Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.ficht der preußischen Regierung, welche nach allen Seiten Rücksichten zu nehmen Kaiser Napoleon mit dem Papst und den Ultramontanen gegen Italien Nun aber war die Note des Herrn v. Schleinitz zuverlässig nicht nur ficht der preußischen Regierung, welche nach allen Seiten Rücksichten zu nehmen Kaiser Napoleon mit dem Papst und den Ultramontanen gegen Italien Nun aber war die Note des Herrn v. Schleinitz zuverlässig nicht nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110744"/> <p xml:id="ID_1185" prev="#ID_1184"> ficht der preußischen Regierung, welche nach allen Seiten Rücksichten zu nehmen<lb/> nicht müde wird; sie vermag nur vermieden zu werden durch eine Politik, welche<lb/> große Zielpunkte mit Sicherheit verfolgt. Den Entschlossenen scheut auch der<lb/> Starke, und gern sucht seine Freundschaft der Schwächere. Daß jetzt auch die<lb/> Schwachen dem Berliner Kabinet so offen trotzen, ist kein Zeichen, daß die<lb/> bisherige Politik die Scheu oder Anhänglichkeit zu dem Staate unserer Hoff¬<lb/> nung vergrößert hat. Gesetzt der Kaiser Napoleon gäbe dem Gedanken, über wel¬<lb/> chen er seit lange speculirt, eine ernste Folge, die über das Bereich diplo¬<lb/> matischer Spiegelfechtereien hinausgeht. Was zunächst Rußland betrifft, so<lb/> ist seine Politik grade so zweifelhaft und unsicher, wie. seine Heereskraft, un¬<lb/> zweifelhaft ist nur eine beispiellose Zerrüttung der Finanzen und eine Unzu¬<lb/> friedenheit des Volkes, welche den Entschluß zu gro.ßer Kriegen sehr bedenklich<lb/> macht. Für Oestreich aber und Frankreich ist ein Bündniß so gefährlich, daß<lb/> es beiden doch nur als letzte Noth möglich wäre. Beide schwächt ihr Bun¬<lb/> desgenosse wenigstens ebenso sehr moralisch, als er ihre ^Heeresmacht verstärkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1186"> Kaiser Napoleon mit dem Papst und den Ultramontanen gegen Italien<lb/> und das verbunden, was man dort die Freiheit der Völker nennt, würde sei¬<lb/> nem Volke und Heere bald so abenteuerlich erscheinen, wie' das Haus Habs¬<lb/> burg den Deutschen M einem Kriege gegen Preußen und den protestantischen<lb/> Norden. Träte aber ein solcher Fall ein, so würde Preußen allerdings<lb/> einen Kampf zu bestehen haben, so großartig, wie je sein ärgster war. Aber<lb/> dieser Krieg wäre trotz aller möglichen Wechselfälle der Anfang einer Er-<lb/> hcbuugszeit für Preußen und Deutschland. Mancher von uns wird den Frie¬<lb/> den nicht sehen, aber die Ueberlebenden werden fertig sein mit Vielem, was<lb/> uns jetzt noch verwirrt, und das Ende von Allem wird doch ein neues Preu¬<lb/> ßen, welches mit Deutschland Eins ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1187" next="#ID_1188"> Nun aber war die Note des Herrn v. Schleinitz zuverlässig nicht nur<lb/> sür Sardinien, sondern anch für die deutschen Regierungen bestimmt, und<lb/> nach dieser Richtung fühlt die preußische Regierung schon jetzt> einige von<lb/> den Folgen ihrer Depesche. Sie ist seitdem von den Beschlüssen der Würz¬<lb/> burger., in der Bundesfeldherrnfrage unterrichtet worden. Nie ist unserm<lb/> armen Preußen eine unbefangenere Zumuthung gestellt worden, und nie¬<lb/> mals vielleicht das preußische Selbstgefühl tiefer gekränkt. Das ist das Re¬<lb/> sultat der Zusammenkünfte von Baden und Teplitz, das der officielle Gegeu-<lb/> ausdruck für die emsigen und wiederholten Erklärungen Preußens, daß es die<lb/> bestehenden Rechte der Souveräne geachtet wissen wolle! Im Fall eines<lb/> Krieges, den Preußen mit dem deutschen Bunde gegen einen auswärtigen<lb/> Feind führt, sollen zwei Bundcsfeldhcrrn gewählt werden, einer für Preußen,<lb/> der andre für die nichtpreußischen Contingente; sogar dem preußischen Heere<lb/> soll sein Feldherr durch eine fremde Majorität decretirt werden. Was wird</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
ficht der preußischen Regierung, welche nach allen Seiten Rücksichten zu nehmen
nicht müde wird; sie vermag nur vermieden zu werden durch eine Politik, welche
große Zielpunkte mit Sicherheit verfolgt. Den Entschlossenen scheut auch der
Starke, und gern sucht seine Freundschaft der Schwächere. Daß jetzt auch die
Schwachen dem Berliner Kabinet so offen trotzen, ist kein Zeichen, daß die
bisherige Politik die Scheu oder Anhänglichkeit zu dem Staate unserer Hoff¬
nung vergrößert hat. Gesetzt der Kaiser Napoleon gäbe dem Gedanken, über wel¬
chen er seit lange speculirt, eine ernste Folge, die über das Bereich diplo¬
matischer Spiegelfechtereien hinausgeht. Was zunächst Rußland betrifft, so
ist seine Politik grade so zweifelhaft und unsicher, wie. seine Heereskraft, un¬
zweifelhaft ist nur eine beispiellose Zerrüttung der Finanzen und eine Unzu¬
friedenheit des Volkes, welche den Entschluß zu gro.ßer Kriegen sehr bedenklich
macht. Für Oestreich aber und Frankreich ist ein Bündniß so gefährlich, daß
es beiden doch nur als letzte Noth möglich wäre. Beide schwächt ihr Bun¬
desgenosse wenigstens ebenso sehr moralisch, als er ihre ^Heeresmacht verstärkt.
Kaiser Napoleon mit dem Papst und den Ultramontanen gegen Italien
und das verbunden, was man dort die Freiheit der Völker nennt, würde sei¬
nem Volke und Heere bald so abenteuerlich erscheinen, wie' das Haus Habs¬
burg den Deutschen M einem Kriege gegen Preußen und den protestantischen
Norden. Träte aber ein solcher Fall ein, so würde Preußen allerdings
einen Kampf zu bestehen haben, so großartig, wie je sein ärgster war. Aber
dieser Krieg wäre trotz aller möglichen Wechselfälle der Anfang einer Er-
hcbuugszeit für Preußen und Deutschland. Mancher von uns wird den Frie¬
den nicht sehen, aber die Ueberlebenden werden fertig sein mit Vielem, was
uns jetzt noch verwirrt, und das Ende von Allem wird doch ein neues Preu¬
ßen, welches mit Deutschland Eins ist.
Nun aber war die Note des Herrn v. Schleinitz zuverlässig nicht nur
sür Sardinien, sondern anch für die deutschen Regierungen bestimmt, und
nach dieser Richtung fühlt die preußische Regierung schon jetzt> einige von
den Folgen ihrer Depesche. Sie ist seitdem von den Beschlüssen der Würz¬
burger., in der Bundesfeldherrnfrage unterrichtet worden. Nie ist unserm
armen Preußen eine unbefangenere Zumuthung gestellt worden, und nie¬
mals vielleicht das preußische Selbstgefühl tiefer gekränkt. Das ist das Re¬
sultat der Zusammenkünfte von Baden und Teplitz, das der officielle Gegeu-
ausdruck für die emsigen und wiederholten Erklärungen Preußens, daß es die
bestehenden Rechte der Souveräne geachtet wissen wolle! Im Fall eines
Krieges, den Preußen mit dem deutschen Bunde gegen einen auswärtigen
Feind führt, sollen zwei Bundcsfeldhcrrn gewählt werden, einer für Preußen,
der andre für die nichtpreußischen Contingente; sogar dem preußischen Heere
soll sein Feldherr durch eine fremde Majorität decretirt werden. Was wird
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