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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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in Glücksburg eine Audienz gehabt, dabei seine Beschwerde gegen den Propst
Hansen vorgebracht, welcher ihm Beschränkungen der lästigsten Art hinsichtlich
des Privatunterrichts seiner Kinder aufgenöthigt hatte, und darauf vom König
die Antwort erhalten, er möge sich um Abhilfe an die Ständeversammlung
wenden. Weil er dieses Ergebniß seines Besuchs in Glücksburg Andern mit¬
getheilt, wurde er in Untersuchung gezogen, wiederholt verhört, dann auf An¬
weisung des Ministeriums criminell behandelt, "da es nicht denkbar sei, daß
Sr, Majestät sich so geäußert haben sollte," und schließlich, als er auf die
Andeutung, daß er bei einem Widerruf seiner Angabe straflos sein solle, bei
seiner Behauptung beharren zu wollen erklärte, da sie die Wahrheit enthalte,
von der Hardcsvorstei zu drei Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod und in
die Kosten verurtheilt. Das Appellationsgericht cassirte dieses Erkenntniß.
Offenbar hatte die Negierung, deren Seele noch immer der berüchtigte Etatsrath
Regcnburg ist, gemeint, daß die 14.000 Petitionen, die in der Sprachangele¬
genheit bei den Ständen eingelaufen waren, eine Folge jener königlichen Ant¬
wort gewesen seien, und da man den König dafür nicht in Anspruch nehmen
konnte, so wollte man durch Bestrafung dessen, der sich zum Echo seiner Worte
gemacht, ihn wenigstens abschrecken, sich künftig in ähnlicher Sache ähnlich zu
äußern -- eine Absicht, die nach der kurzen Abfertigung derer, die dieses Jahr
in Glücksburg ihre Bitten und Klagen anbrachten, nur zu gut gelungen zu
sein scheint.

Die Erbitterung, welche diese und andre Maßregel" im Lande hervorge¬
rufen haben, ist außerordentlich. Selbst das (lediglich aus materiellen Grün¬
den, die überdies nicht vollkommen zutreffen) bisher ziemlich dänisch gesinnte
Flensburg beginnt zu wanken und Opposition zu machen. Sein Vertreter
in der Ständeversammlung trat, in der Regel mit der dänischen Minorität
gehend, in der letzten Session wiederholt auf die Seite der deutschen Majo¬
rität. Mit schwerem Herzen meldete vor einigen Wochen die "Dannevirke".
wie die Stimmung der deutschen Bewohner der Stadt sich immer mehr von
dem entferne, was dieses Blatt "die alte treue Loyalität" nennt. Als der
Bürgerverein vorigen'Sommer sein fünfundzwanzigjährigcs Bestehn feierte,
brachte der zweite Bürgermeister, indem er daran erinnerte, wie vor einem
Vierteljahrhundert niemand gedacht haben könne, daß derselbe in kurzer Zeit
so viele Dänen zu Mitgliedern zahlen würde, einen Toast auf die Hoffnung
aus, daß in abermals fünfundzwanzig Jahren hier nur noch dänisch gespro
eben werden würde. ' Die Folge war, daß Tags darauf ein Viertel der Mit¬
glieder ihren Austritt erklärten. Dagegen wächst und gedeiht der Gesang¬
verein, der keinen notorisch Dänischgesinnten" aufnimmt, ,in einem der Danne¬
virke "Bestürzung erregenden" (forbausende) Grade und zählt jetzt bereits
600 Theilnehmer. Man kann nicht sagen, daß die Stimmung in der Stadt


Grenzbote" IV. 18M, 3

in Glücksburg eine Audienz gehabt, dabei seine Beschwerde gegen den Propst
Hansen vorgebracht, welcher ihm Beschränkungen der lästigsten Art hinsichtlich
des Privatunterrichts seiner Kinder aufgenöthigt hatte, und darauf vom König
die Antwort erhalten, er möge sich um Abhilfe an die Ständeversammlung
wenden. Weil er dieses Ergebniß seines Besuchs in Glücksburg Andern mit¬
getheilt, wurde er in Untersuchung gezogen, wiederholt verhört, dann auf An¬
weisung des Ministeriums criminell behandelt, „da es nicht denkbar sei, daß
Sr, Majestät sich so geäußert haben sollte," und schließlich, als er auf die
Andeutung, daß er bei einem Widerruf seiner Angabe straflos sein solle, bei
seiner Behauptung beharren zu wollen erklärte, da sie die Wahrheit enthalte,
von der Hardcsvorstei zu drei Tagen Gefängniß bei Wasser und Brod und in
die Kosten verurtheilt. Das Appellationsgericht cassirte dieses Erkenntniß.
Offenbar hatte die Negierung, deren Seele noch immer der berüchtigte Etatsrath
Regcnburg ist, gemeint, daß die 14.000 Petitionen, die in der Sprachangele¬
genheit bei den Ständen eingelaufen waren, eine Folge jener königlichen Ant¬
wort gewesen seien, und da man den König dafür nicht in Anspruch nehmen
konnte, so wollte man durch Bestrafung dessen, der sich zum Echo seiner Worte
gemacht, ihn wenigstens abschrecken, sich künftig in ähnlicher Sache ähnlich zu
äußern — eine Absicht, die nach der kurzen Abfertigung derer, die dieses Jahr
in Glücksburg ihre Bitten und Klagen anbrachten, nur zu gut gelungen zu
sein scheint.

Die Erbitterung, welche diese und andre Maßregel» im Lande hervorge¬
rufen haben, ist außerordentlich. Selbst das (lediglich aus materiellen Grün¬
den, die überdies nicht vollkommen zutreffen) bisher ziemlich dänisch gesinnte
Flensburg beginnt zu wanken und Opposition zu machen. Sein Vertreter
in der Ständeversammlung trat, in der Regel mit der dänischen Minorität
gehend, in der letzten Session wiederholt auf die Seite der deutschen Majo¬
rität. Mit schwerem Herzen meldete vor einigen Wochen die „Dannevirke".
wie die Stimmung der deutschen Bewohner der Stadt sich immer mehr von
dem entferne, was dieses Blatt „die alte treue Loyalität" nennt. Als der
Bürgerverein vorigen'Sommer sein fünfundzwanzigjährigcs Bestehn feierte,
brachte der zweite Bürgermeister, indem er daran erinnerte, wie vor einem
Vierteljahrhundert niemand gedacht haben könne, daß derselbe in kurzer Zeit
so viele Dänen zu Mitgliedern zahlen würde, einen Toast auf die Hoffnung
aus, daß in abermals fünfundzwanzig Jahren hier nur noch dänisch gespro
eben werden würde. ' Die Folge war, daß Tags darauf ein Viertel der Mit¬
glieder ihren Austritt erklärten. Dagegen wächst und gedeiht der Gesang¬
verein, der keinen notorisch Dänischgesinnten" aufnimmt, ,in einem der Danne¬
virke „Bestürzung erregenden" (forbausende) Grade und zählt jetzt bereits
600 Theilnehmer. Man kann nicht sagen, daß die Stimmung in der Stadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/29>, abgerufen am 15.01.2025.