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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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hiesige Emancipation doch dieselben Stadien zu durchlaufen haben wird, welche
die europäischen Völker durchgemacht haben, ehe sie aus dem Stande der
Knecht- und Leibeigenschaft zur Stellung freier Bauern und Bürger gelangten.
Der nächste Schritt würde also auch hier die glebae g-äsoriMo und Aner¬
kennung gewisser persönlicher Rechte der Sklaven sein, wie Legalisirung ihrer
Heirathen, Unzertrennlichkeit der Ehe und Unabhängigkeit des Verhältnisses
zwischen Eltern und Kindern vom Machtspruch des Herrn, sowie endlich Unter¬
richt der Sklaven und ihre, wenn Anfangs auch noch so geringe Betheiligung
an den Früchten ihrer Arbeit. Räumt man ihnen ein Interesse an der letz¬
teren ein. so werden auch ihr Erwerbstricb und Ehrgeiz geweckt und allmälig
ein Pflichtgefühl in ihnen erzeugt werden, welches die unerläßliche Grund¬
bedingung eines freien Zustandes ist."

Was die auswärtige Politik der Ver. Staaten betrifft, so wjrd auch diese
durch Lincoln's Erwählung keine wesentliche Aenderung erleiden. Ein Präsi¬
dent hat, sei er' Republikaner oder Demokrat, dem Ausland gegenüber zu
thun, was das wohlverstandene Interesse der Union erheischt, und dieses In¬
teresse gebietet, daß die Union mit ihren nähern und entferntem Nachbarn in
Frieden zu leben bestrebt sei. Die Nachricht südlicher Zeitungen, daß die
Sklavenstaaten für den Fall einer Trennung von den freien die Protection
Frankreichs nachgesucht und ermunternde Zusagen bekommen, halten wir für
eine einfache Tendenzlüge. In Bezug auf England mag der Republikaner
Lincoln freundlichere Gesinnungen hegen als der Demokrat Buchanan, von
besondern: Vortheil aber für die britische Politik wird das nicht sein. Dieselbe
stand mit dem Erwählten der demokratischen Partei auf ziemlich gutem Fuß,
weil die Interessen der beiden Nationen dies forderten, sie wird aus eben¬
demselben zwingenden Grunde sich auch der Wohlgeneigtheit des Erwählten
der Gegenpartei erfreuen. Kleine Hiebe nach dem guten Freund werden da¬
durch nicht ausgeschlossen, da sie zur Erhaltung der Popularität unter den
Katholiken, namentlich denen von der Smaragdinsel, und unter einigen an¬
dern erforderlich sind, die an dem traditionelle" Haß gegen Großbritannien
festhalten. Am meisten Ursache, sich über den Ausfall der Präsidentenwahl
Glück zu wünschen hat Spanien. Es wird keinen sont6 wieder in Madrid Un¬
gezogenheiten treiben sehen, und die Frage über die Eroberung oder den Ankauf
Cuba's zur Vergrößerung des Sclavenhalter-Territoriums wird auf vier Jahre
vertagt bleiben.




hiesige Emancipation doch dieselben Stadien zu durchlaufen haben wird, welche
die europäischen Völker durchgemacht haben, ehe sie aus dem Stande der
Knecht- und Leibeigenschaft zur Stellung freier Bauern und Bürger gelangten.
Der nächste Schritt würde also auch hier die glebae g-äsoriMo und Aner¬
kennung gewisser persönlicher Rechte der Sklaven sein, wie Legalisirung ihrer
Heirathen, Unzertrennlichkeit der Ehe und Unabhängigkeit des Verhältnisses
zwischen Eltern und Kindern vom Machtspruch des Herrn, sowie endlich Unter¬
richt der Sklaven und ihre, wenn Anfangs auch noch so geringe Betheiligung
an den Früchten ihrer Arbeit. Räumt man ihnen ein Interesse an der letz¬
teren ein. so werden auch ihr Erwerbstricb und Ehrgeiz geweckt und allmälig
ein Pflichtgefühl in ihnen erzeugt werden, welches die unerläßliche Grund¬
bedingung eines freien Zustandes ist."

Was die auswärtige Politik der Ver. Staaten betrifft, so wjrd auch diese
durch Lincoln's Erwählung keine wesentliche Aenderung erleiden. Ein Präsi¬
dent hat, sei er' Republikaner oder Demokrat, dem Ausland gegenüber zu
thun, was das wohlverstandene Interesse der Union erheischt, und dieses In¬
teresse gebietet, daß die Union mit ihren nähern und entferntem Nachbarn in
Frieden zu leben bestrebt sei. Die Nachricht südlicher Zeitungen, daß die
Sklavenstaaten für den Fall einer Trennung von den freien die Protection
Frankreichs nachgesucht und ermunternde Zusagen bekommen, halten wir für
eine einfache Tendenzlüge. In Bezug auf England mag der Republikaner
Lincoln freundlichere Gesinnungen hegen als der Demokrat Buchanan, von
besondern: Vortheil aber für die britische Politik wird das nicht sein. Dieselbe
stand mit dem Erwählten der demokratischen Partei auf ziemlich gutem Fuß,
weil die Interessen der beiden Nationen dies forderten, sie wird aus eben¬
demselben zwingenden Grunde sich auch der Wohlgeneigtheit des Erwählten
der Gegenpartei erfreuen. Kleine Hiebe nach dem guten Freund werden da¬
durch nicht ausgeschlossen, da sie zur Erhaltung der Popularität unter den
Katholiken, namentlich denen von der Smaragdinsel, und unter einigen an¬
dern erforderlich sind, die an dem traditionelle» Haß gegen Großbritannien
festhalten. Am meisten Ursache, sich über den Ausfall der Präsidentenwahl
Glück zu wünschen hat Spanien. Es wird keinen sont6 wieder in Madrid Un¬
gezogenheiten treiben sehen, und die Frage über die Eroberung oder den Ankauf
Cuba's zur Vergrößerung des Sclavenhalter-Territoriums wird auf vier Jahre
vertagt bleiben.




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[0409] hiesige Emancipation doch dieselben Stadien zu durchlaufen haben wird, welche die europäischen Völker durchgemacht haben, ehe sie aus dem Stande der Knecht- und Leibeigenschaft zur Stellung freier Bauern und Bürger gelangten. Der nächste Schritt würde also auch hier die glebae g-äsoriMo und Aner¬ kennung gewisser persönlicher Rechte der Sklaven sein, wie Legalisirung ihrer Heirathen, Unzertrennlichkeit der Ehe und Unabhängigkeit des Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern vom Machtspruch des Herrn, sowie endlich Unter¬ richt der Sklaven und ihre, wenn Anfangs auch noch so geringe Betheiligung an den Früchten ihrer Arbeit. Räumt man ihnen ein Interesse an der letz¬ teren ein. so werden auch ihr Erwerbstricb und Ehrgeiz geweckt und allmälig ein Pflichtgefühl in ihnen erzeugt werden, welches die unerläßliche Grund¬ bedingung eines freien Zustandes ist." Was die auswärtige Politik der Ver. Staaten betrifft, so wjrd auch diese durch Lincoln's Erwählung keine wesentliche Aenderung erleiden. Ein Präsi¬ dent hat, sei er' Republikaner oder Demokrat, dem Ausland gegenüber zu thun, was das wohlverstandene Interesse der Union erheischt, und dieses In¬ teresse gebietet, daß die Union mit ihren nähern und entferntem Nachbarn in Frieden zu leben bestrebt sei. Die Nachricht südlicher Zeitungen, daß die Sklavenstaaten für den Fall einer Trennung von den freien die Protection Frankreichs nachgesucht und ermunternde Zusagen bekommen, halten wir für eine einfache Tendenzlüge. In Bezug auf England mag der Republikaner Lincoln freundlichere Gesinnungen hegen als der Demokrat Buchanan, von besondern: Vortheil aber für die britische Politik wird das nicht sein. Dieselbe stand mit dem Erwählten der demokratischen Partei auf ziemlich gutem Fuß, weil die Interessen der beiden Nationen dies forderten, sie wird aus eben¬ demselben zwingenden Grunde sich auch der Wohlgeneigtheit des Erwählten der Gegenpartei erfreuen. Kleine Hiebe nach dem guten Freund werden da¬ durch nicht ausgeschlossen, da sie zur Erhaltung der Popularität unter den Katholiken, namentlich denen von der Smaragdinsel, und unter einigen an¬ dern erforderlich sind, die an dem traditionelle» Haß gegen Großbritannien festhalten. Am meisten Ursache, sich über den Ausfall der Präsidentenwahl Glück zu wünschen hat Spanien. Es wird keinen sont6 wieder in Madrid Un¬ gezogenheiten treiben sehen, und die Frage über die Eroberung oder den Ankauf Cuba's zur Vergrößerung des Sclavenhalter-Territoriums wird auf vier Jahre vertagt bleiben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/409>, abgerufen am 15.01.2025.