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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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nommer des Himmels, im Sonnenschein und Sternenlicht, in Wind, Regen
und Gewitter, wie überhaupt in allem Leben und Wachsthum der Natur.
Als solche Naturkräfte und Elementargeister heißen sie Elbe, gehen aber auch
in gutmüthige Hausgeister und Kobolde über, welche den Menschen bei ih¬
rer Arbeit behilflich sind, noch öfter aber lasst sich ihr Uebergang in Quäl¬
geister und Gespenster nachweisen.

Diese Anschauungen und Glaubenssätze hier näher zu erörtern würde zu
weit führen; nur das sei noch bemerkt, daß der Volksglaube seit den ältesten
Zeiten eben diesen zwischen Himmel und Erde schwebenden und webenden
Seelen zuweilen auch die Rückkehr zur Stätte ihrer alten Heimath gestattete.

.Julnacht und Neujahrsabcnd gelten unter dem Volke in Skandinavien
noch heute als die Fahrtage der Alsen. In jedem Winkel des Hauses brennt
dann ein Licht, das Haus ist gekehrt und gereinigt und alle Thüren stehen
offen für die etwa cinkchrenoen Alsen. Die Speise wird nicht vom Tisch
genommen, jondern bleibt die ganze Nacht stehen, auch ein Krug mit Bier
wird hingestellt. Auch die Esthen glauben, daß um Weihnachten die Unter¬
irdischen aus der Erde wandern und selbst in menschlicher Gestalt sichtbar
werden. Daher deckt man am Weihnachtsabende die Brunnen vorsichtig zu.
damit kein Unterirdischer hineinfalle und nimmt in der Neujahrs- und Weih¬
nachtsnacht jeden Unbekannten gastlich auf. Der Tisch ist mit Speisen ver¬
sehn und die Hausfrau verschließt ihre Speisekammer nicht, damit ein solcher
Gast keinen Hunger leide, wenn er etwa spät, sichtbar oder unsichtbar eintreffe.
In der Normandie wird ebenfalls am ö". December oder 1. Januar der
Tisch für die Feen gedeckt, und bei den Walachen ladet man am Namens¬
tage des Hansheiligen die verstorbenen Ahnen zu Gast und läßt ihnen bei
Tische Plätze leer. Gradeso stellte man in der Perchtnacht der Perchta und
den Schrätlem Speise hin, und für die Bergmännlein wurde ein Tischchen ge¬
deckt, Milch und Honig darauf gesetzt und in diese Speise das Blut einer
schwarzen Henne getropft. Zu diesem Male wurden nenn Messer aufgelegt.
Im Odcnwcüde kochen viele Leute Tags vor Fastnachtsonntag "für die lieben
Engelein" das Beste und Leckerste, was sie im Hause haben, setzen es Abends
auf einen Tisch, öffnen den Engeln die Fenster und legen sich dann schlafen.

In diesen Mahlzeiten lassen sich Ueberreste heidnischer Opfer für die Ma¬
nen nicht verkennen, und mit diesem Verfahren stimmen auch die Volksge-
bräuche, denen wir hier und da am Seelentage begegnen, vollkommen über¬
ein. So ?se es im Innthale und vielen andern Gegenden Tirols üblich, an
diesem Tage Lampen zum Troste der armen Seelen anzuzünden und dieselben
die Nacht hindurch brennen zu lassen. Die armen Seelen sollen kommen und
mit dem heilsamen Lampenöle ihre Brandmale bestreichen. Sobald es näm¬
lich am Allerseelentage zu läuten anfängt, dürfen diese das Fegefeuer verlas-


nommer des Himmels, im Sonnenschein und Sternenlicht, in Wind, Regen
und Gewitter, wie überhaupt in allem Leben und Wachsthum der Natur.
Als solche Naturkräfte und Elementargeister heißen sie Elbe, gehen aber auch
in gutmüthige Hausgeister und Kobolde über, welche den Menschen bei ih¬
rer Arbeit behilflich sind, noch öfter aber lasst sich ihr Uebergang in Quäl¬
geister und Gespenster nachweisen.

Diese Anschauungen und Glaubenssätze hier näher zu erörtern würde zu
weit führen; nur das sei noch bemerkt, daß der Volksglaube seit den ältesten
Zeiten eben diesen zwischen Himmel und Erde schwebenden und webenden
Seelen zuweilen auch die Rückkehr zur Stätte ihrer alten Heimath gestattete.

.Julnacht und Neujahrsabcnd gelten unter dem Volke in Skandinavien
noch heute als die Fahrtage der Alsen. In jedem Winkel des Hauses brennt
dann ein Licht, das Haus ist gekehrt und gereinigt und alle Thüren stehen
offen für die etwa cinkchrenoen Alsen. Die Speise wird nicht vom Tisch
genommen, jondern bleibt die ganze Nacht stehen, auch ein Krug mit Bier
wird hingestellt. Auch die Esthen glauben, daß um Weihnachten die Unter¬
irdischen aus der Erde wandern und selbst in menschlicher Gestalt sichtbar
werden. Daher deckt man am Weihnachtsabende die Brunnen vorsichtig zu.
damit kein Unterirdischer hineinfalle und nimmt in der Neujahrs- und Weih¬
nachtsnacht jeden Unbekannten gastlich auf. Der Tisch ist mit Speisen ver¬
sehn und die Hausfrau verschließt ihre Speisekammer nicht, damit ein solcher
Gast keinen Hunger leide, wenn er etwa spät, sichtbar oder unsichtbar eintreffe.
In der Normandie wird ebenfalls am ö». December oder 1. Januar der
Tisch für die Feen gedeckt, und bei den Walachen ladet man am Namens¬
tage des Hansheiligen die verstorbenen Ahnen zu Gast und läßt ihnen bei
Tische Plätze leer. Gradeso stellte man in der Perchtnacht der Perchta und
den Schrätlem Speise hin, und für die Bergmännlein wurde ein Tischchen ge¬
deckt, Milch und Honig darauf gesetzt und in diese Speise das Blut einer
schwarzen Henne getropft. Zu diesem Male wurden nenn Messer aufgelegt.
Im Odcnwcüde kochen viele Leute Tags vor Fastnachtsonntag „für die lieben
Engelein" das Beste und Leckerste, was sie im Hause haben, setzen es Abends
auf einen Tisch, öffnen den Engeln die Fenster und legen sich dann schlafen.

In diesen Mahlzeiten lassen sich Ueberreste heidnischer Opfer für die Ma¬
nen nicht verkennen, und mit diesem Verfahren stimmen auch die Volksge-
bräuche, denen wir hier und da am Seelentage begegnen, vollkommen über¬
ein. So ?se es im Innthale und vielen andern Gegenden Tirols üblich, an
diesem Tage Lampen zum Troste der armen Seelen anzuzünden und dieselben
die Nacht hindurch brennen zu lassen. Die armen Seelen sollen kommen und
mit dem heilsamen Lampenöle ihre Brandmale bestreichen. Sobald es näm¬
lich am Allerseelentage zu läuten anfängt, dürfen diese das Fegefeuer verlas-


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[0264] nommer des Himmels, im Sonnenschein und Sternenlicht, in Wind, Regen und Gewitter, wie überhaupt in allem Leben und Wachsthum der Natur. Als solche Naturkräfte und Elementargeister heißen sie Elbe, gehen aber auch in gutmüthige Hausgeister und Kobolde über, welche den Menschen bei ih¬ rer Arbeit behilflich sind, noch öfter aber lasst sich ihr Uebergang in Quäl¬ geister und Gespenster nachweisen. Diese Anschauungen und Glaubenssätze hier näher zu erörtern würde zu weit führen; nur das sei noch bemerkt, daß der Volksglaube seit den ältesten Zeiten eben diesen zwischen Himmel und Erde schwebenden und webenden Seelen zuweilen auch die Rückkehr zur Stätte ihrer alten Heimath gestattete. .Julnacht und Neujahrsabcnd gelten unter dem Volke in Skandinavien noch heute als die Fahrtage der Alsen. In jedem Winkel des Hauses brennt dann ein Licht, das Haus ist gekehrt und gereinigt und alle Thüren stehen offen für die etwa cinkchrenoen Alsen. Die Speise wird nicht vom Tisch genommen, jondern bleibt die ganze Nacht stehen, auch ein Krug mit Bier wird hingestellt. Auch die Esthen glauben, daß um Weihnachten die Unter¬ irdischen aus der Erde wandern und selbst in menschlicher Gestalt sichtbar werden. Daher deckt man am Weihnachtsabende die Brunnen vorsichtig zu. damit kein Unterirdischer hineinfalle und nimmt in der Neujahrs- und Weih¬ nachtsnacht jeden Unbekannten gastlich auf. Der Tisch ist mit Speisen ver¬ sehn und die Hausfrau verschließt ihre Speisekammer nicht, damit ein solcher Gast keinen Hunger leide, wenn er etwa spät, sichtbar oder unsichtbar eintreffe. In der Normandie wird ebenfalls am ö». December oder 1. Januar der Tisch für die Feen gedeckt, und bei den Walachen ladet man am Namens¬ tage des Hansheiligen die verstorbenen Ahnen zu Gast und läßt ihnen bei Tische Plätze leer. Gradeso stellte man in der Perchtnacht der Perchta und den Schrätlem Speise hin, und für die Bergmännlein wurde ein Tischchen ge¬ deckt, Milch und Honig darauf gesetzt und in diese Speise das Blut einer schwarzen Henne getropft. Zu diesem Male wurden nenn Messer aufgelegt. Im Odcnwcüde kochen viele Leute Tags vor Fastnachtsonntag „für die lieben Engelein" das Beste und Leckerste, was sie im Hause haben, setzen es Abends auf einen Tisch, öffnen den Engeln die Fenster und legen sich dann schlafen. In diesen Mahlzeiten lassen sich Ueberreste heidnischer Opfer für die Ma¬ nen nicht verkennen, und mit diesem Verfahren stimmen auch die Volksge- bräuche, denen wir hier und da am Seelentage begegnen, vollkommen über¬ ein. So ?se es im Innthale und vielen andern Gegenden Tirols üblich, an diesem Tage Lampen zum Troste der armen Seelen anzuzünden und dieselben die Nacht hindurch brennen zu lassen. Die armen Seelen sollen kommen und mit dem heilsamen Lampenöle ihre Brandmale bestreichen. Sobald es näm¬ lich am Allerseelentage zu läuten anfängt, dürfen diese das Fegefeuer verlas-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/264>, abgerufen am 15.01.2025.