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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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des Kriegs, des Unterrichts und des Innern im Jahre 1842 dem Könige er¬
statteten, hatte sich dahin ausgesprochen, daß man vor der Hand mit Wieder¬
einführung der Turnübungen an den frühern Anstalten der Städte beginnen
müsse, da der allgemeinen Einführung der körperlichen Ausbildung der Jugend
sich kaum zu bewältigende Hindernisse für den Anfang entgegenstellten. So ge¬
schah es. Das Turnen kam an den erwähnten Anstalten in Gang, und Professor
Maßmann aus Berlin, bekannt als alter Turner, wurde einige Jahre später
im Auftrag der Regierung abgesandt, um den Fortschritt des Turnwesens in
Augenschein zu nehmen und dem Ministerium davon Bericht zu erstatten.
Es wurden in Folge dieser Revision auch manche Anordnungen getroffen, wo¬
durch dem Unterricht in den Leibesübungen an den genannten Anstalten auf¬
geholfen werden sollte, indeß kam man doch nicht dahin, den Grundsatz
auszusprechen, daß das Turnen als integrirender Theil des ganzen Schul¬
unterrichts angesehen werde.

Daher waren die Directionen der Gymnasien und Realschulen auch nicht
in der Lage, in Bezug aus die Theilnahme an jenen Uebungen, die zumal oft
auf entlegenen Plätzen und zu unpassenden, den Schülern unbequemen Stunden
vorgenommen wurden, einen Zwang auszuüben. Kam.nun dazu, daß in manchen
Anstalten der Unterricht nicht ganz zweckmäßig, oft von Lehrern, welche dem Kolle¬
gium der Anstalt nicht angehörten, ertheilt wurde, so war das Vorurtheil der El¬
tern, das sogar durch Gutachten mancher Aerzte eine Begründung erhielt, schwer
zu beseitigen. Man machte daher im Allgemeinen die Erfahrung, daß nach
den höhern Klassen hinauf die Theilnahme der Zöglinge am Turnunterrichte
immer lauer wurde, und daß die Lehrer der Gymnastik nicht selten bei der
Auswahl qualisicirter Borkumer in einiger Berlegenheit waren. Das Mini-
sterien-Circular legt nun den Lehrern der Anstalt ans Herz, sich der Beaufsich¬
tigung des Turnunterrichts mit Eifer anzunehmen und droht denselben sogar
mit Zwangsmaßregeln; zugleich macht es auf Mängel aufmerksam, an denen
nach der Meinung des Ministeriums der Unterricht bisher laborirt habe. Es
sollen die Turnlehrer nun durch Einführung eines rationellen Systems den¬
selben Abhilfe schaffen und den Frei-, Ordnungs- und tactogymnastischen
Uebungen.theils zur Erwerbung des Gemeingefühls, theils zur Vorbereitung
auf den künftigen Militärdienst die erforderliche Berücksichtigung zu Theil wer¬
den lassen. Es sollen die Turnspiele so eingerichtet werden, daß die wünschens-
werthe Fertigkeit im Abmessen der Distanzen, im Auskunden und Durchforschen
coupirter Terrains u. f. w. im Auge behalte" werde. Bei den Turnübungen
und Spielen sei aber immer darauf zu sehen, daß sie nicht in militärische
Spielereien ausarten, daß dem Knaben nicht geboten werde, was von dem
Manne gefordert wird, weshalb auch der Gebrauch von Gewehren aufzu-


des Kriegs, des Unterrichts und des Innern im Jahre 1842 dem Könige er¬
statteten, hatte sich dahin ausgesprochen, daß man vor der Hand mit Wieder¬
einführung der Turnübungen an den frühern Anstalten der Städte beginnen
müsse, da der allgemeinen Einführung der körperlichen Ausbildung der Jugend
sich kaum zu bewältigende Hindernisse für den Anfang entgegenstellten. So ge¬
schah es. Das Turnen kam an den erwähnten Anstalten in Gang, und Professor
Maßmann aus Berlin, bekannt als alter Turner, wurde einige Jahre später
im Auftrag der Regierung abgesandt, um den Fortschritt des Turnwesens in
Augenschein zu nehmen und dem Ministerium davon Bericht zu erstatten.
Es wurden in Folge dieser Revision auch manche Anordnungen getroffen, wo¬
durch dem Unterricht in den Leibesübungen an den genannten Anstalten auf¬
geholfen werden sollte, indeß kam man doch nicht dahin, den Grundsatz
auszusprechen, daß das Turnen als integrirender Theil des ganzen Schul¬
unterrichts angesehen werde.

Daher waren die Directionen der Gymnasien und Realschulen auch nicht
in der Lage, in Bezug aus die Theilnahme an jenen Uebungen, die zumal oft
auf entlegenen Plätzen und zu unpassenden, den Schülern unbequemen Stunden
vorgenommen wurden, einen Zwang auszuüben. Kam.nun dazu, daß in manchen
Anstalten der Unterricht nicht ganz zweckmäßig, oft von Lehrern, welche dem Kolle¬
gium der Anstalt nicht angehörten, ertheilt wurde, so war das Vorurtheil der El¬
tern, das sogar durch Gutachten mancher Aerzte eine Begründung erhielt, schwer
zu beseitigen. Man machte daher im Allgemeinen die Erfahrung, daß nach
den höhern Klassen hinauf die Theilnahme der Zöglinge am Turnunterrichte
immer lauer wurde, und daß die Lehrer der Gymnastik nicht selten bei der
Auswahl qualisicirter Borkumer in einiger Berlegenheit waren. Das Mini-
sterien-Circular legt nun den Lehrern der Anstalt ans Herz, sich der Beaufsich¬
tigung des Turnunterrichts mit Eifer anzunehmen und droht denselben sogar
mit Zwangsmaßregeln; zugleich macht es auf Mängel aufmerksam, an denen
nach der Meinung des Ministeriums der Unterricht bisher laborirt habe. Es
sollen die Turnlehrer nun durch Einführung eines rationellen Systems den¬
selben Abhilfe schaffen und den Frei-, Ordnungs- und tactogymnastischen
Uebungen.theils zur Erwerbung des Gemeingefühls, theils zur Vorbereitung
auf den künftigen Militärdienst die erforderliche Berücksichtigung zu Theil wer¬
den lassen. Es sollen die Turnspiele so eingerichtet werden, daß die wünschens-
werthe Fertigkeit im Abmessen der Distanzen, im Auskunden und Durchforschen
coupirter Terrains u. f. w. im Auge behalte» werde. Bei den Turnübungen
und Spielen sei aber immer darauf zu sehen, daß sie nicht in militärische
Spielereien ausarten, daß dem Knaben nicht geboten werde, was von dem
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/308>, abgerufen am 15.01.2025.