Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.in die reaktivirten Kammern el". So war denn Alles auf die 75 Männer in die reaktivirten Kammern el». So war denn Alles auf die 75 Männer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0345" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110693"/> <p xml:id="ID_1018" prev="#ID_1017" next="#ID_1019"> in die reaktivirten Kammern el». So war denn Alles auf die 75 Männer<lb/> gesetzt, welche die zweite Kammer im Jahre 1348 gebildet hatten, beziehent¬<lb/> lich deren Vertreter; und diese fanden sich ein, zwar nicht Alle, ja von<lb/> den Hauptabgeordneten nur etwas über die Hälfte, doch genug, um das Mi¬<lb/> nisterium durch den äußern Erfolg zu rechtfertigen. Ebenso schwer aber wog<lb/> eine moralische Niederlage die dem Ministerium durch den Beschluß der Uni¬<lb/> versität, den Landtag nicht zu beschicken, bereitet wurde. Von allen Professo¬<lb/> ren des Rechts hatte nur ein Einziger, Schilling, die Rechtsfrage wenigstens<lb/> für „zweifelhaft" erklärt; die andern einigten sich dahin, „daß die Verord¬<lb/> nung vom 3. Juni 1850 nicht, wie das Ministerium behaupte, den bestehen¬<lb/> den Rechtszustand declarire. sondern allerdings denselben auf dem Verordnungs¬<lb/> wege abändere, während doch eine jede Abänderung der Verfassung und des<lb/> Wahlgesetzes durch einseitige Verordnung von § 88 der Verfassung ausdrücklich<lb/> untersagt sei; daß also durch die betreffende Verordnung vom 3. Juni eine<lb/> Verfassungsverletzung versucht und eine jede Befolgung dieser Verordnung eine<lb/> weitere Verfassuugsvcrlctzung, demnach rechtlich nichtig und strafbar sei ze."<lb/> Die freimüthige Sachsen-Zeitung erwiederte diesen Beschluß mit einem seiner<lb/> Zeit berüchtigt gewordenen Artikel, sie sagte:.....wus wird man ihnen ant¬<lb/> worten? O daß wir die Autwort zu geben hätten! Zwanzig souveraine<lb/> Professoren (soviel betrug die Zahl der Majorität) würden morgen unter Auf¬<lb/> hebung aller Verpflichtungen gegen sie, die selbst die vornehmste Pflicht der<lb/> Treue gebrochen haben, von Amt und Würden entlassen. Zwanzig souveraine<lb/> Professoren müßten das Land verlassen, dem sie die Theilnahme an seiner<lb/> Aushülfe versagt haben; müßten, den Bcttelsack auf den Schultern, fortziehen.<lb/> Was ist eine Handvoll Professoren im Jahre 1850, nachdem deutsche Län¬<lb/> der seit zwei Jahren durch Professorenweisheit verarmt, verwüstet und ruinirt<lb/> sind ze. ?" Es wird eine ewige Schmach für Sachsen sein, daß eine solche<lb/> Verachtung von Cultur und Intelligenz, die an die Zeiten des dreißigjährigen<lb/> Krieges erinnert, indem Organe der sächsischen Aristokratie in der Mitte<lb/> des 19. Jahrhunderts ausgesprochen werden konnte. Ganz so antwortete nun<lb/> freilich die Negierung nicht, indeß unter dem 2. Juli 1850 erließ Herr von<lb/> Beust. der zugleich Minister des Cultus war, eine Verordnung an den aca-<lb/> demischen Senat, worin er denselben zur sofortigen Vornahme der Wahl auf¬<lb/> forderte: „es erwartet nun aber das Ministerium mit Bestimmtheit, der aca-<lb/> demische Senat werde eingedenk, daß ihm ebensowohl Gehorsam gegen die<lb/> Anordnungen der Regierung als die Wahrung der Rechte der Universität ob¬<lb/> läge, und daß er ebendeshalb nicht nur das Recht, sondern auch die Ver¬<lb/> pflichtung " habe, einen Vertreter zum angeordneten Landtage zu schicken, dieser<lb/> Verpflichtung, wie sich gebührt, nachkommen und das Ministerium nicht in<lb/> die Lage versetzen, von seiner Oberaussichtspflicht einen andern Gebrauch, als</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0345]
in die reaktivirten Kammern el». So war denn Alles auf die 75 Männer
gesetzt, welche die zweite Kammer im Jahre 1348 gebildet hatten, beziehent¬
lich deren Vertreter; und diese fanden sich ein, zwar nicht Alle, ja von
den Hauptabgeordneten nur etwas über die Hälfte, doch genug, um das Mi¬
nisterium durch den äußern Erfolg zu rechtfertigen. Ebenso schwer aber wog
eine moralische Niederlage die dem Ministerium durch den Beschluß der Uni¬
versität, den Landtag nicht zu beschicken, bereitet wurde. Von allen Professo¬
ren des Rechts hatte nur ein Einziger, Schilling, die Rechtsfrage wenigstens
für „zweifelhaft" erklärt; die andern einigten sich dahin, „daß die Verord¬
nung vom 3. Juni 1850 nicht, wie das Ministerium behaupte, den bestehen¬
den Rechtszustand declarire. sondern allerdings denselben auf dem Verordnungs¬
wege abändere, während doch eine jede Abänderung der Verfassung und des
Wahlgesetzes durch einseitige Verordnung von § 88 der Verfassung ausdrücklich
untersagt sei; daß also durch die betreffende Verordnung vom 3. Juni eine
Verfassungsverletzung versucht und eine jede Befolgung dieser Verordnung eine
weitere Verfassuugsvcrlctzung, demnach rechtlich nichtig und strafbar sei ze."
Die freimüthige Sachsen-Zeitung erwiederte diesen Beschluß mit einem seiner
Zeit berüchtigt gewordenen Artikel, sie sagte:.....wus wird man ihnen ant¬
worten? O daß wir die Autwort zu geben hätten! Zwanzig souveraine
Professoren (soviel betrug die Zahl der Majorität) würden morgen unter Auf¬
hebung aller Verpflichtungen gegen sie, die selbst die vornehmste Pflicht der
Treue gebrochen haben, von Amt und Würden entlassen. Zwanzig souveraine
Professoren müßten das Land verlassen, dem sie die Theilnahme an seiner
Aushülfe versagt haben; müßten, den Bcttelsack auf den Schultern, fortziehen.
Was ist eine Handvoll Professoren im Jahre 1850, nachdem deutsche Län¬
der seit zwei Jahren durch Professorenweisheit verarmt, verwüstet und ruinirt
sind ze. ?" Es wird eine ewige Schmach für Sachsen sein, daß eine solche
Verachtung von Cultur und Intelligenz, die an die Zeiten des dreißigjährigen
Krieges erinnert, indem Organe der sächsischen Aristokratie in der Mitte
des 19. Jahrhunderts ausgesprochen werden konnte. Ganz so antwortete nun
freilich die Negierung nicht, indeß unter dem 2. Juli 1850 erließ Herr von
Beust. der zugleich Minister des Cultus war, eine Verordnung an den aca-
demischen Senat, worin er denselben zur sofortigen Vornahme der Wahl auf¬
forderte: „es erwartet nun aber das Ministerium mit Bestimmtheit, der aca-
demische Senat werde eingedenk, daß ihm ebensowohl Gehorsam gegen die
Anordnungen der Regierung als die Wahrung der Rechte der Universität ob¬
läge, und daß er ebendeshalb nicht nur das Recht, sondern auch die Ver¬
pflichtung " habe, einen Vertreter zum angeordneten Landtage zu schicken, dieser
Verpflichtung, wie sich gebührt, nachkommen und das Ministerium nicht in
die Lage versetzen, von seiner Oberaussichtspflicht einen andern Gebrauch, als
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |