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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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verlangte, wir behaupten aber, daß sie keines der wesentlichen Attribute der
Souveränetät aufzuopfern brauchten. Denn die Souveränetät ist, wie wir
gezeigt, in ihrer Ausübung von der Natur der Dinge abhängig; und ein deut¬
scher Minister, der in den letzten Jahren an die Cabinete von Se. Petersburg,
Se. James u. s. w. vortreffliche, höchst geistvoll abgefaßte Noten richtete,
würde in einem engeren Bundesstaat ganz dasselbe thun könncy, nnr an eine
andere Adresse gerichtet.

Herr Constantin Franz behauptet mit dem größten Beifall der Leipziger
Zeitung: "um den projectirten engeren Bundesstaat herzustellen, müßte man
erst die Fürsten von Land und Leuten vertreibe"; wir sagen ausdrücklich ver¬
treiben', denn gutwillig oder auf freundliches Anrathen gehn sie nicht."

Diese Behauptung enthält theils eine schändliche Verläumdung gegen die
Centrums-Partei von 1849, in der es keinen gab. dem so etwas eingefallen
wäre; theils eine Verdächtigung der Fürsten, als ob sie nicht bereit wären,
dem Wohl des Ganzen etwas zu opfern. Die Geschichte legt sür die Fürsten
ein besseres Zeugniß ab.

Sämmtliche deutsche Fürsten mit Ausnahme von Bayern und Wür-
temberg haben zuerst im Dreikönigs-Bcrtrag, dann in den Unionsentwürfen
im Wesentlichen dasselbe Prognmm unterzeichnet, welches Herr Constantin
Franz für unmöglich ausgibt. Zwar sind Hannover und Sachsen in späte¬
rer Zeit davon zurückgetreten; aber wenn sie dazu auch von mehreren Grün¬
den bestimmt wurden, so war ein nicht unwesentlicher Grund, daß die damalige
preußische Negierung sich als völlig unfähig erwies, das Programm durchzu¬
führen. Was aber einmal in der Geschichte vorkam -- die Bereitwilligkeit
der Fürsten, dem Wohl des Ganzen einen Theil ihrer Rechte aufzuopfern --
erweist sich dadurch als nicht absolut unmöglich. -- Ja die Chancen sind
jetzt günstiger als damals wegen der völlig veränderten Stellung Oestreichs
und wegen der gemeinsamen Gefahr, die uns von Frankreich droht.

Herr Franz lebt, soviel wir- wissen, in Berlin. Möge er einmal nach¬
fragen, wer in den sämmtlichen preußischen Landen nach dem Regenten die
meiste Verehrung genießt: die einstimmige Antwort wird sein: der Minister-
Präsident Fürst von H o h enzo item; derselbe, der nicht einen Theil
seiner Souverünetät. sondern seine ganze Souveränetät ohne äußere Veran¬
lassung freiwillig aufgab. Es ist dadurch nicht kleiner geworden.

Nachdem Herr Franz constatirt. daß die bisherige Bundesverfassung nicht
genügt, stellt er folgenden Vorschlag auf: "Der Bundestag ist eine bloße
Gesandtenconferenz, die nur zum Verhandeln genügen würde, nicht aber zum
Handeln, es bedarf eines Organs, wodurch der Bund ein handlungsfähiges
Object wird. Dazu gehört eine Centralgewalt, in welcher die Collectivgc-
walt der einzelnen Staaten nicht blos dem Namen nach repräsentirt. sondern


verlangte, wir behaupten aber, daß sie keines der wesentlichen Attribute der
Souveränetät aufzuopfern brauchten. Denn die Souveränetät ist, wie wir
gezeigt, in ihrer Ausübung von der Natur der Dinge abhängig; und ein deut¬
scher Minister, der in den letzten Jahren an die Cabinete von Se. Petersburg,
Se. James u. s. w. vortreffliche, höchst geistvoll abgefaßte Noten richtete,
würde in einem engeren Bundesstaat ganz dasselbe thun könncy, nnr an eine
andere Adresse gerichtet.

Herr Constantin Franz behauptet mit dem größten Beifall der Leipziger
Zeitung: „um den projectirten engeren Bundesstaat herzustellen, müßte man
erst die Fürsten von Land und Leuten vertreibe»; wir sagen ausdrücklich ver¬
treiben', denn gutwillig oder auf freundliches Anrathen gehn sie nicht."

Diese Behauptung enthält theils eine schändliche Verläumdung gegen die
Centrums-Partei von 1849, in der es keinen gab. dem so etwas eingefallen
wäre; theils eine Verdächtigung der Fürsten, als ob sie nicht bereit wären,
dem Wohl des Ganzen etwas zu opfern. Die Geschichte legt sür die Fürsten
ein besseres Zeugniß ab.

Sämmtliche deutsche Fürsten mit Ausnahme von Bayern und Wür-
temberg haben zuerst im Dreikönigs-Bcrtrag, dann in den Unionsentwürfen
im Wesentlichen dasselbe Prognmm unterzeichnet, welches Herr Constantin
Franz für unmöglich ausgibt. Zwar sind Hannover und Sachsen in späte¬
rer Zeit davon zurückgetreten; aber wenn sie dazu auch von mehreren Grün¬
den bestimmt wurden, so war ein nicht unwesentlicher Grund, daß die damalige
preußische Negierung sich als völlig unfähig erwies, das Programm durchzu¬
führen. Was aber einmal in der Geschichte vorkam — die Bereitwilligkeit
der Fürsten, dem Wohl des Ganzen einen Theil ihrer Rechte aufzuopfern —
erweist sich dadurch als nicht absolut unmöglich. — Ja die Chancen sind
jetzt günstiger als damals wegen der völlig veränderten Stellung Oestreichs
und wegen der gemeinsamen Gefahr, die uns von Frankreich droht.

Herr Franz lebt, soviel wir- wissen, in Berlin. Möge er einmal nach¬
fragen, wer in den sämmtlichen preußischen Landen nach dem Regenten die
meiste Verehrung genießt: die einstimmige Antwort wird sein: der Minister-
Präsident Fürst von H o h enzo item; derselbe, der nicht einen Theil
seiner Souverünetät. sondern seine ganze Souveränetät ohne äußere Veran¬
lassung freiwillig aufgab. Es ist dadurch nicht kleiner geworden.

Nachdem Herr Franz constatirt. daß die bisherige Bundesverfassung nicht
genügt, stellt er folgenden Vorschlag auf: „Der Bundestag ist eine bloße
Gesandtenconferenz, die nur zum Verhandeln genügen würde, nicht aber zum
Handeln, es bedarf eines Organs, wodurch der Bund ein handlungsfähiges
Object wird. Dazu gehört eine Centralgewalt, in welcher die Collectivgc-
walt der einzelnen Staaten nicht blos dem Namen nach repräsentirt. sondern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/367>, abgerufen am 16.01.2025.