Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.ihre Zusammengehörigkeit mit dem. deutschen Oestreich so stark empfinden, daß Wenn Preußens Freunde oft Gelegenheit finden, sich über den Staat Wir haben oben die Besorgnis; ausgesprochen, daß es in der kurhessischcn ihre Zusammengehörigkeit mit dem. deutschen Oestreich so stark empfinden, daß Wenn Preußens Freunde oft Gelegenheit finden, sich über den Staat Wir haben oben die Besorgnis; ausgesprochen, daß es in der kurhessischcn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110639"/> <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839"> ihre Zusammengehörigkeit mit dem. deutschen Oestreich so stark empfinden, daß<lb/> sie dieser Rücksicht jede andre opfern, tadeln wir deshalb nicht; wir ehren<lb/> jede echte Ueberzeugung; nur müssen sie nicht dies zugleich wollen und das<lb/> Entgegengesetzte, sie müssen nicht, um eine alte Reminiscenz von 1848 anzuwen¬<lb/> den, die Republik wollen mit dem verstorbenen Großherzog an der Spitze.</p><lb/> <p xml:id="ID_841"> Wenn Preußens Freunde oft Gelegenheit finden, sich über den Staat<lb/> ihrer Liebe zu beklagen, so hat Preußen nicht weniger gerechten Grund, sich<lb/> über seine Freunde zu beklagen. Es hat manches versäumt, aber es hat<lb/> auch einiges gethan, und sür dieses nicht die ausreichende Unterstützung ge¬<lb/> funden. Wir wollen hier die Bundeskriegsverfassuug nicht erwähnen, weil<lb/> wir uns denken können, daß der preußische Ausweg das Gefühl nicht überall<lb/> befriedigt. Aber es gibt eine andre Frage, in der das Gefühl jedes ehrliche»<lb/> Deutschen nicht irren kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_842"> Wir haben oben die Besorgnis; ausgesprochen, daß es in der kurhessischcn<lb/> Frage dem preußischen Ministerium schwer werden dürfte, seine verschiedenen Rück¬<lb/> sichten mit einander zu vereinbaren. Es liegt aber in der Hand des deutschen<lb/> Volks, ihm diese Lage zu erleichtern. Der Widerstand der deutschen Regie¬<lb/> rungen geht nicht aus einem Mangel an Sympathie für das hessische Volk,<lb/> sondern nur aus der Besorgniß hervor, Preußen werde diese Frage zu seinen<lb/> Sonderzwecken ausbeuten. Die meisten unsrer deutscheu Staaten werden so<lb/> gut regiert, daß sie keine Vergleichung zu scheuen haben. Wir führen nur<lb/> Sachsen an. In Bezug auf das höhere Versassungsleben läßt es sehr viel zu<lb/> wünschen übrig; im übrigen leben die Einwohner zufrieden und glücklich.<lb/> Gern würde die sächsische Regierung den Kurhessen, deren Haltung über alles<lb/> Lob erhaben ist, dasselbe Glück zu Theil werden lassen, das diese nach den<lb/> Erfahrungen dieses Jahres nur in der Rückkehr zum alten Rechtssystem finden<lb/> können, wenn nicht die vorhererwähntc Rücksicht sie hinderte. An der sächsi¬<lb/> schen Kammer ist es nun, die Regierung daran z» erinnern, daß diese Frage<lb/> keine preußische, sondern eine deutsche ist; daß es sich gar nicht darum han¬<lb/> delt. Preußen irgend einen Vorsprung zu lassen, sondern an einem wunden<lb/> Fleck Deutschlands eine Heilung herbeizuführen, deren längere? Ausbleiben<lb/> unsrer allgemeinem deutschen Zustände in Gefahr setzt. Wenn alle Landtage<lb/> der deutscheu Staaten sich in diesem Sinn aussprechen, so roird auf ganz fried¬<lb/> lichem und ganz gesetzlichem Weg eine Versöhnung angebahnt, deren Folgen<lb/> sich viel weiter ausdehnen als über die engen Grenzen des Kurfürstenthums. —</p><lb/> <note type="byline"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0291]
ihre Zusammengehörigkeit mit dem. deutschen Oestreich so stark empfinden, daß
sie dieser Rücksicht jede andre opfern, tadeln wir deshalb nicht; wir ehren
jede echte Ueberzeugung; nur müssen sie nicht dies zugleich wollen und das
Entgegengesetzte, sie müssen nicht, um eine alte Reminiscenz von 1848 anzuwen¬
den, die Republik wollen mit dem verstorbenen Großherzog an der Spitze.
Wenn Preußens Freunde oft Gelegenheit finden, sich über den Staat
ihrer Liebe zu beklagen, so hat Preußen nicht weniger gerechten Grund, sich
über seine Freunde zu beklagen. Es hat manches versäumt, aber es hat
auch einiges gethan, und sür dieses nicht die ausreichende Unterstützung ge¬
funden. Wir wollen hier die Bundeskriegsverfassuug nicht erwähnen, weil
wir uns denken können, daß der preußische Ausweg das Gefühl nicht überall
befriedigt. Aber es gibt eine andre Frage, in der das Gefühl jedes ehrliche»
Deutschen nicht irren kann.
Wir haben oben die Besorgnis; ausgesprochen, daß es in der kurhessischcn
Frage dem preußischen Ministerium schwer werden dürfte, seine verschiedenen Rück¬
sichten mit einander zu vereinbaren. Es liegt aber in der Hand des deutschen
Volks, ihm diese Lage zu erleichtern. Der Widerstand der deutschen Regie¬
rungen geht nicht aus einem Mangel an Sympathie für das hessische Volk,
sondern nur aus der Besorgniß hervor, Preußen werde diese Frage zu seinen
Sonderzwecken ausbeuten. Die meisten unsrer deutscheu Staaten werden so
gut regiert, daß sie keine Vergleichung zu scheuen haben. Wir führen nur
Sachsen an. In Bezug auf das höhere Versassungsleben läßt es sehr viel zu
wünschen übrig; im übrigen leben die Einwohner zufrieden und glücklich.
Gern würde die sächsische Regierung den Kurhessen, deren Haltung über alles
Lob erhaben ist, dasselbe Glück zu Theil werden lassen, das diese nach den
Erfahrungen dieses Jahres nur in der Rückkehr zum alten Rechtssystem finden
können, wenn nicht die vorhererwähntc Rücksicht sie hinderte. An der sächsi¬
schen Kammer ist es nun, die Regierung daran z» erinnern, daß diese Frage
keine preußische, sondern eine deutsche ist; daß es sich gar nicht darum han¬
delt. Preußen irgend einen Vorsprung zu lassen, sondern an einem wunden
Fleck Deutschlands eine Heilung herbeizuführen, deren längere? Ausbleiben
unsrer allgemeinem deutschen Zustände in Gefahr setzt. Wenn alle Landtage
der deutscheu Staaten sich in diesem Sinn aussprechen, so roird auf ganz fried¬
lichem und ganz gesetzlichem Weg eine Versöhnung angebahnt, deren Folgen
sich viel weiter ausdehnen als über die engen Grenzen des Kurfürstenthums. —
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