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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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realiter concentrirt würde, und die also nicht aus Gesandten, sondern nur aus
den Souveränen selbst gebildet werden kann."

Wenn man das wörtlich nimmt, so sollte man meinen, der Kaiser von
Oestreich, der König von Preußen, der König von Bayern und alle übrigen
30 sollten persönlich in der Eschenheimer Gasse residiren, und in Wien, Berlin,
München u. s. w. nur Statthalter zurücklassen. Unwillkürlich drängt sich die
Frage auf, wo in der Eschenheimer Gasse für alle diese Hofhaltungen Platz
sein soll? Und diese unglückseligen östreichischen und preußischen Minister, die
sich wöchentlich wenigstens dreimal in Frankfurt einfinden müßten, um Bericht
abzustatten! Es ist unter den deutschen Kannegießern viel Geist gemacht wor¬
den, aber diese stolze Idee, die Regierungen von Oestreich und Preußen nach
Frankfurt zu verlegen, schlägt denn doch alles, was in Hornheim oder Stöt-
teritz gedacht ist.

Aber wir thun am Ende dem geistreichen Verfasser oder vielmehr seinem
Gewährsmann Unrecht. Nicht alle Höfe sollen nach Frankfurt verlegt werden,
und nicht immer sollen sie dort bleiben. Um sicher zu gehen, citiren wir wört¬
lich: "An der Spitze des Bundes steht der Kaiser von Oestreich, der König
von Preußen und einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten (--
sieben?--) . . . Diese drei Monarchen bilden die Bundeshäupter, sie üben
ihre Befugnisse persönlich aus und halten, wie die Regenten der Mit¬
telstaaten, zu dem Ende eine Residenz periodisch in der Bundesstadt. . . .
In ihren Händen ruhen lediglich die Fragen der hohen Politik und die damit
zusammenhängenden Militärmaßrcgeln. Zur Besorgung der laufenden Ge¬
schäfte besteht außerdem aber ein ständiges Organ der Bundesgewalt, da¬
durch gebildet, daß die betreffenden Bundesfürsten einen bestündigen Stellver¬
treter in der Bundesstadt halten. Hierzu werden sie entweder Prinzen ihres
Hauses oder ein Mitglied aus den übrigen souveränen Häusern bestellen."

Also nickt 30 Höfe in der Eschenheimer Gasse, sondern nur 9, freilich
die reichsten! und wenn die Person der Souveräne auch nur periodisch in
Frankfurt residirt, so bleibt doch ein Hof um ihren "alter eM" zurück.
Von den andern 20 Fürsten ist nicht die Rede, sie werden vollständig me-
diatisirt.

Beiläufig: wer sind denn die sieben Mittelstaaten? Die vier Königreiche
sind uns bekannt, aber wer sind die andern drei? Hessen-Cassel, Hesscn-
Darmstadt, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar! Das sind ja
schon mehr als drei? Es geht schon seit längerer Zeit das dunkle Gerücht,
man wolle durch Zusammenlegung mehrerer kleiner Staaten drei Mittelstaaten
schaffen. Kann uns die Leipz. Zeitung vielleicht darüber Auskunft geben?

Was macht es ferner für einen Unterschied, ob der König von Preußen
einen Gesandten oder einen Prinzen in Frankfurt bevollmächtigt? Soll etwa


realiter concentrirt würde, und die also nicht aus Gesandten, sondern nur aus
den Souveränen selbst gebildet werden kann."

Wenn man das wörtlich nimmt, so sollte man meinen, der Kaiser von
Oestreich, der König von Preußen, der König von Bayern und alle übrigen
30 sollten persönlich in der Eschenheimer Gasse residiren, und in Wien, Berlin,
München u. s. w. nur Statthalter zurücklassen. Unwillkürlich drängt sich die
Frage auf, wo in der Eschenheimer Gasse für alle diese Hofhaltungen Platz
sein soll? Und diese unglückseligen östreichischen und preußischen Minister, die
sich wöchentlich wenigstens dreimal in Frankfurt einfinden müßten, um Bericht
abzustatten! Es ist unter den deutschen Kannegießern viel Geist gemacht wor¬
den, aber diese stolze Idee, die Regierungen von Oestreich und Preußen nach
Frankfurt zu verlegen, schlägt denn doch alles, was in Hornheim oder Stöt-
teritz gedacht ist.

Aber wir thun am Ende dem geistreichen Verfasser oder vielmehr seinem
Gewährsmann Unrecht. Nicht alle Höfe sollen nach Frankfurt verlegt werden,
und nicht immer sollen sie dort bleiben. Um sicher zu gehen, citiren wir wört¬
lich: „An der Spitze des Bundes steht der Kaiser von Oestreich, der König
von Preußen und einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten (--
sieben?--) . . . Diese drei Monarchen bilden die Bundeshäupter, sie üben
ihre Befugnisse persönlich aus und halten, wie die Regenten der Mit¬
telstaaten, zu dem Ende eine Residenz periodisch in der Bundesstadt. . . .
In ihren Händen ruhen lediglich die Fragen der hohen Politik und die damit
zusammenhängenden Militärmaßrcgeln. Zur Besorgung der laufenden Ge¬
schäfte besteht außerdem aber ein ständiges Organ der Bundesgewalt, da¬
durch gebildet, daß die betreffenden Bundesfürsten einen bestündigen Stellver¬
treter in der Bundesstadt halten. Hierzu werden sie entweder Prinzen ihres
Hauses oder ein Mitglied aus den übrigen souveränen Häusern bestellen."

Also nickt 30 Höfe in der Eschenheimer Gasse, sondern nur 9, freilich
die reichsten! und wenn die Person der Souveräne auch nur periodisch in
Frankfurt residirt, so bleibt doch ein Hof um ihren „alter eM" zurück.
Von den andern 20 Fürsten ist nicht die Rede, sie werden vollständig me-
diatisirt.

Beiläufig: wer sind denn die sieben Mittelstaaten? Die vier Königreiche
sind uns bekannt, aber wer sind die andern drei? Hessen-Cassel, Hesscn-
Darmstadt, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar! Das sind ja
schon mehr als drei? Es geht schon seit längerer Zeit das dunkle Gerücht,
man wolle durch Zusammenlegung mehrerer kleiner Staaten drei Mittelstaaten
schaffen. Kann uns die Leipz. Zeitung vielleicht darüber Auskunft geben?

Was macht es ferner für einen Unterschied, ob der König von Preußen
einen Gesandten oder einen Prinzen in Frankfurt bevollmächtigt? Soll etwa


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[0368] realiter concentrirt würde, und die also nicht aus Gesandten, sondern nur aus den Souveränen selbst gebildet werden kann." Wenn man das wörtlich nimmt, so sollte man meinen, der Kaiser von Oestreich, der König von Preußen, der König von Bayern und alle übrigen 30 sollten persönlich in der Eschenheimer Gasse residiren, und in Wien, Berlin, München u. s. w. nur Statthalter zurücklassen. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, wo in der Eschenheimer Gasse für alle diese Hofhaltungen Platz sein soll? Und diese unglückseligen östreichischen und preußischen Minister, die sich wöchentlich wenigstens dreimal in Frankfurt einfinden müßten, um Bericht abzustatten! Es ist unter den deutschen Kannegießern viel Geist gemacht wor¬ den, aber diese stolze Idee, die Regierungen von Oestreich und Preußen nach Frankfurt zu verlegen, schlägt denn doch alles, was in Hornheim oder Stöt- teritz gedacht ist. Aber wir thun am Ende dem geistreichen Verfasser oder vielmehr seinem Gewährsmann Unrecht. Nicht alle Höfe sollen nach Frankfurt verlegt werden, und nicht immer sollen sie dort bleiben. Um sicher zu gehen, citiren wir wört¬ lich: „An der Spitze des Bundes steht der Kaiser von Oestreich, der König von Preußen und einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten (-- sieben?--) . . . Diese drei Monarchen bilden die Bundeshäupter, sie üben ihre Befugnisse persönlich aus und halten, wie die Regenten der Mit¬ telstaaten, zu dem Ende eine Residenz periodisch in der Bundesstadt. . . . In ihren Händen ruhen lediglich die Fragen der hohen Politik und die damit zusammenhängenden Militärmaßrcgeln. Zur Besorgung der laufenden Ge¬ schäfte besteht außerdem aber ein ständiges Organ der Bundesgewalt, da¬ durch gebildet, daß die betreffenden Bundesfürsten einen bestündigen Stellver¬ treter in der Bundesstadt halten. Hierzu werden sie entweder Prinzen ihres Hauses oder ein Mitglied aus den übrigen souveränen Häusern bestellen." Also nickt 30 Höfe in der Eschenheimer Gasse, sondern nur 9, freilich die reichsten! und wenn die Person der Souveräne auch nur periodisch in Frankfurt residirt, so bleibt doch ein Hof um ihren „alter eM" zurück. Von den andern 20 Fürsten ist nicht die Rede, sie werden vollständig me- diatisirt. Beiläufig: wer sind denn die sieben Mittelstaaten? Die vier Königreiche sind uns bekannt, aber wer sind die andern drei? Hessen-Cassel, Hesscn- Darmstadt, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar! Das sind ja schon mehr als drei? Es geht schon seit längerer Zeit das dunkle Gerücht, man wolle durch Zusammenlegung mehrerer kleiner Staaten drei Mittelstaaten schaffen. Kann uns die Leipz. Zeitung vielleicht darüber Auskunft geben? Was macht es ferner für einen Unterschied, ob der König von Preußen einen Gesandten oder einen Prinzen in Frankfurt bevollmächtigt? Soll etwa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/368>, abgerufen am 15.01.2025.