Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Preußen auf solche Zumuthung thun? Wir meinen, es gibt darauf nur eine Die deutschen Mittelstaatcn fühlen sich grade jetzt sicher, daß Preußen Grenzboten IV. 1860, 4!"
Preußen auf solche Zumuthung thun? Wir meinen, es gibt darauf nur eine Die deutschen Mittelstaatcn fühlen sich grade jetzt sicher, daß Preußen Grenzboten IV. 1860, 4!»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110745"/> <p xml:id="ID_1188" prev="#ID_1187"> Preußen auf solche Zumuthung thun? Wir meinen, es gibt darauf nur eine<lb/> Antwort, daß Preußen das Ganze nimmt, d. h. eine neue Organisation<lb/> des deutschen Bundesheeres verfügt, welche die gesammte Heeresmacht mit<lb/> Ausnahme des östreichischen Contingents unter preußischem Oberbefehl ver¬<lb/> einigt, und die Bundesregierungen freundnachbarlich in Kenntniß setzt, daß<lb/> Preußen nach dem Scheitern jahrelanger Versuche, eine Verständigung herbei¬<lb/> zuführen, jetzt genöthigt sei, im Fall eines Krieges, im höchsten Interesse<lb/> Deutschlands, die Heeresorganisation einzuführen. Es liege aber im Interesse<lb/> der verbündeten Souveräne, daß dies nicht durch Preußen selbst in der kurzen<lb/> und vielleicht verletzenden Weise geschehe, welche vor dem Beginn eines Krie¬<lb/> ges nöthig sei, sondern vorher mit bundesfreundlicher Beistimmung der ver¬<lb/> bündeten Mitsouveräne. — Man wird über eine solche Tyrannei außer sich ge-<lb/> gerathen, berathen, protestiren, sich coaliren, zanken, zuletzt aber sich fügen, wenn<lb/> Preußen Ernst macht. — Es wird ihm im Fall eines Krieges doch nichts an¬<lb/> deres übrig bleiben, trotz aller neuen Versuche sich mit Oestreich zu verständigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1189" next="#ID_1190"> Die deutschen Mittelstaatcn fühlen sich grade jetzt sicher, daß Preußen<lb/> nichts Arges gegen sie im Schilde führt. Sie haben das gegenwärtige Ka¬<lb/> binet ein wenig kennen gelernt. Sie werden deshalb in allen Fragen von<lb/> untergeordneter Bedeutung sich sorgfältig hüten, den Preußen zu widerstehen,<lb/> z. B. in Fragen des Handelsrechts, der Polizei u. f. w. In allen wichtigen<lb/> Angelegenheiten werden sie nicht einen Schritt breit nachgeben. Und doch ist<lb/> auch ihre Lage nicht ohne Sorgen. Wie sanftmüthig das gegenwärtige Mi¬<lb/> nisterium des Auswärtigen sein mag. und wie sehr das preußische Volk noch<lb/> mit seinen eignen— sehr unerfreulichen — Angelegenheiten beschäftigt ist, in dem<lb/> Preußenthum bleibt immer etwas Unbehagliches. Uebergreifendes, das Bedürfniß<lb/> nach dem chemischen Einverleibungsproceß, welches man bei niedern Gebilden der<lb/> Natur Eßlust nennt. Wir können die Vorsicht der officiellen Federn in den Mittel¬<lb/> staaten nicht loben, welche zetzt so sest auf die ihnen bequeme Loyalität der<lb/> Preußen vertrauen. Denn das Ministerium, Schleinitz ist ein sehr unvollkommner<lb/> Ausdruck der preußischen Gesinnung. Nicht daß die Preußen unternehmen<lb/> werden, zu annectiren, wie jener Sardinier und der Franzose gethan. Der<lb/> Annex ist, wie wir schon längst wußten, und wie uns jetzt das Ministerium<lb/> Schleinitz wieder belehrt hat, durchaus nicht zu billigen, denn er ist un¬<lb/> moralisch. Die preußische Methode ist weit tugendhafter und friedlicher, sie<lb/> heißt Cooptation. Die Einzelheiten dieses Verfahrens hier darzulegen,<lb/> wäre unpolitisch. Aber es ist ein kurzes und stilles Verfahren, und es hat<lb/> eine bereits bewährte Methode. Diese Cooptation wird, so hoffen wir. mit<lb/> jeder Schonung der bestehenden Interessen, wenn auch für manche der cooptirten<lb/> Regierungen unangenehm, doch zuletzt vor sich gehen, und die bezahlten Zei¬<lb/> tungsschreiber so wie ihre Gönner werden zu solchem Verfahren am allermei-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1860, 4!»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
Preußen auf solche Zumuthung thun? Wir meinen, es gibt darauf nur eine
Antwort, daß Preußen das Ganze nimmt, d. h. eine neue Organisation
des deutschen Bundesheeres verfügt, welche die gesammte Heeresmacht mit
Ausnahme des östreichischen Contingents unter preußischem Oberbefehl ver¬
einigt, und die Bundesregierungen freundnachbarlich in Kenntniß setzt, daß
Preußen nach dem Scheitern jahrelanger Versuche, eine Verständigung herbei¬
zuführen, jetzt genöthigt sei, im Fall eines Krieges, im höchsten Interesse
Deutschlands, die Heeresorganisation einzuführen. Es liege aber im Interesse
der verbündeten Souveräne, daß dies nicht durch Preußen selbst in der kurzen
und vielleicht verletzenden Weise geschehe, welche vor dem Beginn eines Krie¬
ges nöthig sei, sondern vorher mit bundesfreundlicher Beistimmung der ver¬
bündeten Mitsouveräne. — Man wird über eine solche Tyrannei außer sich ge-
gerathen, berathen, protestiren, sich coaliren, zanken, zuletzt aber sich fügen, wenn
Preußen Ernst macht. — Es wird ihm im Fall eines Krieges doch nichts an¬
deres übrig bleiben, trotz aller neuen Versuche sich mit Oestreich zu verständigen.
Die deutschen Mittelstaatcn fühlen sich grade jetzt sicher, daß Preußen
nichts Arges gegen sie im Schilde führt. Sie haben das gegenwärtige Ka¬
binet ein wenig kennen gelernt. Sie werden deshalb in allen Fragen von
untergeordneter Bedeutung sich sorgfältig hüten, den Preußen zu widerstehen,
z. B. in Fragen des Handelsrechts, der Polizei u. f. w. In allen wichtigen
Angelegenheiten werden sie nicht einen Schritt breit nachgeben. Und doch ist
auch ihre Lage nicht ohne Sorgen. Wie sanftmüthig das gegenwärtige Mi¬
nisterium des Auswärtigen sein mag. und wie sehr das preußische Volk noch
mit seinen eignen— sehr unerfreulichen — Angelegenheiten beschäftigt ist, in dem
Preußenthum bleibt immer etwas Unbehagliches. Uebergreifendes, das Bedürfniß
nach dem chemischen Einverleibungsproceß, welches man bei niedern Gebilden der
Natur Eßlust nennt. Wir können die Vorsicht der officiellen Federn in den Mittel¬
staaten nicht loben, welche zetzt so sest auf die ihnen bequeme Loyalität der
Preußen vertrauen. Denn das Ministerium, Schleinitz ist ein sehr unvollkommner
Ausdruck der preußischen Gesinnung. Nicht daß die Preußen unternehmen
werden, zu annectiren, wie jener Sardinier und der Franzose gethan. Der
Annex ist, wie wir schon längst wußten, und wie uns jetzt das Ministerium
Schleinitz wieder belehrt hat, durchaus nicht zu billigen, denn er ist un¬
moralisch. Die preußische Methode ist weit tugendhafter und friedlicher, sie
heißt Cooptation. Die Einzelheiten dieses Verfahrens hier darzulegen,
wäre unpolitisch. Aber es ist ein kurzes und stilles Verfahren, und es hat
eine bereits bewährte Methode. Diese Cooptation wird, so hoffen wir. mit
jeder Schonung der bestehenden Interessen, wenn auch für manche der cooptirten
Regierungen unangenehm, doch zuletzt vor sich gehen, und die bezahlten Zei¬
tungsschreiber so wie ihre Gönner werden zu solchem Verfahren am allermei-
Grenzboten IV. 1860, 4!»
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |