materiellen Güter des Volkes preis. Das Eoncordat sollte Oestreich in die finstersten Zeiten des Mittelalters zurückdrängen, es erinnerte um den Ursprung des katholischen Einheitsstaates unter dem großen Karl, der mit den Send¬ boten sein weites Reich leitete, und die sreie" Sachsen durch die Taufe unter sein Joch zwang, nur strahlte von seinem Hofe anch das Licht alles Wissens jener Zeit, und die Kirche griff nicht nach den schönsten Juwelen seiner Krone, sondern empfing den Hirtenstab aus seinen Händen. Der Segen, den man sich auf dieser Bahn gesichert, offenbarte sich beim ersten Kanonenschuß im Jahre 18S9. Der Credit, der durch den langen Frieden und die Kunst des klugen Finanzministers wiedergewonnen schien, war zerrütteter als je, der Krieg allein erschütterte ihn nicht, denn eine Vermehrung der Staatsschuld um 200 Millionen führt bei so reichen Hilfsquellen noch zu keinem Staatsbankerott, das Vertrauen in die Regierung, in den Bestand der gegenwärtigen Verwaltung war gesunken, man frug sich: Wird auch das Volk für sie einstehn? Das Volk, dem man nicht einmal ein offenes und biederes Wort vergönnte, das Volk, dem man die selbstgewährtcn Rechte nahm, und dafür römischen Geistesdruck auflegte, das Volk, dem man mir immer mehr Steuern und Rekruten abheischte. aber jede Bitte um politische Freiheit zum Verbrechen rechnete, dieses Volk, das liegt auf offener Hand, ist theilnahmlos am Schicksal seiner Lenker. In unsrer östreichischen Vendee, in Tirol, auf dem blutigen Boden der für Habsburg im Jahre 1809 gefallenen Helden, trat dies eben recht deutlich zu Tage. Selbst unsre Beamten vermochten auf die eifrige Nachfrage nach der alten Anhänglich¬ keit an das Herrscherhaus nicht die von oben gewünschte Antwort zu geben, und kein Erlaß des Kaisers wird sie uns einreden. Nicht sie, die hohen Tag¬ gelder, die man, um dem angedrohten Looszwang auszuweichen, den Schützen zusicherte, stellten diese ins Feld. Wie gering das Vertrauen war, das man in die Regierung setzte, zeigte z. B. die Aeußerung eines Gemeindevorstehers von Oberinnthal, der unserm Erzherzog-Statthalter das Ausrücken seiner Leute nur unter der Bedingung zusagte: "daß man ihnen nichts mehr verspreche." Unsre Aelpler dachten an die Jahre 1809, 1813 und 1848. Andere Provinzen des Kaiserstaates werden sich kaum eines größeren rühmen. Welche Hilfe der Staat von dem verhätschelten katholischen Klerus erwarten darf, beweisen dessen Spen¬ den in der Kriegsnoth von 1859; er empfängt lieber als er gibt, und vertröstet zweideutig wie alle Orakel auf Se. Michaels Rache.*) Man kennt seinen schlecht verhehlten Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Dinge, man kennt sein Trachten nach der Knechtung des Geistes, der Bund mit ihm erbittert selbst den gemeinen Mann. Auch in der Stimmung der Armee trat seit dem letzten Kriege ein merklicher Umschlag ein.; es lebt in ihr ein blutiges Gedächtniß an ihre Führer, an die Versorgung vor, die Pflege nach der Schlacht. Nicht
') P. Klinkowström in Wien. S. A. A. Z, vom I, 18SS Ur. 162.
materiellen Güter des Volkes preis. Das Eoncordat sollte Oestreich in die finstersten Zeiten des Mittelalters zurückdrängen, es erinnerte um den Ursprung des katholischen Einheitsstaates unter dem großen Karl, der mit den Send¬ boten sein weites Reich leitete, und die sreie» Sachsen durch die Taufe unter sein Joch zwang, nur strahlte von seinem Hofe anch das Licht alles Wissens jener Zeit, und die Kirche griff nicht nach den schönsten Juwelen seiner Krone, sondern empfing den Hirtenstab aus seinen Händen. Der Segen, den man sich auf dieser Bahn gesichert, offenbarte sich beim ersten Kanonenschuß im Jahre 18S9. Der Credit, der durch den langen Frieden und die Kunst des klugen Finanzministers wiedergewonnen schien, war zerrütteter als je, der Krieg allein erschütterte ihn nicht, denn eine Vermehrung der Staatsschuld um 200 Millionen führt bei so reichen Hilfsquellen noch zu keinem Staatsbankerott, das Vertrauen in die Regierung, in den Bestand der gegenwärtigen Verwaltung war gesunken, man frug sich: Wird auch das Volk für sie einstehn? Das Volk, dem man nicht einmal ein offenes und biederes Wort vergönnte, das Volk, dem man die selbstgewährtcn Rechte nahm, und dafür römischen Geistesdruck auflegte, das Volk, dem man mir immer mehr Steuern und Rekruten abheischte. aber jede Bitte um politische Freiheit zum Verbrechen rechnete, dieses Volk, das liegt auf offener Hand, ist theilnahmlos am Schicksal seiner Lenker. In unsrer östreichischen Vendee, in Tirol, auf dem blutigen Boden der für Habsburg im Jahre 1809 gefallenen Helden, trat dies eben recht deutlich zu Tage. Selbst unsre Beamten vermochten auf die eifrige Nachfrage nach der alten Anhänglich¬ keit an das Herrscherhaus nicht die von oben gewünschte Antwort zu geben, und kein Erlaß des Kaisers wird sie uns einreden. Nicht sie, die hohen Tag¬ gelder, die man, um dem angedrohten Looszwang auszuweichen, den Schützen zusicherte, stellten diese ins Feld. Wie gering das Vertrauen war, das man in die Regierung setzte, zeigte z. B. die Aeußerung eines Gemeindevorstehers von Oberinnthal, der unserm Erzherzog-Statthalter das Ausrücken seiner Leute nur unter der Bedingung zusagte: „daß man ihnen nichts mehr verspreche." Unsre Aelpler dachten an die Jahre 1809, 1813 und 1848. Andere Provinzen des Kaiserstaates werden sich kaum eines größeren rühmen. Welche Hilfe der Staat von dem verhätschelten katholischen Klerus erwarten darf, beweisen dessen Spen¬ den in der Kriegsnoth von 1859; er empfängt lieber als er gibt, und vertröstet zweideutig wie alle Orakel auf Se. Michaels Rache.*) Man kennt seinen schlecht verhehlten Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Dinge, man kennt sein Trachten nach der Knechtung des Geistes, der Bund mit ihm erbittert selbst den gemeinen Mann. Auch in der Stimmung der Armee trat seit dem letzten Kriege ein merklicher Umschlag ein.; es lebt in ihr ein blutiges Gedächtniß an ihre Führer, an die Versorgung vor, die Pflege nach der Schlacht. Nicht
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des katholischen Einheitsstaates unter dem großen Karl, der mit den Send¬
boten sein weites Reich leitete, und die sreie» Sachsen durch die Taufe unter
sein Joch zwang, nur strahlte von seinem Hofe anch das Licht alles Wissens
jener Zeit, und die Kirche griff nicht nach den schönsten Juwelen seiner Krone,
sondern empfing den Hirtenstab aus seinen Händen. Der Segen, den man
sich auf dieser Bahn gesichert, offenbarte sich beim ersten Kanonenschuß im Jahre
18S9. Der Credit, der durch den langen Frieden und die Kunst des klugen
Finanzministers wiedergewonnen schien, war zerrütteter als je, der Krieg allein
erschütterte ihn nicht, denn eine Vermehrung der Staatsschuld um 200 Millionen
führt bei so reichen Hilfsquellen noch zu keinem Staatsbankerott, das Vertrauen
in die Regierung, in den Bestand der gegenwärtigen Verwaltung war gesunken,
man frug sich: Wird auch das Volk für sie einstehn? Das Volk, dem man
nicht einmal ein offenes und biederes Wort vergönnte, das Volk, dem man
die selbstgewährtcn Rechte nahm, und dafür römischen Geistesdruck auflegte,
das Volk, dem man mir immer mehr Steuern und Rekruten abheischte. aber
jede Bitte um politische Freiheit zum Verbrechen rechnete, dieses Volk, das liegt
auf offener Hand, ist theilnahmlos am Schicksal seiner Lenker. In unsrer
östreichischen Vendee, in Tirol, auf dem blutigen Boden der für Habsburg im
Jahre 1809 gefallenen Helden, trat dies eben recht deutlich zu Tage. Selbst
unsre Beamten vermochten auf die eifrige Nachfrage nach der alten Anhänglich¬
keit an das Herrscherhaus nicht die von oben gewünschte Antwort zu geben,
und kein Erlaß des Kaisers wird sie uns einreden. Nicht sie, die hohen Tag¬
gelder, die man, um dem angedrohten Looszwang auszuweichen, den Schützen
zusicherte, stellten diese ins Feld. Wie gering das Vertrauen war, das man in
die Regierung setzte, zeigte z. B. die Aeußerung eines Gemeindevorstehers von
Oberinnthal, der unserm Erzherzog-Statthalter das Ausrücken seiner Leute nur
unter der Bedingung zusagte: „daß man ihnen nichts mehr verspreche." Unsre
Aelpler dachten an die Jahre 1809, 1813 und 1848. Andere Provinzen des
Kaiserstaates werden sich kaum eines größeren rühmen. Welche Hilfe der Staat
von dem verhätschelten katholischen Klerus erwarten darf, beweisen dessen Spen¬
den in der Kriegsnoth von 1859; er empfängt lieber als er gibt, und vertröstet
zweideutig wie alle Orakel auf Se. Michaels Rache.*) Man kennt seinen schlecht
verhehlten Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Dinge, man kennt sein
Trachten nach der Knechtung des Geistes, der Bund mit ihm erbittert selbst
den gemeinen Mann. Auch in der Stimmung der Armee trat seit dem letzten
Kriege ein merklicher Umschlag ein.; es lebt in ihr ein blutiges Gedächtniß
an ihre Führer, an die Versorgung vor, die Pflege nach der Schlacht. Nicht
') P. Klinkowström in Wien. S. A. A. Z, vom I, 18SS Ur. 162.
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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/46>, abgerufen am 25.01.2025.
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