Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.machte die Regierung einen immerhin interessanten Versuch, gewissen Lebens- machte die Regierung einen immerhin interessanten Versuch, gewissen Lebens- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110688"/> <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006" next="#ID_1008"> machte die Regierung einen immerhin interessanten Versuch, gewissen Lebens-<lb/> kreisen der Intelligenz eine besondere Vertretung in der ersten Kammer zu<lb/> geben. Zehn Mitglieder sollten nämlich noch in diese gewählt werden l. einer<lb/> von der Universität Leipzig, 2, drei von den Lehrern der hohem Schulen,<lb/> drei von den Geistlichen, 4, drei von den Lehrern an Volksschulen. Diesem<lb/> Wahlgesehentwurf zur Seite stand ein Gesetzentwurf, welcher die durch das<lb/> Wahlgesetz nothwendig gemachten Veränderungen der V. U.. insbesondre<lb/> aber auch einen K über ein Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern<lb/> bei obwaltenden Differenzen enthielt. Beide Gesetzentwürfe waren als pro¬<lb/> visorische bezeichnet. Ans diese beiden letztern Punkte waren zwei allgemeinere<lb/> Anträge des Deputanvusberichtö der zweiten Kammer, auf deren Berathung<lb/> wir hiermit übergehen, gerichtet, nämlich erstlich: daß wenn beide Kammern<lb/> über den betreffenden Gegenstand im Verlauf der gesonderten Berathungen<lb/> sich nicht vereinigen können, dann beide noch zu einer gemeinschaftlichen Be¬<lb/> rathung und Abstimmung zusammentreten und der Beschluß nach der Mehr¬<lb/> zahl der vereinigten Stimmen gefaßt werden solle, und zweitens: daß beide<lb/> Gesetzentwürfe nur als provisorisch zu gelten hätten. Beide wurden, der<lb/> erste gegen acht, der zweite gegen zwei Stimmen angenommen. Um diese<lb/> Anträge richtig zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß die in den<lb/> Kammern nur schwach vertretene radicale Partei außerhalb derselben mächtig<lb/> gegen das Zweikammersystem agitirte, den noch Lus dem alten Wahlgesetz<lb/> basirenden Standen das Recht einer definitiven Ordnung der Verfassungsver¬<lb/> hältnisse absprach und mit einer constituirenden Versammlung drohte. Durch<lb/> die erstere Combination erhielt man sich die Möglichkeit, bei Conflicten zwi¬<lb/> schen beiden Kammern dieselben auf friedlichem Wege zu ordne», indem man<lb/> für den einzelnen Fall gewissermaßen zum Einkammersystem zurückkehrte, wäh¬<lb/> rend man sich übrigens durch die Theilung der Autoritäten dagegen sicherte,<lb/> aus der einen Kammer eine Conventsregierung erwachsen zu lassen. Durch<lb/> die später so wichtig gewordene Bezeichnung der Gesetze als „provisorische"<lb/> suchte man jene extremen Richtungen zu beschwichtigen, indem man damit so-<lb/> wol von Seiten der Regierung als der Kammer das ausdrücken wollte, daß<lb/> durch diese Gesetze den auf Grund derselben zusammentretender Kammern nicht<lb/> vorgegriffen werd'en sollte, die Revision der Verfassung, namentlich bezüglich<lb/> des Zweikammersystems, in gesetzmäßiger Weise von Neuem vorzunehmen.<lb/> Außerdem wurde dabei auch auf möglicherweise durch die Nationalvcrtretuug<lb/> nöthig werdende Modificationen hingewiesen. Bei der speciellen Berathung<lb/> entschied man sich zunächst für den Wegfall der Stellvertretung mit 53 gegen<lb/> 17 Stimmen, und verwarf mit der ungeheuern Majorität von K!> zu 2 das<lb/> Project, den Geistlichen und Lehrern eine besondre Vertretung zu gewähren.<lb/> Unter Annahme der bezüglich der ersten Kammer über Stimmberechtigung und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0340]
machte die Regierung einen immerhin interessanten Versuch, gewissen Lebens-
kreisen der Intelligenz eine besondere Vertretung in der ersten Kammer zu
geben. Zehn Mitglieder sollten nämlich noch in diese gewählt werden l. einer
von der Universität Leipzig, 2, drei von den Lehrern der hohem Schulen,
drei von den Geistlichen, 4, drei von den Lehrern an Volksschulen. Diesem
Wahlgesehentwurf zur Seite stand ein Gesetzentwurf, welcher die durch das
Wahlgesetz nothwendig gemachten Veränderungen der V. U.. insbesondre
aber auch einen K über ein Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern
bei obwaltenden Differenzen enthielt. Beide Gesetzentwürfe waren als pro¬
visorische bezeichnet. Ans diese beiden letztern Punkte waren zwei allgemeinere
Anträge des Deputanvusberichtö der zweiten Kammer, auf deren Berathung
wir hiermit übergehen, gerichtet, nämlich erstlich: daß wenn beide Kammern
über den betreffenden Gegenstand im Verlauf der gesonderten Berathungen
sich nicht vereinigen können, dann beide noch zu einer gemeinschaftlichen Be¬
rathung und Abstimmung zusammentreten und der Beschluß nach der Mehr¬
zahl der vereinigten Stimmen gefaßt werden solle, und zweitens: daß beide
Gesetzentwürfe nur als provisorisch zu gelten hätten. Beide wurden, der
erste gegen acht, der zweite gegen zwei Stimmen angenommen. Um diese
Anträge richtig zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß die in den
Kammern nur schwach vertretene radicale Partei außerhalb derselben mächtig
gegen das Zweikammersystem agitirte, den noch Lus dem alten Wahlgesetz
basirenden Standen das Recht einer definitiven Ordnung der Verfassungsver¬
hältnisse absprach und mit einer constituirenden Versammlung drohte. Durch
die erstere Combination erhielt man sich die Möglichkeit, bei Conflicten zwi¬
schen beiden Kammern dieselben auf friedlichem Wege zu ordne», indem man
für den einzelnen Fall gewissermaßen zum Einkammersystem zurückkehrte, wäh¬
rend man sich übrigens durch die Theilung der Autoritäten dagegen sicherte,
aus der einen Kammer eine Conventsregierung erwachsen zu lassen. Durch
die später so wichtig gewordene Bezeichnung der Gesetze als „provisorische"
suchte man jene extremen Richtungen zu beschwichtigen, indem man damit so-
wol von Seiten der Regierung als der Kammer das ausdrücken wollte, daß
durch diese Gesetze den auf Grund derselben zusammentretender Kammern nicht
vorgegriffen werd'en sollte, die Revision der Verfassung, namentlich bezüglich
des Zweikammersystems, in gesetzmäßiger Weise von Neuem vorzunehmen.
Außerdem wurde dabei auch auf möglicherweise durch die Nationalvcrtretuug
nöthig werdende Modificationen hingewiesen. Bei der speciellen Berathung
entschied man sich zunächst für den Wegfall der Stellvertretung mit 53 gegen
17 Stimmen, und verwarf mit der ungeheuern Majorität von K!> zu 2 das
Project, den Geistlichen und Lehrern eine besondre Vertretung zu gewähren.
Unter Annahme der bezüglich der ersten Kammer über Stimmberechtigung und
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