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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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gegen Preußen wach zu erhalten und die nationalen Bestrebungen der Gegen¬
wart zu verunglimpfen. Auch die fliegenden Blatter, die noch immer gern
gelesen werden, wirken in dieser Richtung nicht gerade erfreulich. Wer ein
höher gehaltenes Journal in Altbayern haben will, hält sich die Augsburger
Allgemeine Zeitung, die in ihrer jetzigen Verfassung wenig besser ist als jene
Münchner Blätter, wenn sie auch in hellen Glacehandschuhen einhergeht und sehr
vornehm auf jene unmanierlichen Kollegen herabsieht. Die Ansichten der Augs-
burgerin, die leider noch immer Deutschland im Auslande vorzugsweise vertritt,
sind in München sehr verbreitet. Aus dem Munde von sonst ganz verständigen
und achtbaren'Männern hört man dort noch heute die Politik Preußens verdam¬
men, mit der es im vorigen Jahre die Theilnahme Deutschlands am italieni¬
schen Kriege zu Gunsten Oestreichs verhindert habe. Preußen, so lautet die
thörichte Rede, sei Schuld, daß Habsburg nicht neu gekräftigt, daß Frankreich
nicht gründlich gedemüthigt und daß -- man höre! -- Elsaß mit Strasburg
nicht zurückerobert worden sei. Man gibt auch die Hoffnung nicht auf, daß
es gelingen werde, Preußen zu der östreichischen Politik hinüber zu ziehen,
was um so leichter geschehen könne, da in Wien jetzt ernstlich die liberale
Bahn betreten werde. In den Italienern sehen sie natürlich Rebellen, in
Victor Emmanuel einen schnöden Usurpator, in Garibaldi einen rothen Frei-
schärler, dessen wüstem Treiben ein Ziel zu stecken heilige Pflicht sei, in Franz II.
einen unglücklichen Fürsten, an dem sein geblendetes Volk schmählichen Verrath
geübt habe.

Auch die Bayern wollen gute Deutsche sein; leider verwerfen die meisten
nur die Mittel, welche allein unsrer Zerrissenheit ein Ende machen können.
Daß eine Neugestaltung des Bundes noth thue, wird nicht in Abrede gestellt,
aber jeder Vorschlag hartnäckig verworfen, bei dem nicht ihnen selbst eine
Hauptrolle zugedacht ist. Sehr beliebt ist daher noch immer die unglückliche
Trias-Idee. Eine Unterordnung der deutschen Staaten unter Preußen ist ih¬
nen natürlich verhaßt; viele würden, glaub' ich, eher bei Frankreich Hilfe su¬
chen, ehe sie sich in dies entsetzliche Loos fügten. Ist es ja doch nicht lange
her, daß man auch in andern Rheinbundstaaten Offiziere in unbegreiflicher
Verblendung konnte sagen hören: "Lieber französischer als preußischer Ober¬
befehl".

Indessen haben die östreichischen Angelegenheiten, trotz aller Reform-
Demonstrationen, einen so bedenklichen Gang genommen, daß die Zahl der
Männer, welche eine Anlehnung Deutschlands an Habsburg empfehlen. ziem¬
lich kleinlaut und still geworden ist. In demselben Maße ist Preußen gestie¬
gen. Vielleicht hat dieser Staat i" keinem Lande so wenig Freunde, wie in
Altbayern; aber auch hier ist der Anfang einer Besserung vorhanden. Dies
läßt sich ganz deutlich in München spüren. Eine kleine Partei, welche Bra-


gegen Preußen wach zu erhalten und die nationalen Bestrebungen der Gegen¬
wart zu verunglimpfen. Auch die fliegenden Blatter, die noch immer gern
gelesen werden, wirken in dieser Richtung nicht gerade erfreulich. Wer ein
höher gehaltenes Journal in Altbayern haben will, hält sich die Augsburger
Allgemeine Zeitung, die in ihrer jetzigen Verfassung wenig besser ist als jene
Münchner Blätter, wenn sie auch in hellen Glacehandschuhen einhergeht und sehr
vornehm auf jene unmanierlichen Kollegen herabsieht. Die Ansichten der Augs-
burgerin, die leider noch immer Deutschland im Auslande vorzugsweise vertritt,
sind in München sehr verbreitet. Aus dem Munde von sonst ganz verständigen
und achtbaren'Männern hört man dort noch heute die Politik Preußens verdam¬
men, mit der es im vorigen Jahre die Theilnahme Deutschlands am italieni¬
schen Kriege zu Gunsten Oestreichs verhindert habe. Preußen, so lautet die
thörichte Rede, sei Schuld, daß Habsburg nicht neu gekräftigt, daß Frankreich
nicht gründlich gedemüthigt und daß — man höre! — Elsaß mit Strasburg
nicht zurückerobert worden sei. Man gibt auch die Hoffnung nicht auf, daß
es gelingen werde, Preußen zu der östreichischen Politik hinüber zu ziehen,
was um so leichter geschehen könne, da in Wien jetzt ernstlich die liberale
Bahn betreten werde. In den Italienern sehen sie natürlich Rebellen, in
Victor Emmanuel einen schnöden Usurpator, in Garibaldi einen rothen Frei-
schärler, dessen wüstem Treiben ein Ziel zu stecken heilige Pflicht sei, in Franz II.
einen unglücklichen Fürsten, an dem sein geblendetes Volk schmählichen Verrath
geübt habe.

Auch die Bayern wollen gute Deutsche sein; leider verwerfen die meisten
nur die Mittel, welche allein unsrer Zerrissenheit ein Ende machen können.
Daß eine Neugestaltung des Bundes noth thue, wird nicht in Abrede gestellt,
aber jeder Vorschlag hartnäckig verworfen, bei dem nicht ihnen selbst eine
Hauptrolle zugedacht ist. Sehr beliebt ist daher noch immer die unglückliche
Trias-Idee. Eine Unterordnung der deutschen Staaten unter Preußen ist ih¬
nen natürlich verhaßt; viele würden, glaub' ich, eher bei Frankreich Hilfe su¬
chen, ehe sie sich in dies entsetzliche Loos fügten. Ist es ja doch nicht lange
her, daß man auch in andern Rheinbundstaaten Offiziere in unbegreiflicher
Verblendung konnte sagen hören: „Lieber französischer als preußischer Ober¬
befehl".

Indessen haben die östreichischen Angelegenheiten, trotz aller Reform-
Demonstrationen, einen so bedenklichen Gang genommen, daß die Zahl der
Männer, welche eine Anlehnung Deutschlands an Habsburg empfehlen. ziem¬
lich kleinlaut und still geworden ist. In demselben Maße ist Preußen gestie¬
gen. Vielleicht hat dieser Staat i» keinem Lande so wenig Freunde, wie in
Altbayern; aber auch hier ist der Anfang einer Besserung vorhanden. Dies
läßt sich ganz deutlich in München spüren. Eine kleine Partei, welche Bra-


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[0316] gegen Preußen wach zu erhalten und die nationalen Bestrebungen der Gegen¬ wart zu verunglimpfen. Auch die fliegenden Blatter, die noch immer gern gelesen werden, wirken in dieser Richtung nicht gerade erfreulich. Wer ein höher gehaltenes Journal in Altbayern haben will, hält sich die Augsburger Allgemeine Zeitung, die in ihrer jetzigen Verfassung wenig besser ist als jene Münchner Blätter, wenn sie auch in hellen Glacehandschuhen einhergeht und sehr vornehm auf jene unmanierlichen Kollegen herabsieht. Die Ansichten der Augs- burgerin, die leider noch immer Deutschland im Auslande vorzugsweise vertritt, sind in München sehr verbreitet. Aus dem Munde von sonst ganz verständigen und achtbaren'Männern hört man dort noch heute die Politik Preußens verdam¬ men, mit der es im vorigen Jahre die Theilnahme Deutschlands am italieni¬ schen Kriege zu Gunsten Oestreichs verhindert habe. Preußen, so lautet die thörichte Rede, sei Schuld, daß Habsburg nicht neu gekräftigt, daß Frankreich nicht gründlich gedemüthigt und daß — man höre! — Elsaß mit Strasburg nicht zurückerobert worden sei. Man gibt auch die Hoffnung nicht auf, daß es gelingen werde, Preußen zu der östreichischen Politik hinüber zu ziehen, was um so leichter geschehen könne, da in Wien jetzt ernstlich die liberale Bahn betreten werde. In den Italienern sehen sie natürlich Rebellen, in Victor Emmanuel einen schnöden Usurpator, in Garibaldi einen rothen Frei- schärler, dessen wüstem Treiben ein Ziel zu stecken heilige Pflicht sei, in Franz II. einen unglücklichen Fürsten, an dem sein geblendetes Volk schmählichen Verrath geübt habe. Auch die Bayern wollen gute Deutsche sein; leider verwerfen die meisten nur die Mittel, welche allein unsrer Zerrissenheit ein Ende machen können. Daß eine Neugestaltung des Bundes noth thue, wird nicht in Abrede gestellt, aber jeder Vorschlag hartnäckig verworfen, bei dem nicht ihnen selbst eine Hauptrolle zugedacht ist. Sehr beliebt ist daher noch immer die unglückliche Trias-Idee. Eine Unterordnung der deutschen Staaten unter Preußen ist ih¬ nen natürlich verhaßt; viele würden, glaub' ich, eher bei Frankreich Hilfe su¬ chen, ehe sie sich in dies entsetzliche Loos fügten. Ist es ja doch nicht lange her, daß man auch in andern Rheinbundstaaten Offiziere in unbegreiflicher Verblendung konnte sagen hören: „Lieber französischer als preußischer Ober¬ befehl". Indessen haben die östreichischen Angelegenheiten, trotz aller Reform- Demonstrationen, einen so bedenklichen Gang genommen, daß die Zahl der Männer, welche eine Anlehnung Deutschlands an Habsburg empfehlen. ziem¬ lich kleinlaut und still geworden ist. In demselben Maße ist Preußen gestie¬ gen. Vielleicht hat dieser Staat i» keinem Lande so wenig Freunde, wie in Altbayern; aber auch hier ist der Anfang einer Besserung vorhanden. Dies läßt sich ganz deutlich in München spüren. Eine kleine Partei, welche Bra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/316>, abgerufen am 16.01.2025.