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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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der Schneider nach weisem Dorfgebrauch so lang und breit gemacht hat, das;
es bis zur Hochzeit als Feiertracht dienen kann.

Dies unläugbare Mißverhältniß der Stadt zum Staate berührt natürlich
die Masse der Fremden, welche Jahr ein Jahr aus nach München kommen,
um in dem Reiche des Schönen zu schwelgen, wenig, und es hieße in der
That pedantisch sein, wollte man dem Fürsten seine Bewunderung versagen,
der mit seltener Energie diese Prachtthore, Kirchen, Paläste und Denkmäler
als ein Medicäer des neunzehnten Jahrhunderts hervorrief und im Lauf von
nicht mehr als zwei Jahrzehnten wie durch Zauber eine Fülle von Meister¬
werken erstehen ließ. Es ist nicht der Zweck dieses Aufsatzes, auf die vielen
Sehenswürdigkeiten Münchens einzugehen; es soll nur, so weit als nöthig,
auf sie hingedeutet werden.

Die alte Pinakothek steht der hochberühmten dresdner Bildergallerie an
Zahl und Trefflichkeit der Gemälde wenig nach, und hat dabei den Vorzug,
daß sie durch Aufnahme der Boisseröe'sche Sammlung die altdeutsche Maler-
schule würdig vertritt. Eine öffentliche Gallerie neuer Gemälde, wie die Pina¬
kothek sie bietet, findet sich, so viel ich weiß, in keiner Mdern Stadt Deutsch¬
lands.*) Was aber dieser Sammlung einen besondern Werth verleiht, das
sind die unvergleichlichen griechischen Landschaften Nottmann's, eines Malers,
der hauptsächlich sür München gearbeitet hat, und daher dort nur gewürdigt
werden kann. Wenn auch die Glyptothek keine sehr große Zahl von Bildhauer¬
werken enthält, so ist doch durch sie -- im Gegensatz zu den Sammlungen in
Berlin und Dresden -- die griechische Kunst besonders vertreten, während jene
meist Arbeiten aus der römischen Kaiserzeit in sich schließen. Jedenfalls sind
die nginetischen Slawen ein sehr interessantes Unicum. und der barbcrinische
Faun zählt mit vollem Recht zu den besten Skulpturen, die uns das Alterthum
hinterlassen hat. Bon den neuen Bildhauern sind Canova und Thorwaldsen
durch, die Statuen des Paris und Adonis sehr würdig repräsentirt. Aber
nicht allein die in den genannten Gebäuden aufgestellten Werke der bildenden
Künste, sondern auch die Gebäude selber -- natürlich mit Ausnahme der alten
Pinakothek -- so wie die Fresken berühmter Meister, womit sie außen und innen
geziert sind, gereichen der Stadt zu hohem Schmucke. Die in ionischer Tempel-
form erbaute Glyptothek trägt außerdem in ihrem Giebelfeld und in den Nischen
der äußern Mauerflächen Marmorbildwerke von Schwanthaler und Andern.
Ihr gegenüber steigt ein korinthischer Tempel empor: es ist das Kunstaus¬
stellungsgebäude, ebenfalls mit einer Mnrmorstatuengruppe im Giebelfeld, und
zwischen beiden erheben sich die Propyläen, ein Prachtthvr im dorischen Stil,
das noch durch Gerüste verdeckt ist. Dazu kommen die neuen, zum Theil mit
den Fresken großer Meister reich ausgestatteten Gotteshäuser: die Maricchilf-



") In Paris nur der Palast Luxembourg.
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der Schneider nach weisem Dorfgebrauch so lang und breit gemacht hat, das;
es bis zur Hochzeit als Feiertracht dienen kann.

Dies unläugbare Mißverhältniß der Stadt zum Staate berührt natürlich
die Masse der Fremden, welche Jahr ein Jahr aus nach München kommen,
um in dem Reiche des Schönen zu schwelgen, wenig, und es hieße in der
That pedantisch sein, wollte man dem Fürsten seine Bewunderung versagen,
der mit seltener Energie diese Prachtthore, Kirchen, Paläste und Denkmäler
als ein Medicäer des neunzehnten Jahrhunderts hervorrief und im Lauf von
nicht mehr als zwei Jahrzehnten wie durch Zauber eine Fülle von Meister¬
werken erstehen ließ. Es ist nicht der Zweck dieses Aufsatzes, auf die vielen
Sehenswürdigkeiten Münchens einzugehen; es soll nur, so weit als nöthig,
auf sie hingedeutet werden.

Die alte Pinakothek steht der hochberühmten dresdner Bildergallerie an
Zahl und Trefflichkeit der Gemälde wenig nach, und hat dabei den Vorzug,
daß sie durch Aufnahme der Boisseröe'sche Sammlung die altdeutsche Maler-
schule würdig vertritt. Eine öffentliche Gallerie neuer Gemälde, wie die Pina¬
kothek sie bietet, findet sich, so viel ich weiß, in keiner Mdern Stadt Deutsch¬
lands.*) Was aber dieser Sammlung einen besondern Werth verleiht, das
sind die unvergleichlichen griechischen Landschaften Nottmann's, eines Malers,
der hauptsächlich sür München gearbeitet hat, und daher dort nur gewürdigt
werden kann. Wenn auch die Glyptothek keine sehr große Zahl von Bildhauer¬
werken enthält, so ist doch durch sie — im Gegensatz zu den Sammlungen in
Berlin und Dresden — die griechische Kunst besonders vertreten, während jene
meist Arbeiten aus der römischen Kaiserzeit in sich schließen. Jedenfalls sind
die nginetischen Slawen ein sehr interessantes Unicum. und der barbcrinische
Faun zählt mit vollem Recht zu den besten Skulpturen, die uns das Alterthum
hinterlassen hat. Bon den neuen Bildhauern sind Canova und Thorwaldsen
durch, die Statuen des Paris und Adonis sehr würdig repräsentirt. Aber
nicht allein die in den genannten Gebäuden aufgestellten Werke der bildenden
Künste, sondern auch die Gebäude selber — natürlich mit Ausnahme der alten
Pinakothek — so wie die Fresken berühmter Meister, womit sie außen und innen
geziert sind, gereichen der Stadt zu hohem Schmucke. Die in ionischer Tempel-
form erbaute Glyptothek trägt außerdem in ihrem Giebelfeld und in den Nischen
der äußern Mauerflächen Marmorbildwerke von Schwanthaler und Andern.
Ihr gegenüber steigt ein korinthischer Tempel empor: es ist das Kunstaus¬
stellungsgebäude, ebenfalls mit einer Mnrmorstatuengruppe im Giebelfeld, und
zwischen beiden erheben sich die Propyläen, ein Prachtthvr im dorischen Stil,
das noch durch Gerüste verdeckt ist. Dazu kommen die neuen, zum Theil mit
den Fresken großer Meister reich ausgestatteten Gotteshäuser: die Maricchilf-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/311>, abgerufen am 15.01.2025.