Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Eine Antwort wurde ihm nicht zu Theil, die große Menge wußte nichts von Plötzlich erschallte vom Largo ti Palazzo her Militärmusik. Alle Spa¬ Während also äußerlich dieser Abend einen so ruhigen Verlauf nahm, Eine Antwort wurde ihm nicht zu Theil, die große Menge wußte nichts von Plötzlich erschallte vom Largo ti Palazzo her Militärmusik. Alle Spa¬ Während also äußerlich dieser Abend einen so ruhigen Verlauf nahm, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110389"/> <p xml:id="ID_87" prev="#ID_86"> Eine Antwort wurde ihm nicht zu Theil, die große Menge wußte nichts von<lb/> solcher Sentimentalität. So jung sein und eine Krone wie die von Neapel<lb/> verlieren, ohne auch nur einen Schatten von Mitleid rege zu machen, — ein Opfer<lb/> feigen Verrnths der Seinen werden, ohne auch nur einen Gedanken von<lb/> sittlicher Entrüstung aufsteigen zu sehn, das ist das besondre Mißgeschick des<lb/> Sohnes des Ne Bomba. Keine Anekdote, die irgend wie auf geistige Bega¬<lb/> bung oder menschlich-freundliche Gesinnung schließen ließe, wird von diesem<lb/> Fürsten in seiner Hauptstadt umhergetragen; selbst die auswärtige Diplomatie,<lb/> welche ihm die Thaten seines Vaters nicht zur Last legt, ist in Verlegenheit,<lb/> wenn sie etwas anführen soll, um Interesse für ihn zu erwecken. Seine eid¬<lb/> brüchigen Diener versichern, daß er feige, falsch und lügenhaft sei, und es<lb/> mag dies wahr sein, denn wie konnte sich in solcher Umgebung ein tüchtiger<lb/> Charakter ausbilden? Demnach ist Franz der Zweite nur als Sohn und Erbe<lb/> des Re Vomba gefallen. Wenn sein Vater keine Staatsbeamten wollte,<lb/> sondern nur Spione und bezahlte Schergen des De spo disen u s um sich<lb/> duldete, wenn er jede Regung von Talent und Gesinnung, mit rücksichtsloser<lb/> Grausamkeit niederhielt, da konnte auf den jungen Konig der Staatsorganis¬<lb/> mus nur als eine classificirte Gesellschaft von Verräthern übergehn. Diese<lb/> Gesellschaft flog auseinander, als die eine alle Fäden zusammenfassende und<lb/> mit Geschick die klingende Grundlage aller Korruption spendende Hand erkaltet<lb/> war — sür fremdes Gold warf Filanghicri unter die Schweizer den Erisapfel,<lb/> der zu den Excessen und zur Auflösung dieser einzig verläßlichen Söldnertruppe<lb/> führte, für fremdes Gold waren alle Beamte feil, und wo jemand noch äußer¬<lb/> lich treue Gesinnungen an den Tag legte, lag nur die Absicht zu Grunde, seine<lb/> Ehre möglichst hoch zu verwerthen.</p><lb/> <p xml:id="ID_88"> Plötzlich erschallte vom Largo ti Palazzo her Militärmusik. Alle Spa¬<lb/> ziergänger wandten sich dahin, auf vielen Gesichtern sah man Spuren des<lb/> Schreckens. Doch beruhigte man sich schnell, es waren die treugebliebnen Re¬<lb/> gimenter, welche mit klingendem Spiel, mit Fahnen und vorgetragenen auf<lb/> Stangen befestigten Laternen abzogen. Es ist eine schone Truppe, diese Nea¬<lb/> politaner, gewandte Leute, denen die kostbare, geschmackvolle Kleidung vortreff¬<lb/> lich steht. Munter, als Wenns zur Wachtparade ginge, marschirten sie durch<lb/> die Spalier bildenden Massen dahin. Dem ersten Regiment folgte bald ein<lb/> andres, dann ein drittes, ein viertes, bis die garibaldisch gesinnte National¬<lb/> garde als einzig bewaffnete Macht in der Stadt dastand. Auch hier wagte<lb/> Niemand ein Wort des Spottes oder Hohnes laut werden zu lassen. Die<lb/> Menge beobachtete ein dieses Schweigen — man hätte an einen nächtlichen<lb/> Leichenzug denken mögen, wenn die lustigen Melodien der Hornisten nicht die<lb/> Illusion niedergehalten hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_89" next="#ID_90"> Während also äußerlich dieser Abend einen so ruhigen Verlauf nahm,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Eine Antwort wurde ihm nicht zu Theil, die große Menge wußte nichts von
solcher Sentimentalität. So jung sein und eine Krone wie die von Neapel
verlieren, ohne auch nur einen Schatten von Mitleid rege zu machen, — ein Opfer
feigen Verrnths der Seinen werden, ohne auch nur einen Gedanken von
sittlicher Entrüstung aufsteigen zu sehn, das ist das besondre Mißgeschick des
Sohnes des Ne Bomba. Keine Anekdote, die irgend wie auf geistige Bega¬
bung oder menschlich-freundliche Gesinnung schließen ließe, wird von diesem
Fürsten in seiner Hauptstadt umhergetragen; selbst die auswärtige Diplomatie,
welche ihm die Thaten seines Vaters nicht zur Last legt, ist in Verlegenheit,
wenn sie etwas anführen soll, um Interesse für ihn zu erwecken. Seine eid¬
brüchigen Diener versichern, daß er feige, falsch und lügenhaft sei, und es
mag dies wahr sein, denn wie konnte sich in solcher Umgebung ein tüchtiger
Charakter ausbilden? Demnach ist Franz der Zweite nur als Sohn und Erbe
des Re Vomba gefallen. Wenn sein Vater keine Staatsbeamten wollte,
sondern nur Spione und bezahlte Schergen des De spo disen u s um sich
duldete, wenn er jede Regung von Talent und Gesinnung, mit rücksichtsloser
Grausamkeit niederhielt, da konnte auf den jungen Konig der Staatsorganis¬
mus nur als eine classificirte Gesellschaft von Verräthern übergehn. Diese
Gesellschaft flog auseinander, als die eine alle Fäden zusammenfassende und
mit Geschick die klingende Grundlage aller Korruption spendende Hand erkaltet
war — sür fremdes Gold warf Filanghicri unter die Schweizer den Erisapfel,
der zu den Excessen und zur Auflösung dieser einzig verläßlichen Söldnertruppe
führte, für fremdes Gold waren alle Beamte feil, und wo jemand noch äußer¬
lich treue Gesinnungen an den Tag legte, lag nur die Absicht zu Grunde, seine
Ehre möglichst hoch zu verwerthen.
Plötzlich erschallte vom Largo ti Palazzo her Militärmusik. Alle Spa¬
ziergänger wandten sich dahin, auf vielen Gesichtern sah man Spuren des
Schreckens. Doch beruhigte man sich schnell, es waren die treugebliebnen Re¬
gimenter, welche mit klingendem Spiel, mit Fahnen und vorgetragenen auf
Stangen befestigten Laternen abzogen. Es ist eine schone Truppe, diese Nea¬
politaner, gewandte Leute, denen die kostbare, geschmackvolle Kleidung vortreff¬
lich steht. Munter, als Wenns zur Wachtparade ginge, marschirten sie durch
die Spalier bildenden Massen dahin. Dem ersten Regiment folgte bald ein
andres, dann ein drittes, ein viertes, bis die garibaldisch gesinnte National¬
garde als einzig bewaffnete Macht in der Stadt dastand. Auch hier wagte
Niemand ein Wort des Spottes oder Hohnes laut werden zu lassen. Die
Menge beobachtete ein dieses Schweigen — man hätte an einen nächtlichen
Leichenzug denken mögen, wenn die lustigen Melodien der Hornisten nicht die
Illusion niedergehalten hätten.
Während also äußerlich dieser Abend einen so ruhigen Verlauf nahm,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |