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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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gehören, eingeführt worden. Diese Grundbesitzer müssen wenigstens 200 Acker
an Gärten, Wiesen und Fcldland im Eigenthum haben und sonst die allge¬
meinen Wühlercigenschasten, namentlich ein dreißigjähriges Alter besitzen. Die
Zahl der Berechtigten betrug bei der letzten Wahl 93; davon waren VS er¬
schienen, so daß auf je vier Wähler ein Gewählter kam; 54 davon unter¬
zeichneten eine Nechtsverwahrung, worin besonders auch das Wahlgesetz
von 1849 vorbehalten und die Hinwirkung auf Einberufung einer "verfas¬
sungsmäßigen Landesvertretung" zur Pflicht gemacht wurde.

Die Wahlkörperschaften der Städte bestellen zur Hälfte ans dem Orts-
vorstandc und den Mitgliedern der Gemeindebehörden, zur Hälfte aus den
Höchstbesteucrten. Darnach betragt z. B. in Kassel, einer Stadt von 38,000
Einwohnern, die Zahl der Wähler 122, welche 16 Wahlmänner zur Ernen¬
nung von 2 Abgeordneten zu wählen haben. In den Landgemeinden haben
nur die Mitglieder der Gemeindebehörden ein Wahlrecht. Dabei ist zu be¬
merken, daß alle Wahlkörper nur aus ihrer Mitte wählen dürfen, und daß
die Negierung durch eine einseitig erlassene landesherrliche Verordnung von
1853 das Recht erhalten hat, von den Gemeindebehörden, sowol in den
Städten als in den Dörfern, Jeden fern zu halten, von dem sie annimmt, daß
er in irgend einer Weise "eine feindselige Gesinnung gegen die Staatsregie-
rung" gezeigt habe.

Wie wenig eine solche Landesvertretung und solche Mahleinrichtungen
dem Lande zusagen können, leuchtet ein. Zugleich wird aber auch klar,
welche Bedeutung alle die Verwahrungen, Rechtsvorbehalte und Erklärungen
haben müssen, welche von solchen Wahlkörpern und Gewählten zu Gunsten
des alten Verfassungsrechts ausgegangen sind und noch ausgehen werden. In
vielen Städten und ebenso in mehrern Landvezirkcn ist mit völliger Einstimmigkeit
verfahren worden; so namentlich in Kassel, wo nur ein einziger UrWähler
ohne Vorbehalt wählte, und wo die 16 Wahlmänner ihren Abgeordneten
Hartwig und Nebelthau, welcher letztere Präsident der zweiten Kammer ge¬
worden ist, einhellig zur Pflicht machten, nach Kräften für Herstellung der
Verfassung von 1831 und für Berufung einer Ständeversammlung nach dem
Wahlgesetze von 1849 zu wirken. Gleiche Entschiedenheit zeigte sich in Hanau,
Marburg, Hersfeld, Schmalkalden :c. In den Landgemeinden der Grafschaft
Schaumburg wählten die sämmtlichen Wahlmänner, fast durchgängig Bürger¬
meister, ohne eine einzige Ausnahme mit Vorbehalt des Verfassungsrechts
von 1831.

^Sonach kann Niemand mehr zweifeln, daß das Land mit aller Entschie¬
denheit am alten Rechte festhält. Es ist aber auch sonnenklar, daß der Rechts-
boden nicht anders wieder gewonnen und nicht anders gegen spätere An¬
fechtungen gesichert werden kann, als daß man zu dem rechtsgültig entstände-


gehören, eingeführt worden. Diese Grundbesitzer müssen wenigstens 200 Acker
an Gärten, Wiesen und Fcldland im Eigenthum haben und sonst die allge¬
meinen Wühlercigenschasten, namentlich ein dreißigjähriges Alter besitzen. Die
Zahl der Berechtigten betrug bei der letzten Wahl 93; davon waren VS er¬
schienen, so daß auf je vier Wähler ein Gewählter kam; 54 davon unter¬
zeichneten eine Nechtsverwahrung, worin besonders auch das Wahlgesetz
von 1849 vorbehalten und die Hinwirkung auf Einberufung einer „verfas¬
sungsmäßigen Landesvertretung" zur Pflicht gemacht wurde.

Die Wahlkörperschaften der Städte bestellen zur Hälfte ans dem Orts-
vorstandc und den Mitgliedern der Gemeindebehörden, zur Hälfte aus den
Höchstbesteucrten. Darnach betragt z. B. in Kassel, einer Stadt von 38,000
Einwohnern, die Zahl der Wähler 122, welche 16 Wahlmänner zur Ernen¬
nung von 2 Abgeordneten zu wählen haben. In den Landgemeinden haben
nur die Mitglieder der Gemeindebehörden ein Wahlrecht. Dabei ist zu be¬
merken, daß alle Wahlkörper nur aus ihrer Mitte wählen dürfen, und daß
die Negierung durch eine einseitig erlassene landesherrliche Verordnung von
1853 das Recht erhalten hat, von den Gemeindebehörden, sowol in den
Städten als in den Dörfern, Jeden fern zu halten, von dem sie annimmt, daß
er in irgend einer Weise „eine feindselige Gesinnung gegen die Staatsregie-
rung" gezeigt habe.

Wie wenig eine solche Landesvertretung und solche Mahleinrichtungen
dem Lande zusagen können, leuchtet ein. Zugleich wird aber auch klar,
welche Bedeutung alle die Verwahrungen, Rechtsvorbehalte und Erklärungen
haben müssen, welche von solchen Wahlkörpern und Gewählten zu Gunsten
des alten Verfassungsrechts ausgegangen sind und noch ausgehen werden. In
vielen Städten und ebenso in mehrern Landvezirkcn ist mit völliger Einstimmigkeit
verfahren worden; so namentlich in Kassel, wo nur ein einziger UrWähler
ohne Vorbehalt wählte, und wo die 16 Wahlmänner ihren Abgeordneten
Hartwig und Nebelthau, welcher letztere Präsident der zweiten Kammer ge¬
worden ist, einhellig zur Pflicht machten, nach Kräften für Herstellung der
Verfassung von 1831 und für Berufung einer Ständeversammlung nach dem
Wahlgesetze von 1849 zu wirken. Gleiche Entschiedenheit zeigte sich in Hanau,
Marburg, Hersfeld, Schmalkalden :c. In den Landgemeinden der Grafschaft
Schaumburg wählten die sämmtlichen Wahlmänner, fast durchgängig Bürger¬
meister, ohne eine einzige Ausnahme mit Vorbehalt des Verfassungsrechts
von 1831.

^Sonach kann Niemand mehr zweifeln, daß das Land mit aller Entschie¬
denheit am alten Rechte festhält. Es ist aber auch sonnenklar, daß der Rechts-
boden nicht anders wieder gewonnen und nicht anders gegen spätere An¬
fechtungen gesichert werden kann, als daß man zu dem rechtsgültig entstände-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/380>, abgerufen am 15.01.2025.