Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.von Anfang ein in der italienischen Frage Frankreich fecundirt; von ihm ging von Anfang ein in der italienischen Frage Frankreich fecundirt; von ihm ging <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110790"/> <p xml:id="ID_1347" prev="#ID_1346"> von Anfang ein in der italienischen Frage Frankreich fecundirt; von ihm ging<lb/> der Vorschlag des Congresses aus. der Lord Cowleys Sendung kreuzte, als<lb/> sie ein Resultat geben zu wollen schien; erbittert über Oestreichs Verhalten in<lb/> der orientalischen Frage wünschte Fürst Gortschakoff dessen Niederlage, wie<lb/> hätte man erwarten sollen, daß er gegen Frankreich fest auftreten werde! Eng¬<lb/> land hatte seit dem Scheitern seiner Vermittlung sich immer schlaffer gezeigt,<lb/> es hatte gemeinsam mit Rahland gegen das östreichische Ultimatum pro-<lb/> testirt, Lord Malmesbury hatte den deutschen Küstenstaaten am 6, Mai<lb/> eine Depesche übergeben lassen, wodurch sie auf das dringendste von<lb/> einem Kriege gegen Frankreich abgemahnt wurden, für den es keine<lb/> Ursache gebe; sollte aber Deutschland so übel berathen sein, mit Frank¬<lb/> reich Krieg anzufangen, so habe es nicht die geringste Hilfe von England<lb/> zu erwarten. Weit entschiedner noch ließ sich die Abmahnung Englands<lb/> hören, als bald darauf das Ministerium Derby, das in der Gesinnung wenig¬<lb/> stens einer Veränderung des Tenitorialbestandes in Italien entgegen war.<lb/> Palmerston das Feld geräumt und von diesem Lord John Russell sich aus¬<lb/> drücklich das auswärtige Amt ausbedungen hatte, um für seine italienischen<lb/> Zwecke zu arbeiten. Man kennt seine famose Depesche vom 22. Juni an<lb/> Lord Bloomficld. in der er^ Preußen Frieden predigt. Mit solchen Bundes¬<lb/> genossen war jede Vermittlung unmöglich, und wir vermögen uns schwer<lb/> vorzustellen, was die berliner Diplomaten beabsichtigten, indem sie diesen<lb/> Weg einschlugen, wenn sie nicht meinten, eben nur durch Hin- und Herver¬<lb/> handeln das kriegerische Vorgehen zu vereiteln. Erst am 27. Juni ging eine<lb/> Depesche (datirt vom 24. Juni) nach London und Petersburg, welche<lb/> gar keine Basis der Vermittlung aufstellte, sondern dieselbe nur ebenso drin¬<lb/> gend als allgemein empfahl. Dieser unfruchtbare Versuch hatte aber noch<lb/> einen andern Nachtheil. Indem Preußen sich an England und Rußland wandte,<lb/> verzichtete es auf ein selbständiges Vorgehen und band sich selbst die Hände;<lb/> denn eine Nichtbeachtung der russischen und englischen Antworten hätte es<lb/> wirklich in eine schlechte Stellung zu beiden Mächten gebracht. Lord John<lb/> Russells wie Gvrtschakoffs Bestreben aber war vor allem, Preußen vom Kriege<lb/> gegen Frankreich zurückzuhalten, also die Unterhandlungen möglichst hinzu¬<lb/> ziehen. Sie erklärten nach Berlin im Allgemeinen ihre Bereitwilligkeit, im<lb/> geeigneten Momente zu vermitteln, gaben aber natürlich auch ihrerseits<lb/> keine Grundlage dafür an. Ebenso wenig sprach sich die Regierung gegen<lb/> ihre deutschen Verbündeten klar über ihre Absichten aus; in der am 24. Juni<lb/> an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen erlassenen Cir-<lb/> culardepesche heißt es am Schluß: „Gestützt auf eine starke Militäraufstellung<lb/> gedenken wir, die Friedensfrage, unter Anstrcbung der Erhaltung des östrei¬<lb/> chischen Besitzstandes in Italien, im geeigneten Momente bei den großen<lb/> Cabineten in Anregung zu bringen und mit der Mediation vorzugehen."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
von Anfang ein in der italienischen Frage Frankreich fecundirt; von ihm ging
der Vorschlag des Congresses aus. der Lord Cowleys Sendung kreuzte, als
sie ein Resultat geben zu wollen schien; erbittert über Oestreichs Verhalten in
der orientalischen Frage wünschte Fürst Gortschakoff dessen Niederlage, wie
hätte man erwarten sollen, daß er gegen Frankreich fest auftreten werde! Eng¬
land hatte seit dem Scheitern seiner Vermittlung sich immer schlaffer gezeigt,
es hatte gemeinsam mit Rahland gegen das östreichische Ultimatum pro-
testirt, Lord Malmesbury hatte den deutschen Küstenstaaten am 6, Mai
eine Depesche übergeben lassen, wodurch sie auf das dringendste von
einem Kriege gegen Frankreich abgemahnt wurden, für den es keine
Ursache gebe; sollte aber Deutschland so übel berathen sein, mit Frank¬
reich Krieg anzufangen, so habe es nicht die geringste Hilfe von England
zu erwarten. Weit entschiedner noch ließ sich die Abmahnung Englands
hören, als bald darauf das Ministerium Derby, das in der Gesinnung wenig¬
stens einer Veränderung des Tenitorialbestandes in Italien entgegen war.
Palmerston das Feld geräumt und von diesem Lord John Russell sich aus¬
drücklich das auswärtige Amt ausbedungen hatte, um für seine italienischen
Zwecke zu arbeiten. Man kennt seine famose Depesche vom 22. Juni an
Lord Bloomficld. in der er^ Preußen Frieden predigt. Mit solchen Bundes¬
genossen war jede Vermittlung unmöglich, und wir vermögen uns schwer
vorzustellen, was die berliner Diplomaten beabsichtigten, indem sie diesen
Weg einschlugen, wenn sie nicht meinten, eben nur durch Hin- und Herver¬
handeln das kriegerische Vorgehen zu vereiteln. Erst am 27. Juni ging eine
Depesche (datirt vom 24. Juni) nach London und Petersburg, welche
gar keine Basis der Vermittlung aufstellte, sondern dieselbe nur ebenso drin¬
gend als allgemein empfahl. Dieser unfruchtbare Versuch hatte aber noch
einen andern Nachtheil. Indem Preußen sich an England und Rußland wandte,
verzichtete es auf ein selbständiges Vorgehen und band sich selbst die Hände;
denn eine Nichtbeachtung der russischen und englischen Antworten hätte es
wirklich in eine schlechte Stellung zu beiden Mächten gebracht. Lord John
Russells wie Gvrtschakoffs Bestreben aber war vor allem, Preußen vom Kriege
gegen Frankreich zurückzuhalten, also die Unterhandlungen möglichst hinzu¬
ziehen. Sie erklärten nach Berlin im Allgemeinen ihre Bereitwilligkeit, im
geeigneten Momente zu vermitteln, gaben aber natürlich auch ihrerseits
keine Grundlage dafür an. Ebenso wenig sprach sich die Regierung gegen
ihre deutschen Verbündeten klar über ihre Absichten aus; in der am 24. Juni
an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen erlassenen Cir-
culardepesche heißt es am Schluß: „Gestützt auf eine starke Militäraufstellung
gedenken wir, die Friedensfrage, unter Anstrcbung der Erhaltung des östrei¬
chischen Besitzstandes in Italien, im geeigneten Momente bei den großen
Cabineten in Anregung zu bringen und mit der Mediation vorzugehen."
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