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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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meistens mittellose oder arbeitsscheue Handwerksburschen, die sich dahin ver¬
irrten, junge und alte Verbrecher, die sich dahin flüchteten, und Abenteurer,
welche entweder ihr Glück versuchen wolltni, oder solche, die bereits drei
oder vier Herrn gedient hatten und sich jetzt dem fünften verschreiben woll¬
ten. Auf diesen Werbedepöts scheute man sich wie bei allen solchen Anstalten
vor Unwahrheiten nicht, und malte den Leuten, weiche man fangen wollte,
ihre italienische Zukunft und zunächst das beim Regiment zu erwartende
Handgeld weit glänzender aus, als die Verführten es nachher finden konnten.
Damit war der erste Grund zu Mißvergnügen und Mißtrauen gelegt, aber
deren gab es noch unzählig viele. -- Unter den verschiedenen Elementen,
aus denen die Fremdenregimenter bestanden, gab es manchen talentvollen
jungen Mann, welcher, nachdem er seinen wahren ersten Lebenszweck verfehlt
hatte, doch noch so viel moralische Kraft besaß, sich durch Kenntnisse, Fleiß
und dienstliche Brauchbarkeit zum Offizier heranzubilden. Aber bei den
Fremdenregimentern des päpstlichen Heeres war ihnen diese Carriere versperrt.
Wenn auch den Gesetzen nach ein jeder bis zum Offizier avancircn konnte,
so schien dieses Recht dennoch den Schweizern, und unter diesen wieder denen
aus den Sondcrbundsccmtonen reservirt zu sein. Der Franzosen und Deut¬
schen, welche es dahin gebracht haben, sind sehr wenige. Die höhern Offi¬
ziere hatten fast ohnL Ausnahme bereits in den 1849 ausgelösten Schweizer-
regimentcrn gedient und sorgten außerordentlich für ihre in der Schweiz resi-
direnden Herren Söhne, Neffen und Vettern. Diese, meist Menschen ohne irgend¬
welche militärwissenschaftliche Ausbildung, oft selbst ohne Erziehung und
Lebensart, Leute, die bisher irgend ein Handwerk getrieben, den Pflug oder
den Hirtenstab geschwungen hatten, bedurften zur Erlangung eines römischen
Ofsizierbrevets nur die nöthigen Mittel, um auf ihre Kosten zwanzig bis dreißig
Rekruten auf eines der Werbedepots zu liefern. Sie kamen dann als Offi¬
ziere in das Regiment, man machte sie mit den Handgriffen und den noth¬
wendigsten Commandowörter einigermaßen bekannt, und so traten sie nach
wenigen Tagen vor die Front eines Pelotons, welches oft genug Gelegenheit
hatte, sie hell auszulachen. Aus allen diesen Gründen konnten auch die
Fremdentruppen kein Vertrauen auf ihre Führer setzen und trotz der verhält¬
nißmäßig hohen Löhnung keine besondere Liebe zu ihrem Gouvernement haben.
Daß das Eine wie das Andere mangelte, gab sich besonders durch die in
unzähliger Menge vorkommenden Desertionen kund. Die Behandlung war
im Allgemeine" milde, aber höchst willkürlich.

In militärischen Leistungen waren diese Truppen denen einer regulären
Nationalarmee nicht entfernt zu vergleichen. Das Reglement und die Beklei-
dung so wie die Bewaffnung waren genau französisch, nur bei den italienischen
Corps waren die französischen Commaudoworte ins Italienische übersetzt.


meistens mittellose oder arbeitsscheue Handwerksburschen, die sich dahin ver¬
irrten, junge und alte Verbrecher, die sich dahin flüchteten, und Abenteurer,
welche entweder ihr Glück versuchen wolltni, oder solche, die bereits drei
oder vier Herrn gedient hatten und sich jetzt dem fünften verschreiben woll¬
ten. Auf diesen Werbedepöts scheute man sich wie bei allen solchen Anstalten
vor Unwahrheiten nicht, und malte den Leuten, weiche man fangen wollte,
ihre italienische Zukunft und zunächst das beim Regiment zu erwartende
Handgeld weit glänzender aus, als die Verführten es nachher finden konnten.
Damit war der erste Grund zu Mißvergnügen und Mißtrauen gelegt, aber
deren gab es noch unzählig viele. — Unter den verschiedenen Elementen,
aus denen die Fremdenregimenter bestanden, gab es manchen talentvollen
jungen Mann, welcher, nachdem er seinen wahren ersten Lebenszweck verfehlt
hatte, doch noch so viel moralische Kraft besaß, sich durch Kenntnisse, Fleiß
und dienstliche Brauchbarkeit zum Offizier heranzubilden. Aber bei den
Fremdenregimentern des päpstlichen Heeres war ihnen diese Carriere versperrt.
Wenn auch den Gesetzen nach ein jeder bis zum Offizier avancircn konnte,
so schien dieses Recht dennoch den Schweizern, und unter diesen wieder denen
aus den Sondcrbundsccmtonen reservirt zu sein. Der Franzosen und Deut¬
schen, welche es dahin gebracht haben, sind sehr wenige. Die höhern Offi¬
ziere hatten fast ohnL Ausnahme bereits in den 1849 ausgelösten Schweizer-
regimentcrn gedient und sorgten außerordentlich für ihre in der Schweiz resi-
direnden Herren Söhne, Neffen und Vettern. Diese, meist Menschen ohne irgend¬
welche militärwissenschaftliche Ausbildung, oft selbst ohne Erziehung und
Lebensart, Leute, die bisher irgend ein Handwerk getrieben, den Pflug oder
den Hirtenstab geschwungen hatten, bedurften zur Erlangung eines römischen
Ofsizierbrevets nur die nöthigen Mittel, um auf ihre Kosten zwanzig bis dreißig
Rekruten auf eines der Werbedepots zu liefern. Sie kamen dann als Offi¬
ziere in das Regiment, man machte sie mit den Handgriffen und den noth¬
wendigsten Commandowörter einigermaßen bekannt, und so traten sie nach
wenigen Tagen vor die Front eines Pelotons, welches oft genug Gelegenheit
hatte, sie hell auszulachen. Aus allen diesen Gründen konnten auch die
Fremdentruppen kein Vertrauen auf ihre Führer setzen und trotz der verhält¬
nißmäßig hohen Löhnung keine besondere Liebe zu ihrem Gouvernement haben.
Daß das Eine wie das Andere mangelte, gab sich besonders durch die in
unzähliger Menge vorkommenden Desertionen kund. Die Behandlung war
im Allgemeine» milde, aber höchst willkürlich.

In militärischen Leistungen waren diese Truppen denen einer regulären
Nationalarmee nicht entfernt zu vergleichen. Das Reglement und die Beklei-
dung so wie die Bewaffnung waren genau französisch, nur bei den italienischen
Corps waren die französischen Commaudoworte ins Italienische übersetzt.


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[0385] meistens mittellose oder arbeitsscheue Handwerksburschen, die sich dahin ver¬ irrten, junge und alte Verbrecher, die sich dahin flüchteten, und Abenteurer, welche entweder ihr Glück versuchen wolltni, oder solche, die bereits drei oder vier Herrn gedient hatten und sich jetzt dem fünften verschreiben woll¬ ten. Auf diesen Werbedepöts scheute man sich wie bei allen solchen Anstalten vor Unwahrheiten nicht, und malte den Leuten, weiche man fangen wollte, ihre italienische Zukunft und zunächst das beim Regiment zu erwartende Handgeld weit glänzender aus, als die Verführten es nachher finden konnten. Damit war der erste Grund zu Mißvergnügen und Mißtrauen gelegt, aber deren gab es noch unzählig viele. — Unter den verschiedenen Elementen, aus denen die Fremdenregimenter bestanden, gab es manchen talentvollen jungen Mann, welcher, nachdem er seinen wahren ersten Lebenszweck verfehlt hatte, doch noch so viel moralische Kraft besaß, sich durch Kenntnisse, Fleiß und dienstliche Brauchbarkeit zum Offizier heranzubilden. Aber bei den Fremdenregimentern des päpstlichen Heeres war ihnen diese Carriere versperrt. Wenn auch den Gesetzen nach ein jeder bis zum Offizier avancircn konnte, so schien dieses Recht dennoch den Schweizern, und unter diesen wieder denen aus den Sondcrbundsccmtonen reservirt zu sein. Der Franzosen und Deut¬ schen, welche es dahin gebracht haben, sind sehr wenige. Die höhern Offi¬ ziere hatten fast ohnL Ausnahme bereits in den 1849 ausgelösten Schweizer- regimentcrn gedient und sorgten außerordentlich für ihre in der Schweiz resi- direnden Herren Söhne, Neffen und Vettern. Diese, meist Menschen ohne irgend¬ welche militärwissenschaftliche Ausbildung, oft selbst ohne Erziehung und Lebensart, Leute, die bisher irgend ein Handwerk getrieben, den Pflug oder den Hirtenstab geschwungen hatten, bedurften zur Erlangung eines römischen Ofsizierbrevets nur die nöthigen Mittel, um auf ihre Kosten zwanzig bis dreißig Rekruten auf eines der Werbedepots zu liefern. Sie kamen dann als Offi¬ ziere in das Regiment, man machte sie mit den Handgriffen und den noth¬ wendigsten Commandowörter einigermaßen bekannt, und so traten sie nach wenigen Tagen vor die Front eines Pelotons, welches oft genug Gelegenheit hatte, sie hell auszulachen. Aus allen diesen Gründen konnten auch die Fremdentruppen kein Vertrauen auf ihre Führer setzen und trotz der verhält¬ nißmäßig hohen Löhnung keine besondere Liebe zu ihrem Gouvernement haben. Daß das Eine wie das Andere mangelte, gab sich besonders durch die in unzähliger Menge vorkommenden Desertionen kund. Die Behandlung war im Allgemeine» milde, aber höchst willkürlich. In militärischen Leistungen waren diese Truppen denen einer regulären Nationalarmee nicht entfernt zu vergleichen. Das Reglement und die Beklei- dung so wie die Bewaffnung waren genau französisch, nur bei den italienischen Corps waren die französischen Commaudoworte ins Italienische übersetzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/385>, abgerufen am 16.01.2025.