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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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dem vom Meere aufsteigenden Gewölk fielen von Zeit zu Zeit schwere, warme
Regentropfen nieder. Das abergläubische Volt, durch die Comites während
der Nacht von dem bevorstehenden Abzüge des Königs und der Truppen in
Kenntniß gesetzt, schien dies als ein böses Omen aufnehmen zu wollen. Eine
Anzahl alter Weiber hatte sich schon früh heulend und händeringend auf dem
Schloßplatze aufgestellt, "Der Himmel selbst weint!" hieß es in der ganzen
Stadt. Solche Hebel ihrer Politik -- der vornehmste ist das Blut des hei¬
ligen Januarius -- haben die Bourbonen sich sonst immer gern zu Nutze
gemacht. Aber hier war Niemand, der dazu im Stande gewesen wäre. Der
König hatte noch das feste, hochgelegene Schloß Se. Elmo und die verschie¬
denen kleinern Forts am Meere, von denen aus er die Smidt in kurzer Frist
in einen Schutthaufen verwandeln konnte. Er hatte noch seine Soldaten
und vor allen Dingen Geld! Dies letztere allein wäre in seines schlauen Va¬
ters Händen vielleicht genügend gewesen, den Begebenheiten eine ganz ent¬
gegengesetzte Richtung zu geben; denn noch wagte außer einigen Ezaltirten
Niemand in der Stadt, sich gegen ihn auszusprechen. Aber keine Sache ist so
sehr verloren, als die sich selbst aufgibt.

Inzwischen erschienen bei den verschiedenen Hoflieferanten und Juwelie¬
ren, den Handwerkern des Königs und der königlichen Prinzen Emissäre des
Cömitvs. um ihnen freundschaftlichst anzurathen, die königlichen Wappen von
ihren Thüren abzunehmen. Aehnliche Rathschläge waren in Neapel in der
letzten Zeit oft ergangen, namentlich an die wohlhabenden Bürger, sich doch
mit einer so und so hohen Summe bei dem patriotischen Fond zu betheiligen;
-- die Ueberbringcr pflegten dabei mit der geballten, wagerecht gehaltenen
Faust von der Herzgrube nach Außen zu zucken, ein dem Italiener ungemein
verständlicher Hinweis auf seine Nationalwaffe, welcher ihn, sogar wenn es
sich um seinen Beutel handelt, zu schleunigster Anerkennung des Unvermeid¬
lichen bewegt. Daß also in Strada ti Toledo und Strada d> Chiaja die könig¬
lichen Wappen bald verschwunden waren, ist leicht begreiflich. Es machte dies
auf die Gewerbtreibenden einen sehr peinlichen Eindruck, welcher sich darin
äußerte, daß sofort die sämmtlichen Läden von Gold und Schmucksachen, von
feinen Lavaschnitzcrcien und Korallenarbeiten, ein Haupterwerbzweig der Stadt,
geschlossen wurden. Zu Excessen kam es übrigens, mit Ausnahme der Zer¬
störung des in Stuck ausgeführten königlichen Wappens über der Artillerie-
caserne, nicht, und es ließ sich nicht bemerken, daß die in den geringern-Stadt¬
theilen so zahlreichen Hut-, Handschuh- und Schuhmacher, die Messing- und
Eisenarbeiter, die Sattler, die Mattcnflechter u. s. w. sich in ihrer Arbeit
hätten stören lassen.

Mancher war bei der allgemeinen Ruhe wol schon geneigt, an ein aber¬
maliges Verschieben der Abreise des Königs zu glauben; aber bereits am fru-


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dem vom Meere aufsteigenden Gewölk fielen von Zeit zu Zeit schwere, warme
Regentropfen nieder. Das abergläubische Volt, durch die Comites während
der Nacht von dem bevorstehenden Abzüge des Königs und der Truppen in
Kenntniß gesetzt, schien dies als ein böses Omen aufnehmen zu wollen. Eine
Anzahl alter Weiber hatte sich schon früh heulend und händeringend auf dem
Schloßplatze aufgestellt, „Der Himmel selbst weint!" hieß es in der ganzen
Stadt. Solche Hebel ihrer Politik — der vornehmste ist das Blut des hei¬
ligen Januarius — haben die Bourbonen sich sonst immer gern zu Nutze
gemacht. Aber hier war Niemand, der dazu im Stande gewesen wäre. Der
König hatte noch das feste, hochgelegene Schloß Se. Elmo und die verschie¬
denen kleinern Forts am Meere, von denen aus er die Smidt in kurzer Frist
in einen Schutthaufen verwandeln konnte. Er hatte noch seine Soldaten
und vor allen Dingen Geld! Dies letztere allein wäre in seines schlauen Va¬
ters Händen vielleicht genügend gewesen, den Begebenheiten eine ganz ent¬
gegengesetzte Richtung zu geben; denn noch wagte außer einigen Ezaltirten
Niemand in der Stadt, sich gegen ihn auszusprechen. Aber keine Sache ist so
sehr verloren, als die sich selbst aufgibt.

Inzwischen erschienen bei den verschiedenen Hoflieferanten und Juwelie¬
ren, den Handwerkern des Königs und der königlichen Prinzen Emissäre des
Cömitvs. um ihnen freundschaftlichst anzurathen, die königlichen Wappen von
ihren Thüren abzunehmen. Aehnliche Rathschläge waren in Neapel in der
letzten Zeit oft ergangen, namentlich an die wohlhabenden Bürger, sich doch
mit einer so und so hohen Summe bei dem patriotischen Fond zu betheiligen;
— die Ueberbringcr pflegten dabei mit der geballten, wagerecht gehaltenen
Faust von der Herzgrube nach Außen zu zucken, ein dem Italiener ungemein
verständlicher Hinweis auf seine Nationalwaffe, welcher ihn, sogar wenn es
sich um seinen Beutel handelt, zu schleunigster Anerkennung des Unvermeid¬
lichen bewegt. Daß also in Strada ti Toledo und Strada d> Chiaja die könig¬
lichen Wappen bald verschwunden waren, ist leicht begreiflich. Es machte dies
auf die Gewerbtreibenden einen sehr peinlichen Eindruck, welcher sich darin
äußerte, daß sofort die sämmtlichen Läden von Gold und Schmucksachen, von
feinen Lavaschnitzcrcien und Korallenarbeiten, ein Haupterwerbzweig der Stadt,
geschlossen wurden. Zu Excessen kam es übrigens, mit Ausnahme der Zer¬
störung des in Stuck ausgeführten königlichen Wappens über der Artillerie-
caserne, nicht, und es ließ sich nicht bemerken, daß die in den geringern-Stadt¬
theilen so zahlreichen Hut-, Handschuh- und Schuhmacher, die Messing- und
Eisenarbeiter, die Sattler, die Mattcnflechter u. s. w. sich in ihrer Arbeit
hätten stören lassen.

Mancher war bei der allgemeinen Ruhe wol schon geneigt, an ein aber¬
maliges Verschieben der Abreise des Königs zu glauben; aber bereits am fru-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/39>, abgerufen am 15.01.2025.