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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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macht werden. Diese Forderung wäre dann von Deutschland zu unterstützen,
ihre Erfüllung, falls sie verweigert würde, zu erzwingen. Es wäre zurückzu¬
kehren zu den beiden ersten Fundnmentalsätzen des Schleswig-holsteinischen Rechts,
zu denen, nach welchen die Herzogtümer Schleswig und Holstein selbständige,
fest mit einander verbundene Staaten sind.

Ob auch an den dritten erinnert werden kann, nach welchem in den Herzog-
thümern der Mannsstamm herrscht, ist eine Frage, deren Beantwortung von
den Umständen abhängt. Auch das londoner Protokoll ist wol kein Document,
das für die Ewigkeit unterschrieben ist. Doch glauben wir, daß die Gegen¬
wart nicht danach angethan ist. es schon in Frage zu stellen. Ein Angriff
auf das Patent von 1852 dagegen würde ausgeführt werden können, ohne daß
damit sofort eine Einmischung der fremden Großmächte provocirt wäre. Das
Protokoll schloß blos die Möglichkeit des Zerfalls der dänischen Monarchie in
zwei von verschiedenen Linien beherrschte Staaten, nicht die Umbildung der¬
selben in eine Gestalt aus, welche dem Zwillingsstaat Schweden-Norwegen
gleichen würde.

Preußen hat für Ordnung der einen von den beiden 1351, gegen den
Wunsch der Nation gewendeten Angelegenheiten in einer vollkommen richtigen
Weise gesprochen. Es hat in der kurhcssischen Frage das von der Gegenpartei
angetragne Compromiß abgelehnt und das alte gute Recht vertreten. Möge
es dasselbe in der Schleswig-holsteinischen thun. Was dort die Verfassung von
1 860, das ist hier eine jede Verfassung, die sich auf das Patent von 1852
gründet, gleichviel welche. Wird dort die Probe für die Entschlossenheit des
berliner Cabinets in dem bevorstehenden Zusammentritt der Stände kommen,
so ist sie auch hier nicht fern, da demnächst auch in Schleswig-Holstein wieder
Stände tagen werden, von denen zu erwarten ist, daß sie, durch die Erfahrung
belehrt, wie mit einem Compromiß nichts zu erreichen ist, einfach das alte
Recht zurückfordern werden.

Damit aber Preußen hier thun kann, was wir für seine Pflicht halten,
bedarf es einer Ernuithigung von der gesammten Nation. Erwarten wir von
ihm ein beherztes Auftreten, so zeigen wir anderen uus ebenfalls beherzt. Ohne
einen mächtigern Rückhalt in der öffentlichen Meinung als der ist. den es bis¬
her fand, wäre ein energisches Vorgehn in der Sache Schleswig-Holsteins
nickt Beherztheit, sondern Tollkühnheit. An uns ist's, durch fleißiges, eifriges
Arbeiten in Privatkreisen, in der Presse, durch unsre Abgeordneten in den
Volksvertretungen auf die Regierungen zu wirken, daß der Bundestag seine
volle Schuldigkeit thut. Bis jetzt ist davon, wie in andern Fragen so auch
in dieser fast nur von Preußen gehofft, wenig für Preußen gethan worden. Mag
etwas Wahres daran sein, wenn man sagt, Preußen müsse sich das Vertrauen
des übrigen Deutschland erst noch verdienen, so hat der Gegenvorwurf, das


macht werden. Diese Forderung wäre dann von Deutschland zu unterstützen,
ihre Erfüllung, falls sie verweigert würde, zu erzwingen. Es wäre zurückzu¬
kehren zu den beiden ersten Fundnmentalsätzen des Schleswig-holsteinischen Rechts,
zu denen, nach welchen die Herzogtümer Schleswig und Holstein selbständige,
fest mit einander verbundene Staaten sind.

Ob auch an den dritten erinnert werden kann, nach welchem in den Herzog-
thümern der Mannsstamm herrscht, ist eine Frage, deren Beantwortung von
den Umständen abhängt. Auch das londoner Protokoll ist wol kein Document,
das für die Ewigkeit unterschrieben ist. Doch glauben wir, daß die Gegen¬
wart nicht danach angethan ist. es schon in Frage zu stellen. Ein Angriff
auf das Patent von 1852 dagegen würde ausgeführt werden können, ohne daß
damit sofort eine Einmischung der fremden Großmächte provocirt wäre. Das
Protokoll schloß blos die Möglichkeit des Zerfalls der dänischen Monarchie in
zwei von verschiedenen Linien beherrschte Staaten, nicht die Umbildung der¬
selben in eine Gestalt aus, welche dem Zwillingsstaat Schweden-Norwegen
gleichen würde.

Preußen hat für Ordnung der einen von den beiden 1351, gegen den
Wunsch der Nation gewendeten Angelegenheiten in einer vollkommen richtigen
Weise gesprochen. Es hat in der kurhcssischen Frage das von der Gegenpartei
angetragne Compromiß abgelehnt und das alte gute Recht vertreten. Möge
es dasselbe in der Schleswig-holsteinischen thun. Was dort die Verfassung von
1 860, das ist hier eine jede Verfassung, die sich auf das Patent von 1852
gründet, gleichviel welche. Wird dort die Probe für die Entschlossenheit des
berliner Cabinets in dem bevorstehenden Zusammentritt der Stände kommen,
so ist sie auch hier nicht fern, da demnächst auch in Schleswig-Holstein wieder
Stände tagen werden, von denen zu erwarten ist, daß sie, durch die Erfahrung
belehrt, wie mit einem Compromiß nichts zu erreichen ist, einfach das alte
Recht zurückfordern werden.

Damit aber Preußen hier thun kann, was wir für seine Pflicht halten,
bedarf es einer Ernuithigung von der gesammten Nation. Erwarten wir von
ihm ein beherztes Auftreten, so zeigen wir anderen uus ebenfalls beherzt. Ohne
einen mächtigern Rückhalt in der öffentlichen Meinung als der ist. den es bis¬
her fand, wäre ein energisches Vorgehn in der Sache Schleswig-Holsteins
nickt Beherztheit, sondern Tollkühnheit. An uns ist's, durch fleißiges, eifriges
Arbeiten in Privatkreisen, in der Presse, durch unsre Abgeordneten in den
Volksvertretungen auf die Regierungen zu wirken, daß der Bundestag seine
volle Schuldigkeit thut. Bis jetzt ist davon, wie in andern Fragen so auch
in dieser fast nur von Preußen gehofft, wenig für Preußen gethan worden. Mag
etwas Wahres daran sein, wenn man sagt, Preußen müsse sich das Vertrauen
des übrigen Deutschland erst noch verdienen, so hat der Gegenvorwurf, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/34>, abgerufen am 15.01.2025.