Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Mitwirkenden durch ein volles Haus und ein theilnehmendes, dankbares Pu¬ Charakteristisch für Wien ist das Carlstheater in der Leopoldstadt, wo Die Handlung nimmt ihren weitem Lauf dahin, daß der Schäfer unter In dem zweiten Akt werden wir in den Olymp geführt. Die Götter Mitwirkenden durch ein volles Haus und ein theilnehmendes, dankbares Pu¬ Charakteristisch für Wien ist das Carlstheater in der Leopoldstadt, wo Die Handlung nimmt ihren weitem Lauf dahin, daß der Schäfer unter In dem zweiten Akt werden wir in den Olymp geführt. Die Götter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110670"/> <p xml:id="ID_934" prev="#ID_933"> Mitwirkenden durch ein volles Haus und ein theilnehmendes, dankbares Pu¬<lb/> blikum warm erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_935"> Charakteristisch für Wien ist das Carlstheater in der Leopoldstadt, wo<lb/> der alte Nestroy noch immer seine Triumphe feiert. Eins der Stücke, die ich<lb/> daselbst sah, führt den Namen: Orpheus in der Unterwelt. Der Inhalt ist'<lb/> ungefähr folgender: Orpheus oder. Orphe-us, wie er gewohnlich genannt<lb/> wurde — ist Violinspieler mit dem Titel Concertmeister; er gibt Musikstunden<lb/> in Arkadien und ist erster Geiger im Orchester daselbst. Er componirt auch;<lb/> aber seine Tondichtungen sind so langweilig, daß Euridice, seine Gattin, in<lb/> Verzweiflung geräth, wenn er ihr dieselben vorträgt. E-uridice — denn so<lb/> wurde der Name meist ausgesprochen — ist ihrem Gemahl durchaus nicht<lb/> treu, wie denn überhaupt sämmtliche Personen des Stücks die Treue<lb/> nur vom Hörensagen kennen; sie hat ihr^Herz einem fremden Schäfer zuge¬<lb/> wendet, der seit einiger Zeit seine Heerde in der Gegend weidet. Dieser,<lb/> welcher niemand Anders ist, als der verkappte Pluto, wurde von Treumann,<lb/> dem zweiten Liebling des Publikums im Cnrlstheatcr, einem jüngeren Manne<lb/> von großer kölnischer Kraft und Gewandtheit, gegeben. Dem travestirenden<lb/> Charakter dieser Stücke gemäß, tritt er in einem höchst seltsamen Kostüm auf,<lb/> mit einem Strohhute von fabelhafter Breite, dessen in hohen Bogen sich nei¬<lb/> gende Blumen der Donna E-uridice, wenn er sich mit ihr unterhielt, fort¬<lb/> während ins Gesicht schlugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_936"> Die Handlung nimmt ihren weitem Lauf dahin, daß der Schäfer unter<lb/> Donner und Blitz sich als Gott der Unterwelt denmskirt, und die erschrockene<lb/> Frau Coucertmeisteriu mit hinunter in den Hades nimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> In dem zweiten Akt werden wir in den Olymp geführt. Die Götter<lb/> halten in Gruppen, pyramidal geordnet, so daß Jupiter und Juno die Spitze<lb/> bilden, ihre Siesta, und singen mit geschlossenen Augen eine Art Schnarchlied.<lb/> Jupiter-Nestroy lehnt, in geblümtem Schlafrock Rücken an Rücken an der<lb/> mit einem feuerrothen Shawl geschmückten Juno, sodaß er einen Doppeladler<lb/> mit ihr bildet. Mars, ein feister, plumper Geselle in bayrischer Chevauleger-<lb/> Uniform mit dicken Wollepauletten, hat den Arm um Venus, die wie eine<lb/> Tänzerin gekleidet ist, geschlungen, während Bullen zur Seite in Schlaf be¬<lb/> graben liegt. Endlich erwachen die Himmlischen; die Gruppen kommen in<lb/> Bewegung, und es entspinnt sich ein heftiger Zank zwischen Jupiter, der seine<lb/> ganze Rolle im Wiener Dialekt spricht, und seiner Gattin, zwischen Bullau,<lb/> Venus und Mars, welcher frech genug ist, den Göttervatcr, als er sich in den<lb/> Handel mischt, einen Esel zu heißen. Darüber erscheint Orpheus und klagt<lb/> wegen Euridices Entführung, worauf Jupiter den strengsten Befehl an<lb/> Pluto erläßt, die geraubte Schöne auf der Stelle herauszugeben. Zugleich<lb/> hält er den Göttern eine Moralpredigt mit dem Refrain: „Wer soll denn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0322]
Mitwirkenden durch ein volles Haus und ein theilnehmendes, dankbares Pu¬
blikum warm erhalten.
Charakteristisch für Wien ist das Carlstheater in der Leopoldstadt, wo
der alte Nestroy noch immer seine Triumphe feiert. Eins der Stücke, die ich
daselbst sah, führt den Namen: Orpheus in der Unterwelt. Der Inhalt ist'
ungefähr folgender: Orpheus oder. Orphe-us, wie er gewohnlich genannt
wurde — ist Violinspieler mit dem Titel Concertmeister; er gibt Musikstunden
in Arkadien und ist erster Geiger im Orchester daselbst. Er componirt auch;
aber seine Tondichtungen sind so langweilig, daß Euridice, seine Gattin, in
Verzweiflung geräth, wenn er ihr dieselben vorträgt. E-uridice — denn so
wurde der Name meist ausgesprochen — ist ihrem Gemahl durchaus nicht
treu, wie denn überhaupt sämmtliche Personen des Stücks die Treue
nur vom Hörensagen kennen; sie hat ihr^Herz einem fremden Schäfer zuge¬
wendet, der seit einiger Zeit seine Heerde in der Gegend weidet. Dieser,
welcher niemand Anders ist, als der verkappte Pluto, wurde von Treumann,
dem zweiten Liebling des Publikums im Cnrlstheatcr, einem jüngeren Manne
von großer kölnischer Kraft und Gewandtheit, gegeben. Dem travestirenden
Charakter dieser Stücke gemäß, tritt er in einem höchst seltsamen Kostüm auf,
mit einem Strohhute von fabelhafter Breite, dessen in hohen Bogen sich nei¬
gende Blumen der Donna E-uridice, wenn er sich mit ihr unterhielt, fort¬
während ins Gesicht schlugen.
Die Handlung nimmt ihren weitem Lauf dahin, daß der Schäfer unter
Donner und Blitz sich als Gott der Unterwelt denmskirt, und die erschrockene
Frau Coucertmeisteriu mit hinunter in den Hades nimmt.
In dem zweiten Akt werden wir in den Olymp geführt. Die Götter
halten in Gruppen, pyramidal geordnet, so daß Jupiter und Juno die Spitze
bilden, ihre Siesta, und singen mit geschlossenen Augen eine Art Schnarchlied.
Jupiter-Nestroy lehnt, in geblümtem Schlafrock Rücken an Rücken an der
mit einem feuerrothen Shawl geschmückten Juno, sodaß er einen Doppeladler
mit ihr bildet. Mars, ein feister, plumper Geselle in bayrischer Chevauleger-
Uniform mit dicken Wollepauletten, hat den Arm um Venus, die wie eine
Tänzerin gekleidet ist, geschlungen, während Bullen zur Seite in Schlaf be¬
graben liegt. Endlich erwachen die Himmlischen; die Gruppen kommen in
Bewegung, und es entspinnt sich ein heftiger Zank zwischen Jupiter, der seine
ganze Rolle im Wiener Dialekt spricht, und seiner Gattin, zwischen Bullau,
Venus und Mars, welcher frech genug ist, den Göttervatcr, als er sich in den
Handel mischt, einen Esel zu heißen. Darüber erscheint Orpheus und klagt
wegen Euridices Entführung, worauf Jupiter den strengsten Befehl an
Pluto erläßt, die geraubte Schöne auf der Stelle herauszugeben. Zugleich
hält er den Göttern eine Moralpredigt mit dem Refrain: „Wer soll denn
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