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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Fuß Umfang und eine Schwere von 120 Centnern. Da sie bei solchem Ge¬
wicht nicht gut zu bewegen sind, werden sie mit hölzernen Hämmern geschlagen.

Im Sommer residirt der Kaiser in dem prachtvollen Palast Auenming
Auen, zwei Stunden nordwestlich von Peking. Diese Residenz, deren Name
"der runde und glanzvolle Garten" bedeutet, ist mit ihren Gärten und
Parks nach dem Bericht des französischen Missionärs Attiret so groß wie
die Stadt Dijon. Der Palast besteht aus einer Anzahl von Prachtge¬
bäuden, deren Vorderseiten allenthalben von Gold, Lack und Gemälden
strahlen, und die durch weite Höfe, Pflanzungen, Blumenbeete und Was¬
serflächen getrennt sind. Das Innere ist mit allen erdenklichen Kostbar¬
keiten Chinas, Japans und Indiens und selbst mit Kunsterzeugnissen Europas
geschmückt. Noch mehr Bewunderung erregen die Gärten. Auf einem Flä¬
chenraum von 60,000 englischen Ackern erheben sich zahlreiche künstliche Hügel,
die mit schönen Bäumen bepflanzt sind und zwischen denen sich anmuthige
Bäche hinschlängeln. Die letztern ergießen sich in kleine See", auf denen
prächtige Barken umherfahren. In den Thälern zwischen den Hügeln stehen
200 Lustschlößchen von den mannichfaltigsten Formen, die Giebel werden von Säu¬
len getragen, das Holzwerk ist vergoldet und lackirt, die Dächer sind mit hell¬
rothen, blauen, grünen und gelben Ziegeln in hübschen Mustern bedeckt, die
Treppen aus Felsblöcken gebildet, das Innere gleicht Feenpalästen. Aus dem
einen See endlich erhebt sich auf einer kleinen Insel ein Schloß mit mehr
als hundert Sälen, das selbst europäischer Schönheitssinn bewundern muß,
und von dem man den größten Theil der erwähnten Bauwerke und Anlagen
als Panorama vor sich liegen sieht.

Etwa eine Biertelstunde südöstlich von diesem kaiserlichen Prachtsitz ist das
Lager Uantschewa, wo die acht Banner des mongolischen Kontingents ennuyiren,
wenn sie aus ihrer Heimat jenseits der großen Mauer herberuscn werden. Sie
sind vollzählig 100,000 Mann stark. Wenn diese wilden Kinder der Steppe
die Ordre zum Eintreffen erhalten, so ists wie wenn ein Orkan aus dem Thor
der großen Mauer hervorbräche. Bevor sie in das eigentliche China einziehen,
opfern sie einen der Ihrigen, um in dessen Blut du Spitzen ihrer Waffen zu
tauchen, worauf der gewaltige Neiterschwarm, gefolgt von unermeßlichen Kameel-
zügen mit Gepäck und Proviant, den Weg nach Süden fortsetzt, um sich unter
die Drachenstandarte des Himmelssohns zu stellen.

Ob das die "tartarische Reiterei" ist, welche die Alliirten jetzt zweimal
schon zersprengt haben, wissen wir nicht. War sie es, so hätte das Menschen¬
opfer an den Vierecken der europäischen Infanterie, ihrer Disciplin und ihren treff¬
lichen Schußwaffen seine Kraft verloren. War sie es noch nicht, so stünde
den Verbündeten -- vorausgesetzt, daß der Kaiser seine Mongolen, die ihm
ebenso gefährlich wie seinen Gegnern sind, überhaupt einzuberufen wagt --
der ernsteste Strauß noch bevor.




Fuß Umfang und eine Schwere von 120 Centnern. Da sie bei solchem Ge¬
wicht nicht gut zu bewegen sind, werden sie mit hölzernen Hämmern geschlagen.

Im Sommer residirt der Kaiser in dem prachtvollen Palast Auenming
Auen, zwei Stunden nordwestlich von Peking. Diese Residenz, deren Name
„der runde und glanzvolle Garten" bedeutet, ist mit ihren Gärten und
Parks nach dem Bericht des französischen Missionärs Attiret so groß wie
die Stadt Dijon. Der Palast besteht aus einer Anzahl von Prachtge¬
bäuden, deren Vorderseiten allenthalben von Gold, Lack und Gemälden
strahlen, und die durch weite Höfe, Pflanzungen, Blumenbeete und Was¬
serflächen getrennt sind. Das Innere ist mit allen erdenklichen Kostbar¬
keiten Chinas, Japans und Indiens und selbst mit Kunsterzeugnissen Europas
geschmückt. Noch mehr Bewunderung erregen die Gärten. Auf einem Flä¬
chenraum von 60,000 englischen Ackern erheben sich zahlreiche künstliche Hügel,
die mit schönen Bäumen bepflanzt sind und zwischen denen sich anmuthige
Bäche hinschlängeln. Die letztern ergießen sich in kleine See», auf denen
prächtige Barken umherfahren. In den Thälern zwischen den Hügeln stehen
200 Lustschlößchen von den mannichfaltigsten Formen, die Giebel werden von Säu¬
len getragen, das Holzwerk ist vergoldet und lackirt, die Dächer sind mit hell¬
rothen, blauen, grünen und gelben Ziegeln in hübschen Mustern bedeckt, die
Treppen aus Felsblöcken gebildet, das Innere gleicht Feenpalästen. Aus dem
einen See endlich erhebt sich auf einer kleinen Insel ein Schloß mit mehr
als hundert Sälen, das selbst europäischer Schönheitssinn bewundern muß,
und von dem man den größten Theil der erwähnten Bauwerke und Anlagen
als Panorama vor sich liegen sieht.

Etwa eine Biertelstunde südöstlich von diesem kaiserlichen Prachtsitz ist das
Lager Uantschewa, wo die acht Banner des mongolischen Kontingents ennuyiren,
wenn sie aus ihrer Heimat jenseits der großen Mauer herberuscn werden. Sie
sind vollzählig 100,000 Mann stark. Wenn diese wilden Kinder der Steppe
die Ordre zum Eintreffen erhalten, so ists wie wenn ein Orkan aus dem Thor
der großen Mauer hervorbräche. Bevor sie in das eigentliche China einziehen,
opfern sie einen der Ihrigen, um in dessen Blut du Spitzen ihrer Waffen zu
tauchen, worauf der gewaltige Neiterschwarm, gefolgt von unermeßlichen Kameel-
zügen mit Gepäck und Proviant, den Weg nach Süden fortsetzt, um sich unter
die Drachenstandarte des Himmelssohns zu stellen.

Ob das die „tartarische Reiterei" ist, welche die Alliirten jetzt zweimal
schon zersprengt haben, wissen wir nicht. War sie es, so hätte das Menschen¬
opfer an den Vierecken der europäischen Infanterie, ihrer Disciplin und ihren treff¬
lichen Schußwaffen seine Kraft verloren. War sie es noch nicht, so stünde
den Verbündeten — vorausgesetzt, daß der Kaiser seine Mongolen, die ihm
ebenso gefährlich wie seinen Gegnern sind, überhaupt einzuberufen wagt —
der ernsteste Strauß noch bevor.




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[0436] Fuß Umfang und eine Schwere von 120 Centnern. Da sie bei solchem Ge¬ wicht nicht gut zu bewegen sind, werden sie mit hölzernen Hämmern geschlagen. Im Sommer residirt der Kaiser in dem prachtvollen Palast Auenming Auen, zwei Stunden nordwestlich von Peking. Diese Residenz, deren Name „der runde und glanzvolle Garten" bedeutet, ist mit ihren Gärten und Parks nach dem Bericht des französischen Missionärs Attiret so groß wie die Stadt Dijon. Der Palast besteht aus einer Anzahl von Prachtge¬ bäuden, deren Vorderseiten allenthalben von Gold, Lack und Gemälden strahlen, und die durch weite Höfe, Pflanzungen, Blumenbeete und Was¬ serflächen getrennt sind. Das Innere ist mit allen erdenklichen Kostbar¬ keiten Chinas, Japans und Indiens und selbst mit Kunsterzeugnissen Europas geschmückt. Noch mehr Bewunderung erregen die Gärten. Auf einem Flä¬ chenraum von 60,000 englischen Ackern erheben sich zahlreiche künstliche Hügel, die mit schönen Bäumen bepflanzt sind und zwischen denen sich anmuthige Bäche hinschlängeln. Die letztern ergießen sich in kleine See», auf denen prächtige Barken umherfahren. In den Thälern zwischen den Hügeln stehen 200 Lustschlößchen von den mannichfaltigsten Formen, die Giebel werden von Säu¬ len getragen, das Holzwerk ist vergoldet und lackirt, die Dächer sind mit hell¬ rothen, blauen, grünen und gelben Ziegeln in hübschen Mustern bedeckt, die Treppen aus Felsblöcken gebildet, das Innere gleicht Feenpalästen. Aus dem einen See endlich erhebt sich auf einer kleinen Insel ein Schloß mit mehr als hundert Sälen, das selbst europäischer Schönheitssinn bewundern muß, und von dem man den größten Theil der erwähnten Bauwerke und Anlagen als Panorama vor sich liegen sieht. Etwa eine Biertelstunde südöstlich von diesem kaiserlichen Prachtsitz ist das Lager Uantschewa, wo die acht Banner des mongolischen Kontingents ennuyiren, wenn sie aus ihrer Heimat jenseits der großen Mauer herberuscn werden. Sie sind vollzählig 100,000 Mann stark. Wenn diese wilden Kinder der Steppe die Ordre zum Eintreffen erhalten, so ists wie wenn ein Orkan aus dem Thor der großen Mauer hervorbräche. Bevor sie in das eigentliche China einziehen, opfern sie einen der Ihrigen, um in dessen Blut du Spitzen ihrer Waffen zu tauchen, worauf der gewaltige Neiterschwarm, gefolgt von unermeßlichen Kameel- zügen mit Gepäck und Proviant, den Weg nach Süden fortsetzt, um sich unter die Drachenstandarte des Himmelssohns zu stellen. Ob das die „tartarische Reiterei" ist, welche die Alliirten jetzt zweimal schon zersprengt haben, wissen wir nicht. War sie es, so hätte das Menschen¬ opfer an den Vierecken der europäischen Infanterie, ihrer Disciplin und ihren treff¬ lichen Schußwaffen seine Kraft verloren. War sie es noch nicht, so stünde den Verbündeten — vorausgesetzt, daß der Kaiser seine Mongolen, die ihm ebenso gefährlich wie seinen Gegnern sind, überhaupt einzuberufen wagt — der ernsteste Strauß noch bevor.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/436>, abgerufen am 15.01.2025.