Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Gerichtssprache ist die dänische eingeführt, Decrete und Bekanntmacbun-
geu, die der Magistrat erläßt, sind nur in dänischer Sprache abgefaßt, deutsch
geschriebene Eingaben und Documente werden vom Bürgermeister als nicht
vorhanden betrachtet. Die deutschen Bezeichnungen an Straßenecken, auf
amtlichen Schildern u, s, w, sind mit dänischen vertauscht. Selbst den wür¬
digen alten Klingelbeutel in der Kirche traf die Verbannung, weil er sich un¬
terstand, die Leute auf deutsch an die biblische Wahrheit zu erinnern, daß Gott
einen fröhlichen Geber lieb habe. Ja selbst der deutsche Nachtwächterruf hat
sich von einer sorgsamen Wohlfahrtspolizei in das alleinseligmachende Dänisch
übersetzen lassen müsset

Zeugnisse für Dienstboten und Handwerksgesellen, die nicht dänisch geschrie¬
ben sind, werden von der Polizei zurückgewiesen, deutsch abgefaßte Rechnungen,
von Handwerkern und Kaufleuten den dänischen Beamten zur Berichtigung
übersandt, werden nicht bezahlt. Das Wochenblatt der Stadt erschien anfangs
in deutscher Sprache. Als es während der Erhebung in andre Hände über¬
ging, übernahm der Herausgeber die Verpflichtung, die Sprache beizubehalten.
Aber nach wenigen Monaten schon fing es an dänisch zu reden, und wenn
spater gelegentlich noch eine oder die andere deutsche Anzeige darin stand, so
hat seit Anfang dieses Jahres auch dies aufgehört, da der Herausgeber, vom
Bürgermeister dazu angehalten, derartige Annoncen nur dann aufnimmt, wenn
zugleich die dänische Uebersetzung daneben eingerückt wird, und letzteres zu viel
Kosten macht.

Im verflossenen Jahr kündigte der Vorstand eines geselligen Vereins in
einer deutsch geschriebenen Anzeige im Wochenblatt an, daß an einem bestimm¬
ten Tage eine Generalversammlung stattfinden solle. Ohne Verzug wurde der
Director vor den Bürgermeister geladen und ihm von diesen, bedeutet, daß
man sich in Zukunft deutscher Annoncen enthalten möge, da man sich damit
"nur lächerlich mache".

Um dieselbe Zeit schickte jemand nach der Post einen Knaben mit einem
Zettel, auf dem in deutscher Spracke bemerkt war, man möge dem Ueberbringe'r
die für den Schreiber des Zettels angekommnen Briefe und Zeitungen mitgeben.
Der Postmeister sah das Papier an und gab es sofort zurück, indem er äußerte,
er verstände kein Deutsch. Natürlich wollte er's nur nicht versteh". Die Folge
seines Widerwillens aber war, daß, da der Knabe einen weiten Weg zurück
nach Hause und dann wieder auf das Pvstcomptoir machen mußte. um eine
dänische Bescheinigung zu bringen, ein angelangter Brief von Wichtigkeit, der
sofortige Erwiderung erheischte, erst am nächsten Tage beantwortet werden
konnte.

Der Musikdirector Lindau aus Preußen hatte zu seinen Concerten auf
deutsch eingeladen. Darauf wurde er vor den Bürgermeister citirt. der. nach-
''^


3^

schen Gerichtssprache ist die dänische eingeführt, Decrete und Bekanntmacbun-
geu, die der Magistrat erläßt, sind nur in dänischer Sprache abgefaßt, deutsch
geschriebene Eingaben und Documente werden vom Bürgermeister als nicht
vorhanden betrachtet. Die deutschen Bezeichnungen an Straßenecken, auf
amtlichen Schildern u, s, w, sind mit dänischen vertauscht. Selbst den wür¬
digen alten Klingelbeutel in der Kirche traf die Verbannung, weil er sich un¬
terstand, die Leute auf deutsch an die biblische Wahrheit zu erinnern, daß Gott
einen fröhlichen Geber lieb habe. Ja selbst der deutsche Nachtwächterruf hat
sich von einer sorgsamen Wohlfahrtspolizei in das alleinseligmachende Dänisch
übersetzen lassen müsset

Zeugnisse für Dienstboten und Handwerksgesellen, die nicht dänisch geschrie¬
ben sind, werden von der Polizei zurückgewiesen, deutsch abgefaßte Rechnungen,
von Handwerkern und Kaufleuten den dänischen Beamten zur Berichtigung
übersandt, werden nicht bezahlt. Das Wochenblatt der Stadt erschien anfangs
in deutscher Sprache. Als es während der Erhebung in andre Hände über¬
ging, übernahm der Herausgeber die Verpflichtung, die Sprache beizubehalten.
Aber nach wenigen Monaten schon fing es an dänisch zu reden, und wenn
spater gelegentlich noch eine oder die andere deutsche Anzeige darin stand, so
hat seit Anfang dieses Jahres auch dies aufgehört, da der Herausgeber, vom
Bürgermeister dazu angehalten, derartige Annoncen nur dann aufnimmt, wenn
zugleich die dänische Uebersetzung daneben eingerückt wird, und letzteres zu viel
Kosten macht.

Im verflossenen Jahr kündigte der Vorstand eines geselligen Vereins in
einer deutsch geschriebenen Anzeige im Wochenblatt an, daß an einem bestimm¬
ten Tage eine Generalversammlung stattfinden solle. Ohne Verzug wurde der
Director vor den Bürgermeister geladen und ihm von diesen, bedeutet, daß
man sich in Zukunft deutscher Annoncen enthalten möge, da man sich damit
„nur lächerlich mache".

Um dieselbe Zeit schickte jemand nach der Post einen Knaben mit einem
Zettel, auf dem in deutscher Spracke bemerkt war, man möge dem Ueberbringe'r
die für den Schreiber des Zettels angekommnen Briefe und Zeitungen mitgeben.
Der Postmeister sah das Papier an und gab es sofort zurück, indem er äußerte,
er verstände kein Deutsch. Natürlich wollte er's nur nicht versteh». Die Folge
seines Widerwillens aber war, daß, da der Knabe einen weiten Weg zurück
nach Hause und dann wieder auf das Pvstcomptoir machen mußte. um eine
dänische Bescheinigung zu bringen, ein angelangter Brief von Wichtigkeit, der
sofortige Erwiderung erheischte, erst am nächsten Tage beantwortet werden
konnte.

Der Musikdirector Lindau aus Preußen hatte zu seinen Concerten auf
deutsch eingeladen. Darauf wurde er vor den Bürgermeister citirt. der. nach-
''^


3^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110379"/>
          <p xml:id="ID_50" prev="#ID_49"> schen Gerichtssprache ist die dänische eingeführt, Decrete und Bekanntmacbun-<lb/>
geu, die der Magistrat erläßt, sind nur in dänischer Sprache abgefaßt, deutsch<lb/>
geschriebene Eingaben und Documente werden vom Bürgermeister als nicht<lb/>
vorhanden betrachtet. Die deutschen Bezeichnungen an Straßenecken, auf<lb/>
amtlichen Schildern u, s, w, sind mit dänischen vertauscht. Selbst den wür¬<lb/>
digen alten Klingelbeutel in der Kirche traf die Verbannung, weil er sich un¬<lb/>
terstand, die Leute auf deutsch an die biblische Wahrheit zu erinnern, daß Gott<lb/>
einen fröhlichen Geber lieb habe. Ja selbst der deutsche Nachtwächterruf hat<lb/>
sich von einer sorgsamen Wohlfahrtspolizei in das alleinseligmachende Dänisch<lb/>
übersetzen lassen müsset</p><lb/>
          <p xml:id="ID_51"> Zeugnisse für Dienstboten und Handwerksgesellen, die nicht dänisch geschrie¬<lb/>
ben sind, werden von der Polizei zurückgewiesen, deutsch abgefaßte Rechnungen,<lb/>
von Handwerkern und Kaufleuten den dänischen Beamten zur Berichtigung<lb/>
übersandt, werden nicht bezahlt. Das Wochenblatt der Stadt erschien anfangs<lb/>
in deutscher Sprache. Als es während der Erhebung in andre Hände über¬<lb/>
ging, übernahm der Herausgeber die Verpflichtung, die Sprache beizubehalten.<lb/>
Aber nach wenigen Monaten schon fing es an dänisch zu reden, und wenn<lb/>
spater gelegentlich noch eine oder die andere deutsche Anzeige darin stand, so<lb/>
hat seit Anfang dieses Jahres auch dies aufgehört, da der Herausgeber, vom<lb/>
Bürgermeister dazu angehalten, derartige Annoncen nur dann aufnimmt, wenn<lb/>
zugleich die dänische Uebersetzung daneben eingerückt wird, und letzteres zu viel<lb/>
Kosten macht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_52"> Im verflossenen Jahr kündigte der Vorstand eines geselligen Vereins in<lb/>
einer deutsch geschriebenen Anzeige im Wochenblatt an, daß an einem bestimm¬<lb/>
ten Tage eine Generalversammlung stattfinden solle. Ohne Verzug wurde der<lb/>
Director vor den Bürgermeister geladen und ihm von diesen, bedeutet, daß<lb/>
man sich in Zukunft deutscher Annoncen enthalten möge, da man sich damit<lb/>
&#x201E;nur lächerlich mache".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_53"> Um dieselbe Zeit schickte jemand nach der Post einen Knaben mit einem<lb/>
Zettel, auf dem in deutscher Spracke bemerkt war, man möge dem Ueberbringe'r<lb/>
die für den Schreiber des Zettels angekommnen Briefe und Zeitungen mitgeben.<lb/>
Der Postmeister sah das Papier an und gab es sofort zurück, indem er äußerte,<lb/>
er verstände kein Deutsch. Natürlich wollte er's nur nicht versteh». Die Folge<lb/>
seines Widerwillens aber war, daß, da der Knabe einen weiten Weg zurück<lb/>
nach Hause und dann wieder auf das Pvstcomptoir machen mußte. um eine<lb/>
dänische Bescheinigung zu bringen, ein angelangter Brief von Wichtigkeit, der<lb/>
sofortige Erwiderung erheischte, erst am nächsten Tage beantwortet werden<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_54" next="#ID_55"> Der Musikdirector Lindau aus Preußen hatte zu seinen Concerten auf<lb/>
deutsch eingeladen.  Darauf wurde er vor den Bürgermeister citirt. der. nach-<lb/>
''^</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom">  3^ </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] schen Gerichtssprache ist die dänische eingeführt, Decrete und Bekanntmacbun- geu, die der Magistrat erläßt, sind nur in dänischer Sprache abgefaßt, deutsch geschriebene Eingaben und Documente werden vom Bürgermeister als nicht vorhanden betrachtet. Die deutschen Bezeichnungen an Straßenecken, auf amtlichen Schildern u, s, w, sind mit dänischen vertauscht. Selbst den wür¬ digen alten Klingelbeutel in der Kirche traf die Verbannung, weil er sich un¬ terstand, die Leute auf deutsch an die biblische Wahrheit zu erinnern, daß Gott einen fröhlichen Geber lieb habe. Ja selbst der deutsche Nachtwächterruf hat sich von einer sorgsamen Wohlfahrtspolizei in das alleinseligmachende Dänisch übersetzen lassen müsset Zeugnisse für Dienstboten und Handwerksgesellen, die nicht dänisch geschrie¬ ben sind, werden von der Polizei zurückgewiesen, deutsch abgefaßte Rechnungen, von Handwerkern und Kaufleuten den dänischen Beamten zur Berichtigung übersandt, werden nicht bezahlt. Das Wochenblatt der Stadt erschien anfangs in deutscher Sprache. Als es während der Erhebung in andre Hände über¬ ging, übernahm der Herausgeber die Verpflichtung, die Sprache beizubehalten. Aber nach wenigen Monaten schon fing es an dänisch zu reden, und wenn spater gelegentlich noch eine oder die andere deutsche Anzeige darin stand, so hat seit Anfang dieses Jahres auch dies aufgehört, da der Herausgeber, vom Bürgermeister dazu angehalten, derartige Annoncen nur dann aufnimmt, wenn zugleich die dänische Uebersetzung daneben eingerückt wird, und letzteres zu viel Kosten macht. Im verflossenen Jahr kündigte der Vorstand eines geselligen Vereins in einer deutsch geschriebenen Anzeige im Wochenblatt an, daß an einem bestimm¬ ten Tage eine Generalversammlung stattfinden solle. Ohne Verzug wurde der Director vor den Bürgermeister geladen und ihm von diesen, bedeutet, daß man sich in Zukunft deutscher Annoncen enthalten möge, da man sich damit „nur lächerlich mache". Um dieselbe Zeit schickte jemand nach der Post einen Knaben mit einem Zettel, auf dem in deutscher Spracke bemerkt war, man möge dem Ueberbringe'r die für den Schreiber des Zettels angekommnen Briefe und Zeitungen mitgeben. Der Postmeister sah das Papier an und gab es sofort zurück, indem er äußerte, er verstände kein Deutsch. Natürlich wollte er's nur nicht versteh». Die Folge seines Widerwillens aber war, daß, da der Knabe einen weiten Weg zurück nach Hause und dann wieder auf das Pvstcomptoir machen mußte. um eine dänische Bescheinigung zu bringen, ein angelangter Brief von Wichtigkeit, der sofortige Erwiderung erheischte, erst am nächsten Tage beantwortet werden konnte. Der Musikdirector Lindau aus Preußen hatte zu seinen Concerten auf deutsch eingeladen. Darauf wurde er vor den Bürgermeister citirt. der. nach- ''^ 3^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/31>, abgerufen am 15.01.2025.