Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.An dem Begräbnißtage so wie am nächsten herrschte in Schleswig eine Allgemein wurde die Untersuchung wegen der Petitionen oder Adressen an Gegen Pfingsten erst wurde der Stadtarrcst aufgehoben, doch auch dann An dem Begräbnißtage so wie am nächsten herrschte in Schleswig eine Allgemein wurde die Untersuchung wegen der Petitionen oder Adressen an Gegen Pfingsten erst wurde der Stadtarrcst aufgehoben, doch auch dann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110374"/> <p xml:id="ID_34"> An dem Begräbnißtage so wie am nächsten herrschte in Schleswig eine<lb/> Art Belagerungszustand. Auf den Straßen dursten nicht mehr wie drei, in<lb/> den Wirthshäusern nicht mehr wie acht Personen zusammenstehn. Die Polizei,<lb/> die Gendarmerie vigilirte überall. Als der Vertreter Schleswigs in der Stnnde-<lb/> versammlung, Senator Marquards zurückkehrte, lauerte Iörgcnsen mit einer<lb/> Anzahl seiner Leute des Abends vor dessen Wohnung, um zu verhüten, daß<lb/> ihm von seinen Wählern eine Ehrenbezeugung erwiesen werde. Natürlich ver¬<lb/> hielt sich Alles still. Bald darauf aber wurden der genannte General und<lb/> ein Oberst der Kavallerie zur Disposition gestellt, weil unter solchen Umständen<lb/> jüngere Officiere besser am Platze wären. Ein Major, der dem Polizeimeister<lb/> bemerkt, daß er allein an der Unruhe in der Stadt schuld sei und daß man ihm<lb/> vorzüglich es danke, wenn die Kluft zwischen den beiden Nationalitäten hier<lb/> unausfüllbar sei. wurde wegen dieser Aeußerung damit bestraft, daß man ihn<lb/> nach Räubers in Jütland versetzte. Fort mit ihm! Was sollen auch Leute,<lb/> die nicht mit den Auge» des Fanatismus sehn, unter diesen aufrührerischen<lb/> Schleswig-Holsteinern! Peitschen thuns nicht, züchtigen wir sie mit Scorpionen!<lb/> Vielleicht, daß sie dann sich ducken lernen, vielleicht auch, daß ihnen die Geduld<lb/> reißt. In beiden Fällen gibt es dann wol Gelegenheit, die thatsächliche Ein¬<lb/> verleibung in eme förmliche zu verwandeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_35"> Allgemein wurde die Untersuchung wegen der Petitionen oder Adressen an<lb/> die Stände erst, als dieselben im Lesezimmer der Versammlung in Flensburg<lb/> ausgelegen hatten, und der Präsident diese Papiere der Regierung ausgeant¬<lb/> wortet. Die Schleswiger Adresse war von ziemlich 400 Bürgern abgesandt<lb/> worden. Man griff aus diesen zunächst diejenigen heraus, welche den andern<lb/> den Entwurf der Adresse mitgetheilt und die unterzeichneten Exemplare gesam¬<lb/> melt und dem Abgeordneten der Stadt mitgetheilt hatten, vernahm sie und<lb/> belegte sie mit Stadtarrest. Zu letzterem war so wenig Veranlassung vor¬<lb/> handen, wie zur Schließung der Heibergschen Buchhandlung; wol aber lag<lb/> darin, namentlich für> solche Gcwerbtrcibende, die ihr Geschäft täglich über Land<lb/> zu gehn nöthigt, eine ähnliche Beeinträchtigung ihres Erwerbes wie in jener Ma߬<lb/> regel, und bei dem Charakter des Vorstands der Schleswiger Polizei ist der Ver¬<lb/> dacht gerechtfertigt, daß der letztere Grund auch hier der bestimmende gewesen<lb/> ist. Erleichterungen wurden nur in besonders dringenden Fällen zugestanden<lb/> und dann uuter lästigen, bisweilen abgeschmackten Bedingungen. Einem Arzt,<lb/> dem Dr. Volquards, erlaubte der Polizeimeister seine außerhalb der Stadt<lb/> wohnenden Patienten nur des Nachts zu besuchen. Von einem Kaufmann,<lb/> der aus die leipziger Messe wollte, forderte er die in Betracht des Inhalts der<lb/> Adresse (es war die im zweiten Abschnitt mitgetheilte) unverständig hohe Kau¬<lb/> tion von 1000 Nthlrn.</p><lb/> <p xml:id="ID_36" next="#ID_37"> Gegen Pfingsten erst wurde der Stadtarrcst aufgehoben, doch auch dann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
An dem Begräbnißtage so wie am nächsten herrschte in Schleswig eine
Art Belagerungszustand. Auf den Straßen dursten nicht mehr wie drei, in
den Wirthshäusern nicht mehr wie acht Personen zusammenstehn. Die Polizei,
die Gendarmerie vigilirte überall. Als der Vertreter Schleswigs in der Stnnde-
versammlung, Senator Marquards zurückkehrte, lauerte Iörgcnsen mit einer
Anzahl seiner Leute des Abends vor dessen Wohnung, um zu verhüten, daß
ihm von seinen Wählern eine Ehrenbezeugung erwiesen werde. Natürlich ver¬
hielt sich Alles still. Bald darauf aber wurden der genannte General und
ein Oberst der Kavallerie zur Disposition gestellt, weil unter solchen Umständen
jüngere Officiere besser am Platze wären. Ein Major, der dem Polizeimeister
bemerkt, daß er allein an der Unruhe in der Stadt schuld sei und daß man ihm
vorzüglich es danke, wenn die Kluft zwischen den beiden Nationalitäten hier
unausfüllbar sei. wurde wegen dieser Aeußerung damit bestraft, daß man ihn
nach Räubers in Jütland versetzte. Fort mit ihm! Was sollen auch Leute,
die nicht mit den Auge» des Fanatismus sehn, unter diesen aufrührerischen
Schleswig-Holsteinern! Peitschen thuns nicht, züchtigen wir sie mit Scorpionen!
Vielleicht, daß sie dann sich ducken lernen, vielleicht auch, daß ihnen die Geduld
reißt. In beiden Fällen gibt es dann wol Gelegenheit, die thatsächliche Ein¬
verleibung in eme förmliche zu verwandeln.
Allgemein wurde die Untersuchung wegen der Petitionen oder Adressen an
die Stände erst, als dieselben im Lesezimmer der Versammlung in Flensburg
ausgelegen hatten, und der Präsident diese Papiere der Regierung ausgeant¬
wortet. Die Schleswiger Adresse war von ziemlich 400 Bürgern abgesandt
worden. Man griff aus diesen zunächst diejenigen heraus, welche den andern
den Entwurf der Adresse mitgetheilt und die unterzeichneten Exemplare gesam¬
melt und dem Abgeordneten der Stadt mitgetheilt hatten, vernahm sie und
belegte sie mit Stadtarrest. Zu letzterem war so wenig Veranlassung vor¬
handen, wie zur Schließung der Heibergschen Buchhandlung; wol aber lag
darin, namentlich für> solche Gcwerbtrcibende, die ihr Geschäft täglich über Land
zu gehn nöthigt, eine ähnliche Beeinträchtigung ihres Erwerbes wie in jener Ma߬
regel, und bei dem Charakter des Vorstands der Schleswiger Polizei ist der Ver¬
dacht gerechtfertigt, daß der letztere Grund auch hier der bestimmende gewesen
ist. Erleichterungen wurden nur in besonders dringenden Fällen zugestanden
und dann uuter lästigen, bisweilen abgeschmackten Bedingungen. Einem Arzt,
dem Dr. Volquards, erlaubte der Polizeimeister seine außerhalb der Stadt
wohnenden Patienten nur des Nachts zu besuchen. Von einem Kaufmann,
der aus die leipziger Messe wollte, forderte er die in Betracht des Inhalts der
Adresse (es war die im zweiten Abschnitt mitgetheilte) unverständig hohe Kau¬
tion von 1000 Nthlrn.
Gegen Pfingsten erst wurde der Stadtarrcst aufgehoben, doch auch dann
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