Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.gewiß, daß man in ruhigen Tagen mit diesen Gesetzen würde gut regieren Es war denn auch nicht eine Frage der Vcrsaffungspolitik. sondern der Nachdem die sächsische Negierung das von ihr selbst mit geschaffne Unions- gewiß, daß man in ruhigen Tagen mit diesen Gesetzen würde gut regieren Es war denn auch nicht eine Frage der Vcrsaffungspolitik. sondern der Nachdem die sächsische Negierung das von ihr selbst mit geschaffne Unions- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110690"/> <p xml:id="ID_1010" prev="#ID_1009"> gewiß, daß man in ruhigen Tagen mit diesen Gesetzen würde gut regieren<lb/> können. Wie wenig aber ein Wahlgesetz in bewegten Zeiten im Stande ist,<lb/> den Charakter der auf Grund desselben vorgenommenen Wahlen selbständig zu<lb/> bestimmen, das zeigte sich, wie in allen Ländern, so auch in Sachsen. Waren<lb/> schon nach dem alten Wahlgesetze unter den, Einflüsse des Jahres 1848 radi¬<lb/> kale Elemente in die zweite Kammer gekommen, so zeigte sich der Einfluß der<lb/> Zeit insonderheit auch an den beiden auf Grund der neuen Gesetze gewählten<lb/> Ständeversammlungen. Die erste hat sich den unsterblichen Namen des „Un¬<lb/> verstandslandtags" verdient; die zweite im Jahre 1850 zusammengetretene da¬<lb/> gegen bestand aus durchaus gemäßigten Elementen. Gänzlich falsch wäre es<lb/> freilich, durch eine solche Betrachtung indifferent gegen ein normales Wahlge¬<lb/> setz zu werden, vielmehr muß man grade hierin die Aufforderung finden, in<lb/> Zeiten politischer Ruhe ein Wahlgesetz zu schaffen, durch dessen Besitz das Volk<lb/> politisch herangebildet und vor der Gefahr bewahrt wird, in Zeiten der Be¬<lb/> wegung von Extrem zu Extrem geworfen zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1011"> Es war denn auch nicht eine Frage der Vcrsaffungspolitik. sondern der<lb/> deutschen Politik, welche den Bruch des Ministeriums mit den Kammern vol¬<lb/> lendete und zu jenen unseligen Maßregeln führte, welche das Rechtsbewußtsein<lb/> und das Rechtsvertrauen im Volke tief erschüttert und die Rechtscontinuität<lb/> in der sächsischen Verfassungsentwicklung zerissen haben. Diese Maßregeln haben<lb/> ihrer Zeit in Deutschland eine traurige Berühmtheit erlangt, aber sie sind da¬<lb/> mals unter der Wucht der großen nationalen Begebenheiten bald zurückgetreten,<lb/> und es dürfte deshalb sich verlohnen, einen kurzen Blick auf dieselben zu werfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1012" next="#ID_1013"> Nachdem die sächsische Negierung das von ihr selbst mit geschaffne Unions-<lb/> project durch die Hinterthüre ihres berühmten Vorbehalts verlassen hatte, war<lb/> in der zweiten Kammer auf den Antrag des Abg. Biedermann am 24. April<lb/> 1850 ein für die deutsche Verfassungsfrage niedergesetzter außerordentlicher<lb/> Ausschuß beauftragt worden; I. ungesäumte Erörterung anzustellen, ob nicht<lb/> der Zeitpunkt eingetreten sei. wo die Kammer ihr verfassungsmäßiges Recht<lb/> der Zustimmung zur Feststellung der deutschen Verfassungsangclegenheit geltend<lb/> zu machen habe; 2. bejahenden Falls Vorschläge über die Bewerkstelligung<lb/> dessen zu machen. Der Ausschuß richtete, da inzwischen die östreichische Re¬<lb/> gierung durch die Circularnote vom 26. April 1850 eine Plenarvcrsammlung<lb/> des Bundes einberufen hatte, an die Staatsregierung die Fragen: 1. ob die<lb/> sächsische Regierung zur Beschickung der Plenarvcrsammlung, welche die Ein¬<lb/> setzung eines neuen provisorischen Bundesorganes und die Revision der Bun¬<lb/> desverfassung nach den Bestimmungen des § 4 der Wiener Schlußacte vorzu¬<lb/> nehmen habe, sich verpflichtet halte? 2. wie sie eine solche Verpflichtung mit §§ 2.<lb/> 86 und 96 der Verf. Art. in Einklang setzen zu können glaube? 3. ob sie be¬<lb/> reits einen Bevollmächtigten abgeordnet habe? — die Negierung bejahte die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342]
gewiß, daß man in ruhigen Tagen mit diesen Gesetzen würde gut regieren
können. Wie wenig aber ein Wahlgesetz in bewegten Zeiten im Stande ist,
den Charakter der auf Grund desselben vorgenommenen Wahlen selbständig zu
bestimmen, das zeigte sich, wie in allen Ländern, so auch in Sachsen. Waren
schon nach dem alten Wahlgesetze unter den, Einflüsse des Jahres 1848 radi¬
kale Elemente in die zweite Kammer gekommen, so zeigte sich der Einfluß der
Zeit insonderheit auch an den beiden auf Grund der neuen Gesetze gewählten
Ständeversammlungen. Die erste hat sich den unsterblichen Namen des „Un¬
verstandslandtags" verdient; die zweite im Jahre 1850 zusammengetretene da¬
gegen bestand aus durchaus gemäßigten Elementen. Gänzlich falsch wäre es
freilich, durch eine solche Betrachtung indifferent gegen ein normales Wahlge¬
setz zu werden, vielmehr muß man grade hierin die Aufforderung finden, in
Zeiten politischer Ruhe ein Wahlgesetz zu schaffen, durch dessen Besitz das Volk
politisch herangebildet und vor der Gefahr bewahrt wird, in Zeiten der Be¬
wegung von Extrem zu Extrem geworfen zu werden.
Es war denn auch nicht eine Frage der Vcrsaffungspolitik. sondern der
deutschen Politik, welche den Bruch des Ministeriums mit den Kammern vol¬
lendete und zu jenen unseligen Maßregeln führte, welche das Rechtsbewußtsein
und das Rechtsvertrauen im Volke tief erschüttert und die Rechtscontinuität
in der sächsischen Verfassungsentwicklung zerissen haben. Diese Maßregeln haben
ihrer Zeit in Deutschland eine traurige Berühmtheit erlangt, aber sie sind da¬
mals unter der Wucht der großen nationalen Begebenheiten bald zurückgetreten,
und es dürfte deshalb sich verlohnen, einen kurzen Blick auf dieselben zu werfen.
Nachdem die sächsische Negierung das von ihr selbst mit geschaffne Unions-
project durch die Hinterthüre ihres berühmten Vorbehalts verlassen hatte, war
in der zweiten Kammer auf den Antrag des Abg. Biedermann am 24. April
1850 ein für die deutsche Verfassungsfrage niedergesetzter außerordentlicher
Ausschuß beauftragt worden; I. ungesäumte Erörterung anzustellen, ob nicht
der Zeitpunkt eingetreten sei. wo die Kammer ihr verfassungsmäßiges Recht
der Zustimmung zur Feststellung der deutschen Verfassungsangclegenheit geltend
zu machen habe; 2. bejahenden Falls Vorschläge über die Bewerkstelligung
dessen zu machen. Der Ausschuß richtete, da inzwischen die östreichische Re¬
gierung durch die Circularnote vom 26. April 1850 eine Plenarvcrsammlung
des Bundes einberufen hatte, an die Staatsregierung die Fragen: 1. ob die
sächsische Regierung zur Beschickung der Plenarvcrsammlung, welche die Ein¬
setzung eines neuen provisorischen Bundesorganes und die Revision der Bun¬
desverfassung nach den Bestimmungen des § 4 der Wiener Schlußacte vorzu¬
nehmen habe, sich verpflichtet halte? 2. wie sie eine solche Verpflichtung mit §§ 2.
86 und 96 der Verf. Art. in Einklang setzen zu können glaube? 3. ob sie be¬
reits einen Bevollmächtigten abgeordnet habe? — die Negierung bejahte die
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