
die lebhafteste Befriedigung erregte und sogar die Anerkennung der mißgün¬
stigen englischen Presse errang, ist begreiflich, aber vielleicht hat man doch in
der Freude über das persönliche Verdienst des Prinzen die politischen Folgen
der Zusammenkunft sich nicht ganz klar vergegenwärtigt. Die Badener Zu¬
sammenkunft war angenommen, weil man. Napoleon nicht durch eine Ab¬
lehnung verletzen wollte. Mau übersah dabei, daß mit der preußischen Er¬
klärung, es dürfe von keiner Abtretung auch nur eines deutschen Dorfes die
Rede sein, für den Kaiser der beabsichtigte Besuch jedes Zweckes entbehrte;
wollte er Deutschland beruhigen, so konnte dies in viel wirksamerer Weise
durch den Moniteur oder eine Rede geschehen. Da er einmal die Zusammen¬
kunft nachgesucht, konnte er sie freilich auch nicht vermeiden, als sie inhaltlos
geworden. Ein solcher Besuch zählte nun schon an sich nicht zu den Annehm¬
lichkeiten, noch weniger aber konnte es ihn angenehm berühren, die Erklärung
seiner Friedensliebe indirect erwidert zu sehen durch das gegenseitige Ver¬
sprechen der deutschen Fürsten, für die Integrität des Bundesgebiets einstehen
zurollen. Der einzige Wunsch, den er aussprach. es möge der Tendenz der
deutschen Presse, Mißtrauen gegen Frankreich zu verbreiten, gesteuert werden,
wurde abgelehnt. Nimmt, man dazu noch das Verhalten des Publicums in
Baden, das den Prinzregenten'begeistert, den Kaiser dagegen mißtrauisch auf¬
nahm, so glauben wir nicht, daß der letztere Ursache hatte, mit dem Resultat
seines Ausfluges sehr zufrieden zu sein, und wenn die vorsichtigen Männer in
Berlin fürchteten, ihn.durch eine Ablehnung der Zusammenkunft zu kränken,
so hat sicher der Besuch einen schärfen, Stachel in ihm zurückgelassen, als
eine einfache Zurückweisung der vertraulichen Aufforderung es je hätte thun
können. Aber in einem noch wichtigern Punkte haben die Badener Tage
>dren Zweck verfehlt. Die Einigkeit der deutschen Bundesfürsten sollte dort einen
Ausdruck finden, sie that dies auch gegen Napoleon; aber kaum war derselbe
abgereist, als die bedenklichsten Meinungsverschiedenheiten sich zeigten. Mehrere
Fürsten, statt dem Prinzregcntcn ihre Anerkennung für seine uneigennützige
und mannhafte Haltung praktisch zu beweisen, forderten, daß er seine Politik
andre, die Triasidee in der Armeereform annehme, den Nationaluerein unter¬
drücke u, s. w,; es bedürfte der klugen und festen Haltung des Regenten und


Grenzboten IV, 1860. 57
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[0461] recht eigentlich persönlich für seine Politik eintrat und ihr Ausdruck verlieh. Er zeigte den Fürsten, die er um sich versammelt hatte, daß er offnes Spiel wollte. Er. der nur den verlockenden Anerbietungen von Ost und West sein Ohr zu leihen brauchte, um den Vertriebnen italienischen Souveränen die Gesellschaft zahlreicher deutscher Vettern zu verschaffen, trat für die Integri¬ tät des deutschen Gebiets auf. er trat aber auch persönlich für die liberale Richtung seines Ministeriums ein und erklärte, daß er an dem bisher einge¬ schlagenen Wege festhalten werde. Daß ein solches Verhalten in Deutschland die lebhafteste Befriedigung erregte und sogar die Anerkennung der mißgün¬ stigen englischen Presse errang, ist begreiflich, aber vielleicht hat man doch in der Freude über das persönliche Verdienst des Prinzen die politischen Folgen der Zusammenkunft sich nicht ganz klar vergegenwärtigt. Die Badener Zu¬ sammenkunft war angenommen, weil man. Napoleon nicht durch eine Ab¬ lehnung verletzen wollte. Mau übersah dabei, daß mit der preußischen Er¬ klärung, es dürfe von keiner Abtretung auch nur eines deutschen Dorfes die Rede sein, für den Kaiser der beabsichtigte Besuch jedes Zweckes entbehrte; wollte er Deutschland beruhigen, so konnte dies in viel wirksamerer Weise durch den Moniteur oder eine Rede geschehen. Da er einmal die Zusammen¬ kunft nachgesucht, konnte er sie freilich auch nicht vermeiden, als sie inhaltlos geworden. Ein solcher Besuch zählte nun schon an sich nicht zu den Annehm¬ lichkeiten, noch weniger aber konnte es ihn angenehm berühren, die Erklärung seiner Friedensliebe indirect erwidert zu sehen durch das gegenseitige Ver¬ sprechen der deutschen Fürsten, für die Integrität des Bundesgebiets einstehen zurollen. Der einzige Wunsch, den er aussprach. es möge der Tendenz der deutschen Presse, Mißtrauen gegen Frankreich zu verbreiten, gesteuert werden, wurde abgelehnt. Nimmt, man dazu noch das Verhalten des Publicums in Baden, das den Prinzregenten'begeistert, den Kaiser dagegen mißtrauisch auf¬ nahm, so glauben wir nicht, daß der letztere Ursache hatte, mit dem Resultat seines Ausfluges sehr zufrieden zu sein, und wenn die vorsichtigen Männer in Berlin fürchteten, ihn.durch eine Ablehnung der Zusammenkunft zu kränken, so hat sicher der Besuch einen schärfen, Stachel in ihm zurückgelassen, als eine einfache Zurückweisung der vertraulichen Aufforderung es je hätte thun können. Aber in einem noch wichtigern Punkte haben die Badener Tage >dren Zweck verfehlt. Die Einigkeit der deutschen Bundesfürsten sollte dort einen Ausdruck finden, sie that dies auch gegen Napoleon; aber kaum war derselbe abgereist, als die bedenklichsten Meinungsverschiedenheiten sich zeigten. Mehrere Fürsten, statt dem Prinzregcntcn ihre Anerkennung für seine uneigennützige und mannhafte Haltung praktisch zu beweisen, forderten, daß er seine Politik andre, die Triasidee in der Armeereform annehme, den Nationaluerein unter¬ drücke u, s. w,; es bedürfte der klugen und festen Haltung des Regenten und Grenzboten IV, 1860. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/461>, abgerufen am 16.01.2025.