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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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neuerdings eine Ausnahme gemacht. Sein Standbild auf dem äußern Burg¬
platze, das die Jahrszahl 1359 trägt, zeigt den Sieger von Aspern auf einem
wild empor sich bäumenden Rosse, eine Standarte zum Angriff erhebend.
Der Kühnheit des in die Feinde stürmenden Feldherrn steht die Kühnheit des
Künstlers zur Seite, welcher die Last der kolossalen Neiterfigur einzig und
allein den Hinterfüßen des Pferdes anvertraute.

Ist Wien keine Stadt der Geschichte, wie Berlin, so ist es ebenso wenig
eine Stadt der Kunst, wie das neuere München. Während kunstliebende Für¬
sten in Berlin, München, Dresden -- ja sogar in kleineren Residenzen, wie
Karlsruhe -- würdige Gebäude aufgeführt haben, um ihren Sculpttu- und
Malerwerken eine passende Aufstellung zu geben, beherbergt in Wien das alte
Rococo-Lustschloß des Prinzen Eugen nach wie vor die Gemälde und Bild¬
hauerwerke der kaiserlichen Sammlungen in Sälen, die zu ganz andern
Zwecken erbaut wurden, und der Genuß so manches Bildes wird dem Kunst¬
freunde verkümmert, weil er durch vergitterte Fenster ohne Oberlicht sehen
muß. und oft gar keinen Standpunkt findet, um es in seinem Werthe zu er¬
kennen. Was die Sculpturen insbesondere angeht, so stehen dieselben, wie
in dem Gewölbe eines Alterthümlers, zusammengedrängt. Man fühlt überall
durch, daß die bildenden Künste unter dem Doppeladler nur geduldet, nicht
gepflegt werden. Gleichwohl findet der Freund derselben Ausbeute genug in
einer Stadt von über 600.000 Einwohnern, zu denen Geschlechter und Fa¬
milien von unermeßlichen Reichthum gehören. So besitzt der Fürst Liechten¬
stein in der Vorstadt Nossau einen großen Palast, der von unten bis oben
mit zum Theil sehr werthvollen Bildern angefüllt ist. welche freilich weder
gut gehalten sind, noch günstiges Licht haben. Treffliche Gallerten sind ferner
die des Fürsten Esterhazy in der Borstadt Maria-Hilf, die des Grafen Harrach
in der innern Stadt an der Freiung mit sehr zweckmäßiger Einrichtung, und
des Grafen Czerny in der Josephstadt. woran sich noch eine kleinere Samm¬
lung von Bildern neuer, aber vorzüglicher Maler zu Ober-Döbling, im Be¬
sitze des Kaufmanns Arthaber, würdig anschließt.

Die Italiener haben ein altes Sprichwort: ^ Roms, si og. per s^nent,
g. Aaxoli per iillegria. Wendet man dasselbe auf Deutschland an, so würde
die Rolle Roms etwa Berlin, die Rolle Neapels jedenfalls Wien zufallen.
Der Fremde, welcher die preußische Hauptstadt aufsucht, verbindet leicht damit
einen ernstern, tiefern Zweck, in Wien dagegen gefällt sich vorzugsweise,
wer Lebensgenuß sucht. Gefällige, liebenswürdige, gemüthlich heitere, mit
natürlichem Witz begabte, freilich selten tiefer gehende Menschen, die von
Freude zu Freude flattern, wie Schmetterlinge von Blume zu Blume; gute
Tafel und trefflicher Wein zu mäßigen Preisen; Theater und Concerte in allen
Abstufungen der Güte und tausend andere Vergnügungen Tag für Tag, dabei


neuerdings eine Ausnahme gemacht. Sein Standbild auf dem äußern Burg¬
platze, das die Jahrszahl 1359 trägt, zeigt den Sieger von Aspern auf einem
wild empor sich bäumenden Rosse, eine Standarte zum Angriff erhebend.
Der Kühnheit des in die Feinde stürmenden Feldherrn steht die Kühnheit des
Künstlers zur Seite, welcher die Last der kolossalen Neiterfigur einzig und
allein den Hinterfüßen des Pferdes anvertraute.

Ist Wien keine Stadt der Geschichte, wie Berlin, so ist es ebenso wenig
eine Stadt der Kunst, wie das neuere München. Während kunstliebende Für¬
sten in Berlin, München, Dresden — ja sogar in kleineren Residenzen, wie
Karlsruhe — würdige Gebäude aufgeführt haben, um ihren Sculpttu- und
Malerwerken eine passende Aufstellung zu geben, beherbergt in Wien das alte
Rococo-Lustschloß des Prinzen Eugen nach wie vor die Gemälde und Bild¬
hauerwerke der kaiserlichen Sammlungen in Sälen, die zu ganz andern
Zwecken erbaut wurden, und der Genuß so manches Bildes wird dem Kunst¬
freunde verkümmert, weil er durch vergitterte Fenster ohne Oberlicht sehen
muß. und oft gar keinen Standpunkt findet, um es in seinem Werthe zu er¬
kennen. Was die Sculpturen insbesondere angeht, so stehen dieselben, wie
in dem Gewölbe eines Alterthümlers, zusammengedrängt. Man fühlt überall
durch, daß die bildenden Künste unter dem Doppeladler nur geduldet, nicht
gepflegt werden. Gleichwohl findet der Freund derselben Ausbeute genug in
einer Stadt von über 600.000 Einwohnern, zu denen Geschlechter und Fa¬
milien von unermeßlichen Reichthum gehören. So besitzt der Fürst Liechten¬
stein in der Vorstadt Nossau einen großen Palast, der von unten bis oben
mit zum Theil sehr werthvollen Bildern angefüllt ist. welche freilich weder
gut gehalten sind, noch günstiges Licht haben. Treffliche Gallerten sind ferner
die des Fürsten Esterhazy in der Borstadt Maria-Hilf, die des Grafen Harrach
in der innern Stadt an der Freiung mit sehr zweckmäßiger Einrichtung, und
des Grafen Czerny in der Josephstadt. woran sich noch eine kleinere Samm¬
lung von Bildern neuer, aber vorzüglicher Maler zu Ober-Döbling, im Be¬
sitze des Kaufmanns Arthaber, würdig anschließt.

Die Italiener haben ein altes Sprichwort: ^ Roms, si og. per s^nent,
g. Aaxoli per iillegria. Wendet man dasselbe auf Deutschland an, so würde
die Rolle Roms etwa Berlin, die Rolle Neapels jedenfalls Wien zufallen.
Der Fremde, welcher die preußische Hauptstadt aufsucht, verbindet leicht damit
einen ernstern, tiefern Zweck, in Wien dagegen gefällt sich vorzugsweise,
wer Lebensgenuß sucht. Gefällige, liebenswürdige, gemüthlich heitere, mit
natürlichem Witz begabte, freilich selten tiefer gehende Menschen, die von
Freude zu Freude flattern, wie Schmetterlinge von Blume zu Blume; gute
Tafel und trefflicher Wein zu mäßigen Preisen; Theater und Concerte in allen
Abstufungen der Güte und tausend andere Vergnügungen Tag für Tag, dabei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/320>, abgerufen am 16.01.2025.