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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Mond ansehen, der erst durch sie sein Licht erhält. So hieß es auch in,
Separatartikel zum Concordat, daß nur "der heilsame Einfluß der Kirche die
Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft befestiget". Dem Concordat folgte
das neue Eherecht- Es sprach bekanntlich den Grundsatz aus, daß "es keinem
Katholiken erlaubt ist sich im Kaiserthum Oestreich anders zu verehelichen
als mit Beobachtung aller Vorschriften, welche das Kirchengesetz über die
Giltigkeit der Ehe aufstellt." Der Staat lieh also grade wie im Mittelalter
der Kirche den Arm seiner strafenden Gewalt; wer das Ehegesetz der Kirche
übertrat, verfiel auch dem weltlichen Richter. Somit war die Gleichberech¬
tigung aller vor dem Gesetz zum Frommen kirchlicher Unduldsamkeit aufgehoben,
die Katholiken fuhren dabei noch schlimmer als die Protestanten; denn wäh¬
rend diese sich nur bei ihrer Verehelichung mit Katholiken der Ausstellung
eines Reverses über Kindererziehung beugen sollten, waren jene der Willkür
und Chicane ihrer geistlichen Oberhirten nicht nur bei gemischten Ehen son¬
dern auch bei Eheverlöbnissen, ferneren Verwandtschaftsgraben, Aufgebot und
durch eine Menge von Förmlichkeiten bloßgestellt; der Bischof konnte auf ge¬
wisse Vermuthungen hin die Eingehung der Ehe verbieten (§. 67 der Anweisung
für die geistlichen Gerichte) und ein Bischof Tirols ging so weit zu erklären,
daß er zu gemischten Ehen trotz des angegebenen Reverses keinen Dispens
mehr ertheile. Die Presse mußte zu allem dem schweigen, denn auf ihr lastete
ein eigener Zwang.

Der Beherrscher Oestreichs hatte durch seine Zustimmung zu diesen
Maßnahmen alle wohlwollenden Vaterlandsfreunde von sich entfernt, er hatte
sich mit Männern umgeben, welche seine Verstimmung über zeitgemäße Ein¬
richtungen schlau auszubeuten wußten; die alte Hofpartei, die den Jesuiten
huldigte, weil der geistige Druck mit dem politischen Hand in Hand geht,
erhob mit gesteigertem Selbstgefühl ihr Haupt. Unter dem Schutz der abso¬
luten Minister legte die allmächtige Bureaukratie jede freie Bewegung in
Varben. das öffentliche Leben erlahmte und mit ihm auch jeder Antheil am
Wohl des Vaterlandes. Unzufriedenheit, Mißmuth, Unwille hatte sich in
alle Herzen genistet, alles Vertrauen in die Regierung war dahin. Am
deutlichsten trat dies, da jede offene Aeußerung verboten, durch thatsächliche
Verhältnisse namentlich beim Credit des Staates hervor; wenn sich auch der
Cours der Papiere durch den Frieden gehoben hatte, das Silber wollte doch
nicht zu Tage, und beim ersten Kanonenschuß sanken sie um mehr als zwei
Fünftel ihres Nennwerthes. Der Krieg deckte neue Schäden. Unterschleife
höchst gestellter Personen auf, die nur unter einer Verwaltung ohne Controle
wöglich, er offenbarte die Unfähigkeit der Führer, die Amt, und Stellung
jeuer einflußreichen Hofpartei verdankten; beides waren die Folgen des ab¬
soluten Regimes.


Mond ansehen, der erst durch sie sein Licht erhält. So hieß es auch in,
Separatartikel zum Concordat, daß nur „der heilsame Einfluß der Kirche die
Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft befestiget". Dem Concordat folgte
das neue Eherecht- Es sprach bekanntlich den Grundsatz aus, daß „es keinem
Katholiken erlaubt ist sich im Kaiserthum Oestreich anders zu verehelichen
als mit Beobachtung aller Vorschriften, welche das Kirchengesetz über die
Giltigkeit der Ehe aufstellt." Der Staat lieh also grade wie im Mittelalter
der Kirche den Arm seiner strafenden Gewalt; wer das Ehegesetz der Kirche
übertrat, verfiel auch dem weltlichen Richter. Somit war die Gleichberech¬
tigung aller vor dem Gesetz zum Frommen kirchlicher Unduldsamkeit aufgehoben,
die Katholiken fuhren dabei noch schlimmer als die Protestanten; denn wäh¬
rend diese sich nur bei ihrer Verehelichung mit Katholiken der Ausstellung
eines Reverses über Kindererziehung beugen sollten, waren jene der Willkür
und Chicane ihrer geistlichen Oberhirten nicht nur bei gemischten Ehen son¬
dern auch bei Eheverlöbnissen, ferneren Verwandtschaftsgraben, Aufgebot und
durch eine Menge von Förmlichkeiten bloßgestellt; der Bischof konnte auf ge¬
wisse Vermuthungen hin die Eingehung der Ehe verbieten (§. 67 der Anweisung
für die geistlichen Gerichte) und ein Bischof Tirols ging so weit zu erklären,
daß er zu gemischten Ehen trotz des angegebenen Reverses keinen Dispens
mehr ertheile. Die Presse mußte zu allem dem schweigen, denn auf ihr lastete
ein eigener Zwang.

Der Beherrscher Oestreichs hatte durch seine Zustimmung zu diesen
Maßnahmen alle wohlwollenden Vaterlandsfreunde von sich entfernt, er hatte
sich mit Männern umgeben, welche seine Verstimmung über zeitgemäße Ein¬
richtungen schlau auszubeuten wußten; die alte Hofpartei, die den Jesuiten
huldigte, weil der geistige Druck mit dem politischen Hand in Hand geht,
erhob mit gesteigertem Selbstgefühl ihr Haupt. Unter dem Schutz der abso¬
luten Minister legte die allmächtige Bureaukratie jede freie Bewegung in
Varben. das öffentliche Leben erlahmte und mit ihm auch jeder Antheil am
Wohl des Vaterlandes. Unzufriedenheit, Mißmuth, Unwille hatte sich in
alle Herzen genistet, alles Vertrauen in die Regierung war dahin. Am
deutlichsten trat dies, da jede offene Aeußerung verboten, durch thatsächliche
Verhältnisse namentlich beim Credit des Staates hervor; wenn sich auch der
Cours der Papiere durch den Frieden gehoben hatte, das Silber wollte doch
nicht zu Tage, und beim ersten Kanonenschuß sanken sie um mehr als zwei
Fünftel ihres Nennwerthes. Der Krieg deckte neue Schäden. Unterschleife
höchst gestellter Personen auf, die nur unter einer Verwaltung ohne Controle
wöglich, er offenbarte die Unfähigkeit der Führer, die Amt, und Stellung
jeuer einflußreichen Hofpartei verdankten; beides waren die Folgen des ab¬
soluten Regimes.


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[0355] Mond ansehen, der erst durch sie sein Licht erhält. So hieß es auch in, Separatartikel zum Concordat, daß nur „der heilsame Einfluß der Kirche die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft befestiget". Dem Concordat folgte das neue Eherecht- Es sprach bekanntlich den Grundsatz aus, daß „es keinem Katholiken erlaubt ist sich im Kaiserthum Oestreich anders zu verehelichen als mit Beobachtung aller Vorschriften, welche das Kirchengesetz über die Giltigkeit der Ehe aufstellt." Der Staat lieh also grade wie im Mittelalter der Kirche den Arm seiner strafenden Gewalt; wer das Ehegesetz der Kirche übertrat, verfiel auch dem weltlichen Richter. Somit war die Gleichberech¬ tigung aller vor dem Gesetz zum Frommen kirchlicher Unduldsamkeit aufgehoben, die Katholiken fuhren dabei noch schlimmer als die Protestanten; denn wäh¬ rend diese sich nur bei ihrer Verehelichung mit Katholiken der Ausstellung eines Reverses über Kindererziehung beugen sollten, waren jene der Willkür und Chicane ihrer geistlichen Oberhirten nicht nur bei gemischten Ehen son¬ dern auch bei Eheverlöbnissen, ferneren Verwandtschaftsgraben, Aufgebot und durch eine Menge von Förmlichkeiten bloßgestellt; der Bischof konnte auf ge¬ wisse Vermuthungen hin die Eingehung der Ehe verbieten (§. 67 der Anweisung für die geistlichen Gerichte) und ein Bischof Tirols ging so weit zu erklären, daß er zu gemischten Ehen trotz des angegebenen Reverses keinen Dispens mehr ertheile. Die Presse mußte zu allem dem schweigen, denn auf ihr lastete ein eigener Zwang. Der Beherrscher Oestreichs hatte durch seine Zustimmung zu diesen Maßnahmen alle wohlwollenden Vaterlandsfreunde von sich entfernt, er hatte sich mit Männern umgeben, welche seine Verstimmung über zeitgemäße Ein¬ richtungen schlau auszubeuten wußten; die alte Hofpartei, die den Jesuiten huldigte, weil der geistige Druck mit dem politischen Hand in Hand geht, erhob mit gesteigertem Selbstgefühl ihr Haupt. Unter dem Schutz der abso¬ luten Minister legte die allmächtige Bureaukratie jede freie Bewegung in Varben. das öffentliche Leben erlahmte und mit ihm auch jeder Antheil am Wohl des Vaterlandes. Unzufriedenheit, Mißmuth, Unwille hatte sich in alle Herzen genistet, alles Vertrauen in die Regierung war dahin. Am deutlichsten trat dies, da jede offene Aeußerung verboten, durch thatsächliche Verhältnisse namentlich beim Credit des Staates hervor; wenn sich auch der Cours der Papiere durch den Frieden gehoben hatte, das Silber wollte doch nicht zu Tage, und beim ersten Kanonenschuß sanken sie um mehr als zwei Fünftel ihres Nennwerthes. Der Krieg deckte neue Schäden. Unterschleife höchst gestellter Personen auf, die nur unter einer Verwaltung ohne Controle wöglich, er offenbarte die Unfähigkeit der Führer, die Amt, und Stellung jeuer einflußreichen Hofpartei verdankten; beides waren die Folgen des ab¬ soluten Regimes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/355>, abgerufen am 16.01.2025.