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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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ter's treffliche Süddeutsche Zeitung liest -- ein Blatt, von welcher in der
bayerischen Hauptstadt allerdings wol kaum 600 Exemplare in Umlauf sind, das
aber in Franken weit mehr Verbreitung hat -- darf nicht unterschätzt werden,
wenn sie auch nicht durch ihre Zahl schwer ins Gewicht fällt. Zu ihr gehört
namentlich auch die Mehrzahl der in neuerer Zeit berufenen Professoren.
Franken und die Pfalz, welche Altbayern an politischem Urtheil weit über¬
treffen, üben begreiflicherweise auch durch beständigen Wechselverkehr erheblichen
Einfluß. In Ludwigshafen erscheint seit zwei Jahren der Pfälzer Kurier, der,
Hand in Hand gehend mit unsern liberalen Blättern in Südwestdeutschland,
sich schnell im Publikum Bahn gebrochen hat.

So fehlt es auch in Altbayern nicht an Erscheinungen, die uns zu der
Hoffnung berechtigen, es werde auch in diesem Winkel politischer Finsterniß
nllmälig Tag werden.

Einen Vorgeschmack der Wiener Herrlichkeiten empfängt man schon in
Linz, wenn man, wie ich, vom Westen kommt. Ein ebenso geräumiges als
stattliches Schiff, die Gisela, nahm uns hier auf. und war bald mit Reisenden
so angefüllt, daß man froh sein konnte, einen Platz auf einer Bank oder "ein
Stvckerl" zu erobern. Die muntern, gewandten Linzer und Wiener, beson¬
ders die Frauen in ihrer kleidsamen, etwas coquetten Tracht, welche mit
einem Mal über das breite Verdeck unsers Dampfers ausgegossen waren, sta¬
chen gegen die schwerfälligere Reisegesellschaft, die wir durch Bayern gehabt,
vortheilhaft ab. Der in der hellsten Morgensonne glänzende Fluß. das
herrlich gelegene Linz am Fuße seiner mit Festungswerken gekrönten Höhen,
die in Aussicht stehende genußreiche Fahrt auf der schönsten Strecke der Do¬
nau und endlich, die Erwartung der alt berühmten Kaiserstadt an der Südost¬
grenze Deutschlands, dies Alles versetzte uns, die Fremdlinge aus weiter
Ferne, in die heiterste, aufgeregteste Stimmung. Wenn uns auch der außer¬
ordentlich geringe Verkehr auf der schwer zu befahrenden Donau im Vergleich
zu dem Mittel- und Unterrhein auffiel, so vergaßen wir doch bald über der
fortgesetzt reichen Ausstattung der Ufer die Einsamkeit der Fahrt. Die wohl-
häbigen Dörfer und Städtchen, welche zu beiden Seiten des Flusses in gro¬
ßer Anzahl kamen und gingen; die in schönen Linien geschwungenen Berge,
deren Abhänge zum Theil weit ausgedehnte Weinberge von anerkannter Güte
tragen; die großartigen Häupter der steierischen Alpen, die häufig zur Rechten
auftauchten. Orte von mythisch-historischer oder geschichtlicher Bedeutung, wie
Pechlarn, wo Held Rüdigers Burg stand; Schloß Dürrenstein, in dessen Mau¬
ern der gefangene Richard Löwenherz schmachtete; der Kahlenberg, von wel¬
chem 1683 das christliche Heer herabstieg, um das von den Türken bedrängte
Wien zu entsetzen, hielten uns in beständiger Spannung. Zahlreiche Wall¬
fahrtskirchen mit wunderthätigen Bildern, zu denen hier und da Pilger in


Grenzboten IV. 1860. 39

ter's treffliche Süddeutsche Zeitung liest — ein Blatt, von welcher in der
bayerischen Hauptstadt allerdings wol kaum 600 Exemplare in Umlauf sind, das
aber in Franken weit mehr Verbreitung hat — darf nicht unterschätzt werden,
wenn sie auch nicht durch ihre Zahl schwer ins Gewicht fällt. Zu ihr gehört
namentlich auch die Mehrzahl der in neuerer Zeit berufenen Professoren.
Franken und die Pfalz, welche Altbayern an politischem Urtheil weit über¬
treffen, üben begreiflicherweise auch durch beständigen Wechselverkehr erheblichen
Einfluß. In Ludwigshafen erscheint seit zwei Jahren der Pfälzer Kurier, der,
Hand in Hand gehend mit unsern liberalen Blättern in Südwestdeutschland,
sich schnell im Publikum Bahn gebrochen hat.

So fehlt es auch in Altbayern nicht an Erscheinungen, die uns zu der
Hoffnung berechtigen, es werde auch in diesem Winkel politischer Finsterniß
nllmälig Tag werden.

Einen Vorgeschmack der Wiener Herrlichkeiten empfängt man schon in
Linz, wenn man, wie ich, vom Westen kommt. Ein ebenso geräumiges als
stattliches Schiff, die Gisela, nahm uns hier auf. und war bald mit Reisenden
so angefüllt, daß man froh sein konnte, einen Platz auf einer Bank oder „ein
Stvckerl" zu erobern. Die muntern, gewandten Linzer und Wiener, beson¬
ders die Frauen in ihrer kleidsamen, etwas coquetten Tracht, welche mit
einem Mal über das breite Verdeck unsers Dampfers ausgegossen waren, sta¬
chen gegen die schwerfälligere Reisegesellschaft, die wir durch Bayern gehabt,
vortheilhaft ab. Der in der hellsten Morgensonne glänzende Fluß. das
herrlich gelegene Linz am Fuße seiner mit Festungswerken gekrönten Höhen,
die in Aussicht stehende genußreiche Fahrt auf der schönsten Strecke der Do¬
nau und endlich, die Erwartung der alt berühmten Kaiserstadt an der Südost¬
grenze Deutschlands, dies Alles versetzte uns, die Fremdlinge aus weiter
Ferne, in die heiterste, aufgeregteste Stimmung. Wenn uns auch der außer¬
ordentlich geringe Verkehr auf der schwer zu befahrenden Donau im Vergleich
zu dem Mittel- und Unterrhein auffiel, so vergaßen wir doch bald über der
fortgesetzt reichen Ausstattung der Ufer die Einsamkeit der Fahrt. Die wohl-
häbigen Dörfer und Städtchen, welche zu beiden Seiten des Flusses in gro¬
ßer Anzahl kamen und gingen; die in schönen Linien geschwungenen Berge,
deren Abhänge zum Theil weit ausgedehnte Weinberge von anerkannter Güte
tragen; die großartigen Häupter der steierischen Alpen, die häufig zur Rechten
auftauchten. Orte von mythisch-historischer oder geschichtlicher Bedeutung, wie
Pechlarn, wo Held Rüdigers Burg stand; Schloß Dürrenstein, in dessen Mau¬
ern der gefangene Richard Löwenherz schmachtete; der Kahlenberg, von wel¬
chem 1683 das christliche Heer herabstieg, um das von den Türken bedrängte
Wien zu entsetzen, hielten uns in beständiger Spannung. Zahlreiche Wall¬
fahrtskirchen mit wunderthätigen Bildern, zu denen hier und da Pilger in


Grenzboten IV. 1860. 39
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[0317] ter's treffliche Süddeutsche Zeitung liest — ein Blatt, von welcher in der bayerischen Hauptstadt allerdings wol kaum 600 Exemplare in Umlauf sind, das aber in Franken weit mehr Verbreitung hat — darf nicht unterschätzt werden, wenn sie auch nicht durch ihre Zahl schwer ins Gewicht fällt. Zu ihr gehört namentlich auch die Mehrzahl der in neuerer Zeit berufenen Professoren. Franken und die Pfalz, welche Altbayern an politischem Urtheil weit über¬ treffen, üben begreiflicherweise auch durch beständigen Wechselverkehr erheblichen Einfluß. In Ludwigshafen erscheint seit zwei Jahren der Pfälzer Kurier, der, Hand in Hand gehend mit unsern liberalen Blättern in Südwestdeutschland, sich schnell im Publikum Bahn gebrochen hat. So fehlt es auch in Altbayern nicht an Erscheinungen, die uns zu der Hoffnung berechtigen, es werde auch in diesem Winkel politischer Finsterniß nllmälig Tag werden. Einen Vorgeschmack der Wiener Herrlichkeiten empfängt man schon in Linz, wenn man, wie ich, vom Westen kommt. Ein ebenso geräumiges als stattliches Schiff, die Gisela, nahm uns hier auf. und war bald mit Reisenden so angefüllt, daß man froh sein konnte, einen Platz auf einer Bank oder „ein Stvckerl" zu erobern. Die muntern, gewandten Linzer und Wiener, beson¬ ders die Frauen in ihrer kleidsamen, etwas coquetten Tracht, welche mit einem Mal über das breite Verdeck unsers Dampfers ausgegossen waren, sta¬ chen gegen die schwerfälligere Reisegesellschaft, die wir durch Bayern gehabt, vortheilhaft ab. Der in der hellsten Morgensonne glänzende Fluß. das herrlich gelegene Linz am Fuße seiner mit Festungswerken gekrönten Höhen, die in Aussicht stehende genußreiche Fahrt auf der schönsten Strecke der Do¬ nau und endlich, die Erwartung der alt berühmten Kaiserstadt an der Südost¬ grenze Deutschlands, dies Alles versetzte uns, die Fremdlinge aus weiter Ferne, in die heiterste, aufgeregteste Stimmung. Wenn uns auch der außer¬ ordentlich geringe Verkehr auf der schwer zu befahrenden Donau im Vergleich zu dem Mittel- und Unterrhein auffiel, so vergaßen wir doch bald über der fortgesetzt reichen Ausstattung der Ufer die Einsamkeit der Fahrt. Die wohl- häbigen Dörfer und Städtchen, welche zu beiden Seiten des Flusses in gro¬ ßer Anzahl kamen und gingen; die in schönen Linien geschwungenen Berge, deren Abhänge zum Theil weit ausgedehnte Weinberge von anerkannter Güte tragen; die großartigen Häupter der steierischen Alpen, die häufig zur Rechten auftauchten. Orte von mythisch-historischer oder geschichtlicher Bedeutung, wie Pechlarn, wo Held Rüdigers Burg stand; Schloß Dürrenstein, in dessen Mau¬ ern der gefangene Richard Löwenherz schmachtete; der Kahlenberg, von wel¬ chem 1683 das christliche Heer herabstieg, um das von den Türken bedrängte Wien zu entsetzen, hielten uns in beständiger Spannung. Zahlreiche Wall¬ fahrtskirchen mit wunderthätigen Bildern, zu denen hier und da Pilger in Grenzboten IV. 1860. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/317>, abgerufen am 16.01.2025.